Dr. Sonntag Box 3 – Arztroman. Peik Volmer
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Dr. Sonntag Box 3 – Arztroman - Peik Volmer страница 8

Название: Dr. Sonntag Box 3 – Arztroman

Автор: Peik Volmer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Dr. Sonntag Box

isbn: 9783740970581

isbn:

СКАЧАТЬ hatte er wegen dieser Angelegenheit wahrlich genug. Als junger Assistenzarzt hatte er es geschafft, eine Stelle auf einer urologischen Abteilung zu bekommen. Er war unsicher. Mit diesem Fach hatte er sich nie wirklich beschäftigt. Sein Traum war es gewesen, Neurochirurg zu werden. Aber er hatte seine Eltern unbedingt entlasten, sein eigenes Geld verdienen wollen. Er hatte sich fast in jedem Krankenhaus für fast jede Stelle beworben. Der urologische Chefarzt gab ihm die Chance.

      Er war ungeschickt und tollpatschig. Er versuchte, nett zu den Schwestern zu sein. Diese hatten das nicht honoriert. Deswegen war er bestrebt, sich durch zunehmend arrogantes Auftreten zu schützen. Eine der Schwestern war trotz allem besonders nett zu ihm. Sie flirtete mit ihm. Nahm ihn in Schutz, wenn die anderen giftige Bemerkungen machten. Sie war sein Halt, sein Anker. Er verliebte sich in sie. Irgendwann führte er sie groß zum Essen aus, in ein Restaurant, das weit über seinen Verhältnissen lag. Die Rechnung, die er zu begleichen hatte, war fast so hoch wie die Miete für seine kleine Ein-Zimmer-Wohnung. Er begleitete sie nach Hause. Danke für den schönen Abend, hatte sie gesagt, nachdem er ihr aus dem Taxi geholfen und sie zur Eingangstür begleitet hatte.

      ›Lass uns heiraten!‹, hatte er, verliebt bis dicht an den Wahnsinn heran, hervorgestoßen.

      Sie allerdings wurde verlegen. Und gestand ihm, dass alles nicht echt gewesen war. Es hatte sich um eine Wette gehandelt. Sie hatte gewettet, dass sie ihn ›knacken‹ würde. Ihn, die harte, arrogante Nuss, um ihm das Herz zu brechen. Und es täte ihr leid, im Nachhinein. So schlimm sei er ja gar nicht. Im Gegenteil. Eigentlich sogar ganz süß.

      Er stand da, bewegungsunfähig. Wie angewurzelt. Schwarz wurde es ihm vor den Augen. Das Atmen fiel ihm schwer. Warum konnte der Boden sich nicht unter ihm auftun und ihn verschlingen? Jetzt bloß nicht umfallen. Nicht ohnmächtig werden, und nicht losheulen.

      Er hatte sich kurz verneigt und war fortgegangen. Sie hatte mehrmals seinen Namen gerufen. Aber er drehte sich nicht um.

      Er hatte versucht, sich zu betäuben. Alkohol und Neuroleptika. Antidepressiva. Tramadol. Irgendwann hatte er einem Karzinompatienten die Medikation gestohlen. Morphium, Antidepressiva.

      So war er an die Betäubungsmittel geraten, die ihm diese himmlische Gleichgültigkeit verliehen, dem unverschämten Grinsen der Schwestern gegenüber. Dem Getuschel. Dem Gelächter hinter Türen, das sofort erstarb, sobald er den Raum betrat. Diese Ampullen, diese Tabletten halfen ihm über den Tag. Damit überstand er seinen Dienst.

      *

      »Mensch, Cortinarius! Ich hatte ja keine Ahnung! Warum haben Sie sich mir nicht schon viel eher anvertraut? Das wirft ja noch mal ein völlig anderes Licht auf ihre Verfehlungen von damals!«

      »Ich habe nicht auf Ihr Mitleid spekulieren wollen, Herr Professor. Darauf hofft jeder Drogenabhängige und verleitet damit seine Umgebung zur Ko-Abhängigkeit. Sie haben ja auch so gemerkt, dass ich kein schlechter Mensch bin. Das hat mir mehr bedeutet, als jede Sympathie.«

      »Ich verstehe, was Sie meinen. Aber ich habe Sie unterbrochen. Bitte, erzählen Sie weiter!«

      *

      »Ja, ich habe dann geheiratet. Die erste Beste, die mich wollte. Wir bekamen ein Kind. Ein zauberhaftes kleines Mädchen. Ich habe mich so bemüht, ein guter Ehemann und Vater zu sein. Ich versuchte sogar, meinen Drogenkonsum aufzugeben. Das klappte nicht. Dann bemühte ich mich darum, den Verbrauch zu reduzieren, aber das ging nur mit Cannabis und Alkohol. Die Anforderungen der Klinik stiegen, während das Mobbing gegen mich unvermindert weiterging.

      Es gelang mir, eine Stelle an der Universitätsklinik zu bekommen. Dort wurde ich zwar nicht mehr gemobbt, kam aber kaum noch nach Hause, weil mein Chefarzt mich ins urologische Forschungslabor versetzte, eine Untersuchung über den Nachweis von antigen-beladenen Tumorzellen der Blasenschleimhaut. Und wenn ich nicht dort war, musste ich als Infektionsbeauftragter in der Mikrobiologie Bakterienkulturen ablesen. Zusätzlich zu meiner Arbeit auf Station und im OP, natürlich. Nach Hause kam ich nur noch zum Umziehen und Schlafen.

      Als mein Töchterchen vier war, ließ meine Frau sich scheiden. Sie hatte die Nase voll von mir. Ich habe es sogar verstanden. Allerdings setzte sie mit ihrer Anwältin durch, dass ich mein Kind nicht sehen durfte, ich war ja drogen- und alkoholabhängig, war also ein schlechter, verantwortungsloser Vater. Sie hat das Kind gegen mich aufgehetzt. Meine Geschenke und Briefe erhielt ich postwendend zurück!«

      »Haben Sie Unterhalt gezahlt?«

      »Selbstverständlich. Ich zahle immer noch. Und ich schreibe immer noch. Und jetzt hat mein Kind, die inzwischen fast acht Jahre alt ist, mir erstmals zurückgeschrieben!«

      Mit zitternden Händen zog Cortinarius einen Umschlag aus seiner Kitteltasche, einen pastellblauen Umschlag, auf dem mit einem Füllfe­derhalter jemand seinen Namen und seine Adresse geschrieben hatte, in ­altmodischer, kindlich anmutender Schreibschrift, nicht in Druckbuchstaben. Er zog aus dem Kuvert ein Blatt Papier, das der Farbe des Umschlags entsprach. Wortlos streckte er den Bogen seinem Chef entgegen.

      Egidius las, was das Kind seinem Vater geschrieben hatte. Hass und Verachtung mit jeder Silbe. Was mochte die Mutter dem Kind von seinem Vater erzählt haben? Wie viel Gift, wie viel Bosheit?

      Er gab dem Empfänger den Brief zurück.

      »Ich beginne, Ihr Leben zu verstehen, Herr Cortinarius«, sagte er. »Respekt, dass Sie sich trotz allem zu einem so glänzenden Operateur und hervorragenden Mediziner entwickelt haben! – Wissen Sie, ich finde das immer schlimm, wenn zwei Menschen, die gelobt haben, ihr Leben miteinander teilen zu wollen und sich zu lieben und zu ehren, sich entzweien und nur noch Hass füreinander empfinden. Aber das ist eben manchmal so.

      Völlig unerträglich finde ich es, wenn Erwachsene in diesen Streit Kinder mit hineinziehen. Sie werden ihr Leben lang der Vater Ihres Kindes bleiben, genau wie die Mutter für immer die Mutter sein wird. Ein Kind hat Anspruch auf beide Eltern. Mein Rat an Sie: Bleiben Sie der Vater Ihrer Tochter. Irgendwann wird sie Sie brauchen. Schauen Sie sich den Text an. Das hat kein achtjähriges Kind verfasst. Das ist ein Diktat.«

      »Ich habe alle Briefe, die ich an Felicitas geschrieben habe, aufbewahrt«, flüsterte Cortinarius heiser.

      »Das ist gut«, sagte Egidius. »Es wird Ihnen irgendwann als Beweis dafür dienen, dass Sie sie geliebt haben. Und sich bemüht haben, den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Sie wissen, dass Sie, da Sie jetzt drogenfrei sind, erneut Sorgerecht beantragen könnten?«

      »Sie haben es ja gelesen. Das Kind hat geschrieben, dass ich mich aus ihrem Leben fernhalten soll. Ich glaube nicht, dass das Sinn hätte! – Herr Sonntag, ich habe so Angst, dass ihre Erinnerung an mich verblasst. Wie die Farben einer alten Fotografie.«

      »Stellen Sie den Antrag, Cortinarius. Ich würde es tun. Und wenn es nur darum geht, einen Anspruch geltend zu machen.«

      *

      »Sag mal … Fühlst du dich vernachlässigt, Liebste?«, wollte Egidius abends von Corinna wissen.

      »Wie kommst du denn darauf?«

      Egidius erzählte, wie er darauf kam.

      »Nun ja. Manchmal schon. Erinnere dich an unseren Hochzeitstag. Oder meine Erkrankung. Das hat mich schon verletzt. Aber andererseits habe ich mir ja nun mal dich ausgesucht. Und ich bin auch stolz darauf, die Frau eines so wunderbaren Mannes zu sein.«

      »Danke für die Blumen! Bitte, Corinna. Tu mir den Gefallen und rede mit mir, wenn was nicht stimmt. СКАЧАТЬ