Название: Ein Schuss kommt selten allein
Автор: Johanna Hofer von Lobenstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Jons übernatürliche Fälle
isbn: 9783948457037
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Borrowman steckte den Kopf herein. »Bane, Mr Havili, gute Arbeit. Ich bin froh, dass es geklappt hat. Normalerweise gibt das Walkie-Talkie schon nach der Hälfte der Zeit den Geist auf, das macht mich immer wahnsinnig.«
»Das ist tatsächlich ein Problem.« Die vielen Verhöre, die man hatte unterbrechen müssen, weil ich dem Equipment zu nahe gekommen war, waren mir nur zu deutlich in Erinnerung. Wie ein Moderator bei einer Gameshow breitete ich die Arme aus: »Und jetzt haben wir eine Lösung gefunden!«
Borrowman applaudierte, und Donovan verbeugte sich erst vor ihm, dann vor mir. »Danke, danke.«
»Ich muss weiter, die Arbeit ruft«, sagte Borrowman. »Aber wir sollten mal Mittag essen gehen, damit ich den neuen Mann näher kennenlernen kann. Die Abrechnung mache ich fertig und schicke sie der Buchhaltung per E-Mail, Bane, keine Sorge.«
»Ah, sehr gut, danke Ihnen. Donovan und ich«, wandte ich mich lächelnd an meinen Partner, »machen uns dann auf den Weg.«
KAPITEL 3
Die Stadt Nashville hatte nicht nur eine Strafanstalt, und im Laufe der Zeit hatte ich sie alle schon von innen gesehen. Aber wenn wir in der Agentur vom »Gefängnis« sprachen, ging es meist um das »Riverbend Maximum Security«, denn dort hatten wir am häufigsten zu tun. Es lag westlich von North Nashville, umgeben von grünen Wiesen und bewaldeten Hügeln. Zumindest das Umland war sehr malerisch. Die Gebäude waren in den Achtzigerjahren entstanden, auf dem Gelände des hundert Jahre alten Vorläufers, des »Tennessee State Penitentiary«. Der ganze Komplex war sehr … beige. Die Fassaden, die Dächer, die Schilder – alles hatte die gleiche Farbe, ein Schandfleck inmitten der grünen, sanft geschwungenen Hügel, auf denen das Gefängnis erbaut war.
Ich persönlich hatte sehr viel übrig für Farben. Dem entsprechend trug ich heute ein hellrosa Oberhemd, eine weiße Weste und dunkelblaue Jeans. Meine Kleidung war nicht allzu stereotyp, denn damit wäre der Ärger vorprogrammiert gewesen. Gleichzeitig hatte ich es satt, dass Schwulsein immer mit gepflegtem Aussehen assoziiert wurde. Aber ich war auch nicht bereit, in alten Jeans und löcherigem Hemd herumzulaufen, nur um »männlicher« zu wirken.
Donovan, der auch Jeans und ein Oberhemd anhatte, sah dagegen ohne jede Mühe total maskulin aus. Zugegeben, die Muskeln hatten auch etwas damit zu tun. Schon allein, wenn er sich bewegte oder einen Fuß vor den anderen setzte, betonte das seine Muskeln, obwohl seine Klamotten nicht besonders figurnah geschnitten waren. Donovan trug seine Männlichkeit so selbstverständlich wie Eau de Cologne. Tja, und ich? Mit meiner Schwimmerfigur war ich weder besonders dünn noch besonders muskulös, sondern einfach nur ich. Donovans Level von Männlichkeit würde ich in diesem Leben nicht mehr erreichen.
Nicht, dass viele Männer das geschafft hätten.
In Anwesenheit eines so eindeutigen Alphamännchens spürte ich meine Libido erwachen. Ich hatte eine Schwäche für Männer wie ihn. Dieses Selbstbewusstsein, die Selbstverständlichkeit, mit der solche Männer überlebensgroß ihren Platz in der Welt beanspruchten, sprach mich einfach an. Und ja, zugegeben, Donovan hatte einen schönen Körper, und ich war ja nicht blind.
Die Fahrt zur Strafanstalt zog sich etwas. Unser Büro lag in der Innenstadt, und der Straßenverkehr in Nashville wurde oft mit »eine Schildkröte, die sich im Schneesturm durch gefrorenen Zuckersirup arbeitet« beschrieben. Wir hatten also reichlich Zeit, zu plaudern, was mir entgegenkam, weil ich Donovan noch einiges erklären wollte.
Als wir so im zäh fließenden Verkehr saßen, bemerkte er: »Du hast sogar im Gebäude immer eine Sonnenbrille auf. Ich nehme mal an, das hat einen Grund?«
Wie sollte ich das am besten beantworten? Mit einem Seitenblick fragte ich also: »Was weißt du eigentlich über Leute wie mich?«
»Nicht besonders viel, jedenfalls nicht mehr als der Durchschnitt«, gab er zu. »Ich weiß, dass es verschiedene Arten von Medien gibt. Dass manche von euch einen Anker brauchen. Dass manche mit Hilfsmitteln arbeiten, andere nicht. Das war’s aber auch schon.«
»Das sollte reichen, um zu verstehen, was ich gleich erkläre. Dass ich keine Hilfsmittel benutze, hast du schon gesehen. Ich bin definitiv jemand, für den es besser wäre, wenn er einen Anker hätte. Aber ich habe keinen. Meine Fähigkeit, mich abzuschirmen, ist unter aller Kanone. Ich schaffe nie mehr als das absolute Minimum. Also ist das hier«, ich tippte an meine Sonnenbrille, »so etwas wie meine Abschirmung. Lebendige Energie anzusehen ist extrem anstrengend – für mich ist es so, als würde jeder Mensch, dem ich begegne, leuchten wie ein Neonschild. Stell dir einfach vor, du wärst ständig von Tausenden Leuchtreklamen umgeben.«
Donovan verzog das Gesicht. »Wie oft bekommst du denn Migräne?«
Ich tat, als würde ich applaudieren. »Du hast eine schnelle Auffassungsgabe. Ungefähr einmal pro Woche. Aber die dunklen Brillen helfen wirklich. Ich habe mir angewöhnt, mittags eine Pause zu machen. Dann sitze ich einfach in einem dunklen Raum, mache die Augen fest zu und meditiere. Das nimmt die Spitzen raus.«
Donovan legte die Stirn in besorgte Falten. »Das klingt aber gar nicht gut. Was kann ich tun, um dir zu helfen?«
Ich musste lächeln und wünschte mir nichts sehnlicher, als ihn gut genug zu kennen, um ihn einmal aus Leibeskräften umarmen zu können. Ich mochte diesen Kerl und wollte mich gerne mit ihm anfreunden.
»Sei einfach nur du selbst.«
»Bane«, knurrte er frustriert.
»Havili«, gab ich scherzhaft zurück.
»Nun sag schon. Es muss doch irgendetwas geben.«
»Leider nicht so recht …«, wenn er nicht mein Anker werden wollte, jedenfalls, »aber wenn ich mich mal zu sehr vollgedröhnt habe, dann bring mich so schnell wie möglich in den dunklen Abschirmraum bei der Psy. Schieb mich einfach da rein, gib mir eine große Flasche Wasser mit, und lass mich ein paar Stunden in Ruhe. So komme ich am schnellsten wieder zu mir.«
Die Antwort besänftigte ihn anscheinend nur wenig. »Gut zu wissen.«
Vielleicht wurde ihm in der prallen Sonne langsam zu heiß – auf jeden Fall rollte er die Ärmel bis zum Ellbogen hoch. Ich legte es wirklich nicht darauf an, seine Arme anzustarren. Die Narben hatte ich schließlich auch durch die Kleidung mehr oder weniger deutlich gesehen, und sie gaben mir mehr Rätsel auf als Antworten. »Ähm. Warum hast du eigentlich deine Narben eingefärbt, wenn ich fragen darf?«
Er warf mir einen scharfen Blick zu. »Du schaust durch den Filzstift durch, nehme ich an.« Er hob die Hand, auf der die weißen Linien, breit und aufgeworfen, kreuz und quer über seine dunkle Haut liefen.
»Ja, ziemlich deutlich. Entschuldige, du musst nicht antworten, nur weil ich neugierig bin.«
Er winkte ab, als wäre es schon in Ordnung, dann antwortete er, teils amüsiert, teils resigniert: »Ich gebe ehrenamtlich einen Kurs im Gemeindezentrum. Boxen für Kinder. Ein paar von den Kids wussten, dass ich wegen dem Vorstellungsgespräch ein bisschen nervös war, hauptsächlich wegen der Narben. Sie wollten sie weniger gruselig machen. Also haben sie Filzstifte genommen und Flammen draufgemalt, wie auf ein aufgemotztes Auto. Tja, und leider waren das Permanentmarker.«
So viel Kinderlogik brachte mich zum Lachen. »Und du hast es vor dem Gespräch nicht mehr abgekriegt!«
»Ich hab’s СКАЧАТЬ