Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Als der Wirt das Zimmer betrat, sah er Marvel in einer sehr sonderbaren Stellung zusammengekrümmt an der Tür, die in den Hof und in die Küche führte, herumarbeiten. Während der Wirt noch zögerte, flog die Tür auf und Marvel wurde in die Küche gezerrt. Man hörte einen Aufschrei und das Klirren von Schüsseln. Marvel, der sich mit aller Kraft gegen die unsichtbare Gewalt sträubte, wurde kopfüber in die Küche gestoßen und die Tür hinter ihm verriegelt.
Der Schutzmann, der versucht hatte, am Wirt vorbeizukommen, stürzte nach; einer der Kutscher folgte. Er umklammerte das Gelenk der unsichtbaren Hand, welche Marvel am Kragen festhielt, bekam einen Schlag ins Gesicht und fiel taumelnd zurück. Die Tür öffnete sich wieder, und Marvel machte verzweifelte Anstrengungen, dahinter Schutz zu finden. Dann packte der Kutscher etwas Festes …
»Ich habe ihn!«, rief er.
Die roten Hände des Schankwirts umklammerten etwas Unsichtbares.
»Da ist er!«, schrie er.
Mr. Marvel sah sich befreit, glitt rasch zu Boden und versuchte, hinter den Beinen der Kämpfenden wegzukriechen. Der Kampf zog sich um die Türkante herum. Zum ersten Male hörte man die Stimme des Unsichtbaren, der laut aufschrie, als ihm der Polizist auf den Fuß trat. Dann stieß er wilde Rufe aus und seine Fäuste flogen herum wie Dreschflegel. Der Kutscher stöhnte plötzlich auf und wand sich unter einem Stoß, der ihn in den Magen getroffen hatte. Die Tür, die aus der Küche ins Gastzimmer führte, wurde zugeschlagen und deckte Mr. Marvels Rückzug. Die Männer in der Küche sahen plötzlich, dass sie im Leeren herumgriffen und gegen leere Luft ankämpften.
»Wo ist er hingekommen?«, schrie der Mann mit dem Bart. »Hinaus?«
»Hierher«, antwortete der Polizist, in den Hof hinaustretend und dann stehenbleibend.
Ein halber Dachziegel wirbelte an seinem Kopf vorbei und zerschmetterte das Geschirr und die Töpfe auf dem Küchentisch.
»Ich werde es ihm schon zeigen!«, schrie der Mann mit dem schwarzen Bart, ein eiserner Lauf glänzte über der Schulter des Polizisten und fünf Schüsse wurden in rascher Aufeinanderfolge in der Richtung abgegeben, aus welcher der Ziegel geflogen war. Während er feuerte, hatte der Bärtige die Hand in horizontaler Linie bewegt, sodass die Schüsse in dem engen Hof wie die Speichen eines Rades nebeneinander lagen.
Tiefes Schweigen folgte. »Fünf Patronen«, sagte der Bärtige, »das ist immer das Beste. Fünf Schüsse, darunter ein Treffer. Eine Laterne her! Wir müssen nach seinem Körper tasten.«
17. Kapitel – Dr. Kemps Gast
Dr. Kemp hatte in seinem Studierzimmer weitergeschrieben, bis die Schüsse ihn aufscheuchten. Krack, krack, krack, kamen sie, einer nach dem anderen.
»Hallo!«, sagte Dr. Kemp, steckte den Federhalter wieder in den Mund und horchte. »Wer schießt denn in Burdock Revolver los? Was machen diese Esel schon wieder?«
Er ging zum Südfenster, stieß es auf und blickte, sich weit hinauslehnend, auf die schimmernden Linien erleuchteter Fenster und Kaufläden und die Gaslaternen, deren Reihen durch die dunklen Dächer und Höfe unterbrochen wurde: das Nachtbild der Stadt. »Es sieht aus wie ein Zusammenlauf bei den ›lustigen Cricketern‹ unten«, sagte er. Dann wanderte sein Auge weit über die Stadt, bis dorthin, wo die Schiffslaternen glänzten und der Landungsplatz in hellem Licht erstrahlte. Über dem westlich gelegenen Hügel stand der Mond in seinem ersten Viertel und die Sterne schienen klar und funkelten in fast südlichem Glanze.
Nach fünf Minuten, während welcher sein Geist in die Betrachtung der sozialen Verhältnisse der Zukunft versunken war und sich in der Unendlichkeit der Zeit verloren hatte, ermannte sich Dr. Kemp mit einem Seufzer, schloss das Fenster und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück.
Es muss ungefähr eine Stunde später gewesen sein, als die Hausglocke ertönte. Seit er die Schüsse vernommen hatte, hatte er ganz zerstreut gearbeitet und war nicht recht bei der Sache. Er lauschte, hörte das Mädchen die Haustür öffnen und wartete darauf, ihre Schritte auf der Treppe zu hören; aber sie kam nicht. »Was das gewesen sein mag?«, sagte Dr. Kemp.
Er versuchte, seine Arbeit wieder aufzunehmen, doch gelang ihm dies nicht; er erhob sich, ging auf den Flur hinunter, läutete und rief dem Hausmädchen, das in der Vorhalle unten erschien, über das Treppengeländer zu: »War das ein Brief?«
»Nur ein blindes Läuten, Herr!«, erwiderte sie.
»Ich komme heute Abend nicht zur Ruhe«, sagte er zu sich selbst. Dann kehrte er in sein Studierzimmer zurück und machte sich entschlossen an seine Arbeit.
Kurze Zeit darauf war er wieder in sein Werk vertieft und das einzige Geräusch, das man im Zimmer vernahm, war das Ticken der Uhr und das leise Kratzen der Feder, die er gerade im Mittelpunkt des Lichtkreises, den die Lampe auf den Schreibtisch warf, über das Papier eilen ließ.
Es wurde zwei Uhr, bevor Dr. Kemp seine Arbeit beendet hatte. Dann erhob er sich gähnend und ging in das obere Stockwerk, um sich zu Bette zu begeben. Er hatte Rock und Weste bereits abgelegt, als er Durst verspürte, So nahm er ein Licht und ging in die Speisekammer hinunter, um Sodawasser und Whisky zu holen.
Infolge seiner wissenschaftlichen Untersuchungen war Dr. Kemp gewöhnt, alles aufmerksam zu betrachten. Als er durch die Vorhalle zurückging, bemerkte er in der Nähe der Fußmatte einen dunklen Fleck auf dem Linoleumteppich. Er ging weiter, empfand aber plötzlich das Verlangen, den Fleck auf dem Linoleum zu untersuchen. Augenscheinlich trieb ihn etwas Unbewusstes. Wie dem auch sei, er kehrte um und ging nochmals in die Halle. Hier stellte er Sodawasser und Whisky nieder, beugte sich zur Erde und berührte den Fleck. Ohne besonders betroffen zu sein, fand er, dass derselbe, nach Farbe und Klebrigkeit zu schließen, von geronnenem Blut herrührte.
Er nahm die Flaschen wieder an sich und stieg die Treppe hinauf; dabei blickte er umher und suchte die Ursache des Blutfleckes zu erforschen. Im Treppenhaus sah er etwas und blieb erstaunt stehen. Die Klinke der Schlafzimmertür war mit Blut СКАЧАТЬ