Название: Dr. Sonntag Box 3 – Arztroman
Автор: Peik Volmer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Dr. Sonntag Box
isbn: 9783740970581
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»Ich finde, Sie spielen das hoch, Herr Dr. Angerer. Und Ihrem Hannes ist doch nichts passiert, oder?«
»Noch nicht. Und ich gedenke nicht abzuwarten, bis mein Junge stationär behandelt werden muss.«
»Die Kinder sind verroht«, klagte eine Mutter. »Mein Sebastian ist da Gott sei Dank anders. Aber wenn sie erleben, was die Kinder im Fernsehen, im Kino oder im Internet zu sehen bekommen, gefriert einem förmlich das Blut in den Adern!«
»Quatsch! Dafür gibt es doch die Schule! Die Lehrer sollen verdammt noch mal den Bälgern beibringen, wie man sich benimmt!«, schimpfte ein weiterer Vater.
»Die Lehrer haben genug mit Vermittlung von Wissen und Lehrinhalten zu tun. Erziehung ist eine Sache des Elternhauses. Und die Kinder plappern nach, was die Eltern zu Hause sagen«, sagte Chris. »Ich darf Sie herzlich bitten, auf Ihre Kinder einzuwirken, dass sich das Klima wieder verbessert. Und dass Sie vor ihren Kindern mit Respekt von anderen Menschen und anderen Lebensentwürfen sprechen, auch wenn Sie sie nicht verstehen, teilen oder es sich nicht um ihre eigene Vorstellung von Glück handelt.«
»Wie wäre es denn, wenn wir zeitnah ein Klassenfest organisierten? So mit Grill und Musik und kleinen Einlagen?«, schlug Sebastians Mutter vor. »Mein Sebastian könnte ein paar Zauberkunststücke vorführen!«
Mit beifälligem Klopfen auf den Tisch bestätigte die Versammlung den Vorschlag. »Das ist eine tolle Idee!« Philipp war begeistert. »Dann lernen wir uns alle besser kennen. Und vielleicht entsteht so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl! – Wie sieht es aus? Wollen Sie das organisieren? Vielleicht mit ihrer Sitznachbarin zusammen?«
»Gern«, sagte die Sitznachbarin. »Aber Sie werden doch nicht erwarten, dass wir Fleisch auf den Grill legen, oder? Wir ernähren uns vegan!«
»Ach, das ist wunderbar! Dann brauchen wir zwei Grillstationen, und haben die Gelegenheit, Ihre Spezialitäten kennenzulernen! – So, Punkt zwei ist die geplante Klassenfahrt. Gibt es aus dem Kreis der Eltern hierzu Vorschläge?«
Schwach sein dürfen
»Ich wollte, du würdest es dir noch einmal überlegen, liebe Aglaja«, beruhigte Felix Antretter seine zukünftige Partnerin, die eine kleine Reisetasche für die Klinik gepackt hatte.
»Da gibt es nicht zu überlegen, Felix. Ich lasse den Eingriff machen. Ich habe es auch verdient, wieder jung und hübsch auszusehen! Du bist ein attraktiver Mann. Was, denkst du, werden die Leute sagen, wenn du mit mir daherkommst?«
»Was die Leute sagen, hat mich noch nie interessiert, Aglaja. Nebenbei finde ich es schade, dass du so wenig Vertrauen zu mir hast. Aber ich glaube, dass du dir da etwas vormachst. Egal. Ich halte dich nicht auf. Tu’, was du tun musst.«
»Ich bin alt, Felix. Damit alle Kerzen auf meiner Geburtstagstorte Platz haben, muss sie inzwischen so groß sein, dass man sie vom Weltall aus sehen kann!«
»Bis gerade eben warst du nicht alt, meine Liebe. Allerdings bin ich mir da jetzt nicht mehr so sicher.«
*
Wenig später legte sich die derzeitige und zukünftige Chefarztgattin auf einen Operationstisch in Bad Wiessee. Der Schönheitschirurg trat heran.
»Na, Frau Tauber? Haben Sie gute Laune mitgebracht?«
»Fragen Sie mich bitte später, Herr Doktor. Wenn das hier vorbei ist.«
*
»Es ist wirklich total lieb von euch, dass ihr mich abholt«, sagte Timon Süden dankbar zu Chris und Philipp, die ihm dies zugesagt hatten.
»Das hat nichts mit ›lieb‹ zu tun«, sagte Chris. »Wir sind an deiner Seite, bis die Sache mit deiner Frau geklärt ist. Und dann geht es entweder heim nach Kolbermoor, oder, wenn ich das richtig sehe, zu Emmerich Fahl, oder?«
Er zwinkerte neckisch.
»Ich möchte meine Familie zurück«, beharrte Timon. »Um jeden Preis. Ich will weder auf Philine noch meine Kinder und schon gar nicht auf Schmidt verzichten!«
»Komisch! Als wir dich neulich besuchten, hatten wir einen anderen Eindruck!«
»Ja, ich weiß. Emmerich ist unfassbar lieb. Er gibt mir viel. Nicht nur durch seine hervorragende Arbeit. Er gibt mir das, wonach ich mich sehne. Und was mir ein sogenannter ›normaler‹ Mann nie geben kann. Ist euch mal aufgefallen, wie man sich umarmt? Man dreht den Kopf zur Seite, berührt sich möglichst wenig, besonders vom Nabel an abwärts, und klopft sich verlegen gegenseitig auf den Rücken. Darauf kann ich aber so was von verzichten! Ich brauche gelegentlich Halt. Halt, den ein Mann mir gibt. Nähe. Wärme. Verständnis. Zärtlichkeit. Ich finde das auch bei Philine, aber sie kann mir nicht dies Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermitteln, versteht ihr? Bei ihr muss ich derjenige sein, der stark ist! Ich möchte aber auch mal schwach sein dürfen, mich fallen lassen. In seinen Armen fühle ich mich eben behütet. Beschützt.«
»Ich verstehe genau, was du meinst. Es ist wie in einer besonders engen, vertrauensvollen Freundschaft. Nur noch etwas enger, mit mehr Vertrauen!«
»Genau, Philipp. Ich weiß, dass ich immer den Ruf habe, der ›Sonnenschein‹ zu sein, lustig, gut aufgelegt. Unzerbrechlich. Ich bin auch selbst daran schuld. Aber meine Sorgen mache ich eben lieber mit mir allein aus. Und lasse niemanden daran teilhaben, wenn meine Welt auseinander bricht. Ich schaffe es ja auch beinahe immer, mich da selbst wieder herauszuholen. Aber diesmal war eben alles ein wenig viel. Neues Bundesland, neue Stelle, Berge anstelle von Wasser. Und dann kam noch der blöde Apoplex dazu.«
»Hast du deiner Frau das mal so gesagt, Timon?«, fragte Chris. »Vielleicht versteht sie das. Einen Versuch wäre es wert!«
»Nein, habe ich nicht. Ich bin immer davon ausgegangen, dass sie weiß, wie es in mir aussieht. Ich muss mit ihr reden!«
»Wann fängst du denn wieder an zu arbeiten? Klappt das mit der stufenweisen Wiedereingliederung?«
»Ja, alles genehmigt. Der Chef hat mich extra angerufen und gesagt, dass, auch wenn die Versicherung es nicht zulässt, Herr Somnitz und er dem Antrag zustimmen. Kinder, sollte ich je Chef von irgendwas werden, hoffe ich, dass ich so wie Professor Sonntag werde. Wenn der die Szene betritt, verschwinden Ängste, Druck und trübe Gedanken! Ach, mir würde fast reichen, so ein Vater zu sein!«
Er hielt inne.
»Könnt ihr mich bitte hier rauslassen? Ich glaube, Philine rastet aus, wenn ihr mich bis zur Haustür bringt. Und ich möchte alles vermeiden, was sie provozieren könnte. Da vorn ist ein Taxistand!«
*
Lukas hatte die Schule noch vor der Doppelstunde Sport verlassen. Dies allerdings mit der Billigung seines Vaters. Und des Klassenlehrers, den er unter Hinweis auf einen familiären Notfall in Kenntnis gesetzt hatte. Aber nachdem Egidius in der großen Pause angerufen und von der neuen, akut erblindeten Patientin berichtet hatte, hielt ihn nichts mehr zurück.
Er stürmte auf die Station. СКАЧАТЬ