Ein Schuss kommt selten allein. Johanna Hofer von Lobenstein
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ein Schuss kommt selten allein - Johanna Hofer von Lobenstein страница 6

Название: Ein Schuss kommt selten allein

Автор: Johanna Hofer von Lobenstein

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Jons übernatürliche Fälle

isbn: 9783948457037

isbn:

СКАЧАТЬ ein Vergnügen, mir bei dieser Showeinlage zuzusehen.

      »Er nennt es ›Medium‹, weil es für mich kein wirklich passendes Wort gibt. Was ich eigentlich tue, ist, Ihre Energie zu lesen«, fügte ich gestikulierend hinzu. »Kennen Sie die indische Tradition der Chakren? Es ist so etwas in der Art, nur dass es richtige Energielinien gibt. Ich sehe viel, wenn ich diese Linien lese.«

      »Und Sie können mir glauben: Er hat wesentlich mehr gesehen als das, was er gerade aufgezählt hat«, fügte Jim mit einem vielsagenden Blick auf mich hinzu. »Aus irgendwelchen Gründen hält er es für nötig, diskret zu sein.«

      »Ich bin eben Kriminalmedium und keine Plaudertasche«, gab ich gespielt brav zurück.

      »Sie sind außerdem eine Nervensäge«, brummte Jim. »Mr Havili, ich will ganz offen sein. Jon ist einer unserer besten Leute, aber man hat wirklich alle Hände voll zu tun mit ihm. Aufgrund seiner Gabe kann er nichts Elektronisches anfassen. Kein Telefon, keinen Computer, die meisten Autos auch nicht. Sie gehen innerhalb von Sekunden kaputt. Er hat außerdem die schlechte Angewohnheit, alles um sich herum zu vergessen, wenn er auf eine Lesung konzentriert ist. Letztes Jahr ist er deswegen in eine Schießerei geraten.«

      »Es wurde auf mich geschossen. Er hat mich gar nicht richtig erwischt«, verbesserte ich gereizt.

      »Und was ist mit der Narbe an Ihrem Bauch?« Jim erinnerte mehr denn je an eine Bulldogge.

      »Ist doch nur ’ne Fleischwunde«, kommentierte ich mit meiner besten Monty-Python-Stimme.

      Havili verkniff sich ein Lachen.

      Offensichtlich um Geduld bemüht, rollte Jim nur mit den Augen. Er ignorierte mich und fuhr fort. »Was ich brauche, ist ein Partner für Jon, jemand, der ihm Rückendeckung gibt, wenn er arbeitet, und der sich um alles kümmern kann, wozu Jon nicht in der Lage ist. In Ihrem Lebenslauf steht, dass Sie eine Zeit lang bei den Special Forces waren, bevor Sie zur Militärpolizei gewechselt sind. Sie müssten sich also mit Tatorten und Ähnlichem auskennen, richtig?«

      »Ja, Sir«, antwortete Havili.

      Was war das für ein Akzent? Er war irgendwo im Westen aufgewachsen, ich konnte erkennen, dass er in der Wüste gelebt hatte. Nach den Südstaaten klang er aber nicht. Ich liebte Rätsel, die ich nicht auf Anhieb lösen konnte.

      »Sie können also tippen und Berichte schreiben? Jon schreibt ja immer alles mit der Hand, und Marcy hilft mit dem Abtippen, wenn sie Zeit hat, aber es wäre natürlich viel besser, wenn sein Partner das erledigen könnte. Sie sind sowieso immer mit am Tatort und können alles ergänzen, was er nicht mitbekommen hat.«

      »Ja, Sir. Ich kann ganz gut tippen. Der Papierkram macht mir nichts aus. Gehört eben zum Job.« Dann wandte er sich mir zu und betrachtete mich so durchdringend, dass ich kurz das Gefühl hatte, auch er könne meine Energielinien lesen. »Bevor Sie reingekommen sind, war ich ziemlich sicher, dass ich das Vorstellungsgespräch gerade in den Sand setze. Aber Sie haben sich offensichtlich für mich starkgemacht. Warum?«

      »Wie gesagt: Sie sind der beeindruckendste Mann, den ich je gesehen habe.« Ich tat mein Bestes, um meine Worte nicht so zu wählen, als wollte ich ihn anbaggern. Das war nicht ganz einfach, da ein Teil von mir am liebsten genau das getan hätte. Wieso musste er auch bi sein? Es wäre so viel einfacher, wenn sich das von selbst ausschließen würde. »Darf ich Du sagen?« Als er nickte, fuhr ich fort. »Danke. Also, Donovan. Es ist so: Ich bin kein einfacher Mensch, und das weiß ich auch. Mich auch nur kurze Zeit auszuhalten, ist für viele Leute schon zu viel. Manche sind schon nach ein paar Wochen am Ende. Ich könnte mir vorstellen, dass wir beide zusammenarbeiten können, weil du eine Geduld hast wie Hiob persönlich. Und dein Beschützerinstinkt ist so ausgeprägt, dass er anspringen wird, wenn dir der Geduldsfaden mal reißt. Hoffe ich wenigstens. Ich bin jedenfalls einigermaßen sicher, dass du nicht schon im ersten Monat Mordgelüste bekommst und mich irgendwo im Straßengraben zurücklässt.«

      »Das ist übrigens wirklich fast passiert«, warf Jim ein. »Mr Havili, ich kann es mir nicht leisten, auf diesen Mann zu verzichten. Er macht buchstäblich ein Drittel unseres Umsatzes aus. Das ist einer der Gründe, warum ich bei ihm so viele Ausnahmen mache – das und die Tatsache, dass ich weiß, dass er für das meiste gar nichts kann. Wir würden Sie auch nicht sofort als seinen Partner einstellen, sondern für den ausgeschriebenen Beraterjob. Trotzdem hätten wir gerne, dass Sie versuchen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Wenn Sie vierzig Stunden pro Woche miteinander zurechtkommen, bleiben wir dabei. Wenn nicht, nehmen Sie die Stelle, wegen der Sie eigentlich hier sind. Sie beziehen ein Gehalt von sechzigtausend Dollar im Jahr, es gibt Sozialleistungen und zwei Wochen Urlaub. Möchten Sie den Job annehmen?«

      Donovan sah mich unverwandt an, als er antwortete: »Ja, Sir, das will ich.«

      »Ausgezeichnet.« Jim atmete erleichtert auf. »Jon, Sie stellen ihn allen vor. Ich kümmere mich um den Vertrag.«

      »Na klar.« Ich sprang auf, wandte mich um und wartete, bis er mich eingeholt hatte. Meine Güte, er war wirklich groß. Ich maß schon fast eins fünfundachtzig, aber ich reichte dem Mann kaum bis zum Kinn. Das musste sein Tonga-Blut sein. Ich zupfte meine Weste glatt und bedeutete ihm, mir zu folgen. Dann fragte ich leise: »Nur so aus Interesse: Haben eigentlich immer alle erst mal Angst vor dir?«

      »Ja, schon«, seufzte er resigniert. »Die meisten sind total eingeschüchtert von mir.«

      »Ist ja beneidenswert. Bei mir ist das genau umgekehrt«, scherzte ich, in dem Versuch, die Stimmung etwas aufzulockern. Als hellhäutiger, schlanker, blonder Mann wirkte ich alles andere als Furcht einflößend. Jedenfalls bis ich den Mund aufmachte und anfing, unangenehme Wahrheiten von mir zu geben. Aber auf der Straße gingen die meisten Menschen an mir vorbei, ohne mich groß zu beachten. »Mach dir keine Sorgen wegen der Kollegen. Sie sind vielleicht erst mal unsicher, aber sie sind einiges gewohnt. Die haben sogar mich aufgenommen.«

      Er schien nicht überzeugt, aber er nickte gutmütig.

      Vor der überfüllten Kaffee-Ecke blieb ich stehen und lächelte die anderen an, während ich auf den Zehenspitzen wippte. »So, Leute. Ich möchte euch meinen neuen Partner vorstellen, Donovan Havili. Er sieht gefährlich aus, aber in Wirklichkeit ist er ein großer Teddybär.«

      »Das bin ich, der große braune Teddybär«, stimmte Havili mit einem Funken Humor zu.

      Die Teammitglieder starrten mich mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Verblüffung an, alle bis auf Carol, die selbstzufrieden wirkte und mit ausgestreckter Hand vortrat. »Schön, dich kennenzulernen, Donovan. Ich bin Carol Palmer, das andere Medium in diesem Laden. Oh, was für eine sympathische Aura – ich sehe schon, wir werden super klarkommen. Das hier ist Sharon, meine Schwester und mein Anker. Sie macht Buchhaltung und juristischen Kram. Die charmante, geduldige Frau zu meiner Linken ist Marcy, unsere Mitarbeiterin am Empfang, und der harte Kerl da drüben ist Tyson, unser Kriminalberater. Und unser IT-Spezialist Sho springt auch noch irgendwo herum, den müssen wir dir dann später vorstellen.«

      Wahrscheinlich spürte er, dass es nicht gut ankommen würde, den anderen die Hand zu schütteln, also versuchte Donovan es gar nicht erst, sondern nickte und lächelte in die Runde. »Hallo zusammen.«

      Die anderen drei nickten zögernd, dann starrten sie wieder mich an, als wäre ich ein Doppelgänger oder Klon. Das war ich gewohnt, also störte ich mich nicht weiter daran. »Komm, Donovan, wir setzen uns kurz in mein Büro. Ich erkläre dir, wie wir arbeiten. Und dann können wir gleich losziehen und uns um einen der Jobs kümmern, die heute Morgen anstehen.«

      »Na klar.« Er folgte mir auf leisen Sohlen wie ein СКАЧАТЬ