Название: Ein Schuss kommt selten allein
Автор: Johanna Hofer von Lobenstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Jons übernatürliche Fälle
isbn: 9783948457037
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Da ich sonst nichts mehr zu tun hatte, fuhr ich nach Hause.
Aufgrund meiner so interessanten Fähigkeiten hatte ich Schwierigkeiten, in normalen Häusern oder Wohnungen zu leben. Heutzutage gab es fast überall elektronische Schließanlagen, und ich hatte bisher noch keine praktikable Methode gefunden, damit zurechtzukommen. Die meisten Räume in der Wohnung waren relativ unkompliziert, mein Hauptproblem war immer die Küche. Haushaltsgeräte waren extrem anfällig für mich und gaben meist schnell den Geist auf.
Vor sechs Jahren hatte sich eine Art Lösung ergeben: Ich hatte eine alte Pizzeria mit Holzöfen gekauft und sie mit offizieller Genehmigung der Stadt zu Wohnraum umfunktioniert. Die großen Backsteinöfen waren völlig frei von Elektrizität, und man konnte alles Mögliche darin zubereiten, sodass ich nicht mehr von Take-out-Gerichten leben musste. Alles in allem passte mir die Wohnung recht gut, insbesondere, da sie nur sechs Blocks von der Agentur entfernt war, was mir zeitaufwendiges Pendeln ersparte.
Tatsächlich besaß auch ich das eine oder andere elektronische Gerät. Kühlschrank, Mikrowelle, Fernseher, Stereoanlage und ein Google-Home-System, um die beiden Letzteren betreiben zu können. Ich fasste sie niemals direkt an – für die IT war meine Nichte Skylar zuständig. Trotzdem schrottete ich ab und zu etwas, und Skylar musste so regelmäßig vorbeikommen, um den Schaden zu reparieren, dass sie dafür ein monatliches Honorar bezog.
Ich stellte den Wagen auf der knapp bemessenen Parkfläche ab, die hinter dem Haus lag, dann betrat ich das Haus durch die schwarze Metalltür. Ich war nicht weiter überrascht, aus dem Wohnzimmer Geräusche zu hören. »Hey, Sky!«
»Hey, Onkel Jon«, rief sie fröhlich zurück, was mich beruhigte. Wenn sie so fröhlich war, hatte ich nicht aus Versehen etwas kaputt gemacht. Ich trat in den schmalen Flur, warf meine Schlüssel in das Körbchen neben der Tür und hängte im Vorbeigehen meine Tasche an die kleine Fußbank. Die Küche hatte keine Tür, also konnte ich problemlos erkennen, dass ein gewisser rotschöpfiger Teenager meine letzten Kekse gefunden und restlos aufgegessen hatte. Die leere Packung lag neben dem großen, altmodischen Spülstein, aber immerhin stand kein schmutziges Geschirr auf der weißen Ablage, also hatte sie halbwegs hinter sich aufgeräumt.
Hinter der Trennwand zwischen Küche und Wohnzimmer fand ich meinen Schützling vor, mit dem Rücken zu mir und dem Google Home in den Händen mitten auf dem weichen Teppich. »Was machst du da?«
»Das Update ist gestern rausgekommen«, erklärte sie und hob den Kopf, um mich anzusehen. Ihr rotes Haar war heute zum Pferdeschwanz zusammengebunden, und das hellblaue Tanktop betonte das Blau ihrer Augen. Von uns allen hatte Skylar die meisten irischen Gene abbekommen. »Sie haben die Spracherkennung verbessert.«
»Oh, sehr gut«, sagte ich, aufrichtig erfreut. Manchmal musste ich mit dem System regelrecht streiten, weil es mich nicht richtig verstand. Denn im Gegensatz zu anderen konnte ich nicht mal eben kurz die Fernbedienung zur Hand nehmen, wenn das passierte. Ich näherte mich vorsichtig und setzte mich dann auf die Sofakante, um dem Gerät nicht zu nahe zu kommen. Zum Glück war der Raum groß, und ich hatte trotz TV-Möbel, Regalen, der großen Couch, Sitzsack und Billardtisch genug Platz, um Sicherheitsabstand zu wahren. »Und, wie war dein Tag? Soll ich etwas kochen?«
»Das wär’ super. Mom kommt heute Abend spät.« Sie strahlte mich an.
Ich liebte meine Schwester, das taten wir alle, aber niemand wäre je so weit gegangen, sie eine gute Köchin zu nennen. »Ich wollte gebratenen Lachs mit Gemüse machen. Okay für dich?«
»Ich liebe Fisch, das weißt du doch.«
»Das stimmt.« Ich ging in die offene Küche, nahm meine Greifzange zur Hand und manövrierte die Zutaten auf meine Metallarbeitsfläche auf Rollen, dann zog ich sie zu mir, in ausreichendem Abstand zum Kühlschrank.
Skylar spielte noch eine Weile am System herum, solange ich das Essen vorbereitete und den Ofen anfeuerte. Dann kam sie zu mir, setzte sich auf einen Barhocker und stützte die Unterarme auf den Tresen. »Du siehst aus, als hättest du gute Laune. Hattest du einen schönen Tag?«
»Ich habe einen neuen Partner.« Ich konnte mein breites Lächeln nicht unterdrücken.
»Moment mal.« Ihre Hand schoss nach oben, um mich zu unterbrechen. »Ich dachte, du datest nicht mehr?«
»Bei der Arbeit, nicht privat«, erklärte ich. Es war rührend, wie sehr Skylar daran glaubte, dass ich einen Lebenspartner finden würde, trotz meiner Eigenheiten. Sie wusste besser als die meisten, wie schwierig es war, mit mir zusammenzuleben, und dennoch war ihre Zuversicht nicht zu erschüttern.
Erst war sie sichtlich enttäuscht, typisch Teenager, dann fasste sie sich wieder und meinte: »Aber das ist doch super. Du hast dir schon so lange einen gewünscht. Wie ist er – oder sie – denn?«
»Er. Sein Name ist Donovan Havili, und er ist unglaublich toll.«
Sie wackelte auf eine Art mit den Augenbrauen, die Vierzehnjährige eigentlich noch nicht kennen sollten. »Eeeeecht?«
»Das reicht jetzt«, sagte ich streng und würzte den Lachs.
»Ist er schwul?«
»Bi, aber das spielt überhaupt keine Rolle.« Sobald ich die Worte laut ausgesprochen hatte, wurde mir klar, dass ich einen Fehler gemacht hatte.
Skylar stürzte sich auf die Aussage. »Er ist bisexuell! Also hast du eine Chance.«
»Wieso hast du eigentlich nur die eine Hälfte gehört? Denk doch mal darüber nach, Skylar. Der Mann muss vierzig Stunden pro Woche mit mir zusammenarbeiten. Ja, er ist wunderbar und sehr geduldig und sehr großzügig – aber trotzdem. Er muss mich vierzig Stunden ertragen, ohne dem Impuls nachzugeben, mir den Hals umzudrehen. Willst du seine Geduld wirklich so überstrapazieren und ihn auch noch zu meinem Lover machen? Er würde mich umbringen oder so schnell wie möglich das Weite suchen.«
Jetzt schmollte Skylar ganz offen. »Du gibst einfach immer auf, ohne es auch nur zu versuchen.«
Ich wusste aus leidvoller Erfahrung, wie unmöglich mich die meisten Menschen fanden. Mein eigener Vater hatte uns an meinem siebten Geburtstag verlassen, noch bevor sich meine Gabe überhaupt richtig entwickelt hatte. Er hatte es nicht mit meiner Mutter und mir gleichzeitig ausgehalten. Selbst meine Mutter hatte einen höflichen Weg gefunden, mich mit siebzehn aus dem Haus zu bugsieren, weil ich ihre Nerven und ihr Bankkonto über Gebühr strapaziert hatte. Natalie war die Einzige, die es wirklich geschafft hatte, mit mir zusammenzuleben. Sie hatte eine Engelsgeduld und außerdem das beste Stressmanagement, das ich je gesehen hatte. Aber selbst sie hatte die Waffen gestreckt, als ich neunzehn gewesen war. Immerhin hatte sie mir noch geholfen, hier zu renovieren.
Natürlich sprach ich das alles nicht laut aus. Stattdessen zuckte ich die Achseln und sagte leichthin: »Glaub mir, Kleines. Ich kann Menschen gut genug lesen, um zu wissen, wann es sich lohnt, es zu versuchen. Was ich brauchen würde, wäre eine Jahrhundertromanze, und die Chancen, so etwas zu bekommen, stehen nun mal nicht gut. Ich hätte einen süßen besten Kindheitsfreund gebraucht, der dann später meine große Liebe geworden wäre. Vielleicht sollte ich noch mal von vorne anfangen.«
»Ich auch«, klagte Skylar. Aber schon war sie wieder guter Laune und beim Thema. »Und? Wie ist er denn so, dieser Donovan? Du sagst, er ist super, aber was bedeutet das auf einer Skala von eins bis zehn?«
»Zwanzig.« СКАЧАТЬ