Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke
Автор: Honore de Balzac
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815226
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»Diese Wendung ist schöner als meine«, sagte Cäsar leise zu seinem Onkel.
»Da die Gläubiger infolge des loyalen Verhaltens dieses Kaufmanns, seiner Frau und seiner Tochter, die ihre ganze Habe hergegeben hatten, eine Dividende von sechzig Prozent auf ihre Forderungen erhielten, unterzeichneten sie den Vergleich unter Betonung ihrer Hochachtung für den Schuldner und verzichteten auf den Rest ihrer Ansprüche. Ich lenke die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf den Text dieses Vergleichs hin.«
Hier verlas der Generalstaatsanwalt die betreffende Stelle des Vergleichs.
»Angesichts einer so wohlwollenden Stellungnahme, meine Herren Richter, würden viele Kaufleute sich ihrer Verpflichtungen für enthoben angesehen haben und stolzen Hauptes wieder in der Öffentlichkeit erschienen sein. Weit entfernt hiervon, beschloß Birotteau, ohne sich entmutigen zu lassen, sich den glorreichen Tag, der heute zu seinem Ruhme erschienen ist, zu erobern. Und davon hat er sich durch nichts abschrecken lassen. Von unserm vielgeliebten Monarchen wurde ihm eine Stellung gegeben, damit der bei Saint Roch Verwundete sein Brot hätte; dieser aber bewahrte sein Gehalt für seine Gläubiger auf und verbrauchte nichts davon für seinen Unterhalt, denn die hingebende Fürsorge seiner Familie stand ihm zur Seite …«
Hier drückte Birotteau weinend seinem Onkel die Hand.
»Auch seine Frau und seine Tochter legten den Ertrag ihrer Arbeit in die gemeinsame Sparbüchse, denn sie teilten Birotteaus edle Grundsätze. Beide entsagten ihrer Stellung, um eine niedrigere anzunehmen. Solche Opfer, meine Herren Richter, verdienen laut gerühmt zu werden, denn sie sind am schwersten von allen zu bringen. Folgende Aufgabe hatte sich Birotteau gestellt.«
Der Generalstaatsanwalt verlas nun die Konkurstabelle und benannte die noch geschuldeten Beträge und die Namen der Gläubiger.
»Ein jeder dieser Schuldbeträge ist bezahlt worden und zwar mit Zinsen, meine Herren Richter, und nicht etwa gegen einfache Quittungen, die eine strenge Nachprüfung erfordern, sondern gegen authentische Quittungen, die der gewissenhaftesten richterlichen Prüfung standhalten, und die amtlich in der gesetzlich vorgeschriebenen Form als richtig befunden worden sind. Sie werden Birotteau nicht seine Ehre, aber die Rechte, deren er sich beraubt sah, wieder zusprechen und Sie werden damit ein gerechtes Urteil fällen. Ein solcher Fall unterliegt so selten Ihrer Prüfung, daß wir nicht unterlassen können, dem Antragsteller auszusprechen, wie freudig wir ein solches Verhalten begrüßen, das schon durch allerhöchste Gunst ermutigt worden ist.« Dann stellte er seine formellen Anträge im üblichen Gerichtsstil.
Der Gerichtshof faßte seinen Beschluß, ohne sich zur Beratung zurückzuziehen, und der Präsident erhob sich, um das Urteil zu verkünden. »Der Gerichtshof«, sagte er zum Schlusse, »hat mich beauftragt, Birotteau seine Genugtuung darüber auszusprechen, daß er ein solches Urteil fällen konnte. Gerichtsdiener, die nächste Sache.«
Birotteau, den die Redewendungen des berühmten Generalstaatsanwalts wie mit einem Ehrenkleide umhüllt hatten, war vor Freude wie zerbrochen, als er den feierlichen Urteilsspruch aus dem Munde des ersten Präsidenten des höchsten französischen Gerichtshofes vernahm, der zeigte, daß auch die unerschütterliche Rechtsprechung ein menschliches Empfinden kannte. Er vermochte seinen Platz an den Schranken nicht zu verlassen, er stand wie angenagelt da und starrte bewegungslos die Richter an, als seien es Engel, die ihm die Tore zu der menschlichen Gesellschaft wieder geöffnet hatten; der Onkel nahm ihn beim Arm und zog ihn mit sich fort in die Vorhalle. Jetzt steckte sich Cäsar, der der Weisung Ludwigs XVIII. nicht Folge geleistet hatte, mechanisch das Band der Ehrenlegion ins Knopfloch und wurde sogleich von seinen Freunden umringt und im Triumph in den Wagen getragen.
»Wohin wollt ihr mich denn bringen, liebe Freunde?« sagte er zu Joseph Lebas, Pillerault und Ragon.
»Nach Hause.«
»Nein, es ist drei Uhr, ich will von meinen Rechten wieder Gebrauch machen und zur Börse gehen.«
»Zur Börse«, rief Pillerault dem Kutscher zu und gab Lebas einen deutlichen Wink, denn er hatte bei dem Rehabilitierten beunruhigende Symptome wahrgenommen und fürchtete, daß er von Sinnen kommen könnte.
Der ehemalige Parfümhändler betrat nun den Börsensaal am Arme seines Onkels und Lebas’, der beiden angesehenen Kaufleute. Seine Rehabilitierung war schon bekannt geworden. Die erste Person, die die drei Kaufleute, denen Ragon folgte, bemerkte, war du Tillet.
»Ah, mein verehrter Prinzipal, ich bin entzückt, zu sehen, daß Sie sich herausgezogen haben. Und ich habe wohl durch die Bereitwilligkeit, mit der ich mich von dem kleinen Popinot habe rupfen lassen, zu diesem erfreulichen Ende Ihrer Sorgen beigetragen. Ich freue mich über diese glückliche Lösung ebenso, als ob sie mich selbst beträfe.«
»Das kann auch nicht gut anders sein,« СКАЧАТЬ