Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
isbn:
»Kümmre dich um deine Sachen, Mann«, erwiderte diese, »und mische dich nicht in meine Angelegenheiten.«
Sie war umso eher geneigt, Hall kurz abzufertigen, als der Fremde ohne Zweifel etwas Ungewöhnliches an sich hatte und sie selbst über ihn durchaus nicht beruhigt war. Mitten in der Nacht schreckte sie ein Traum von ungeheuren, weißen Köpfen, die wie Rüben aussahen, auf unendlich langen Hälsen saßen und sie mit riesigen schwarzen Augen verfolgten, aus dem Schlafe. Aber als vernünftige Frau überwand sie ihren Schrecken, drehte sich auf die andere Seite und schlief gleich wieder ein.
3. Kapitel – Tausendundeine Flasche
So geschah es, dass am 29. Februar, bei beginnendem Tauwetter, dieser merkwürdige Mensch wie aus den Wolken nach Iping herabfiel. Am nächsten Tage traf sein Gepäck ein – und auch dieses war eigentümlich genug. Es waren allerdings zwei Koffer da, wie jeder vernünftige Mensch sie haben konnte, aber außerdem noch eine Bücherkiste – große, dicke Bücher, manche in unverständlicher Schrift – und über ein Dutzend Körbe, Kisten und Kasten, welche in Stroh verpackte Gegenstände enthielten, welch letztere Hall, der in gerechtfertigter Neugierde das Stroh untersuchte, für Glasflaschen hielt. Der Fremde, mit Hut, Stock, Handschuhen und Halstuch versehen, erschien voller Ungeduld, als Fearensides, des Fuhrmanns, Karren vor dem Hause hielt, während Hall mit Fearenside ein kurzes Gespräch anknüpfte, bevor er beim Abladen der Kisten behilflich war. Ohne des Fuhrmanns Hund, der freundlich Halls Beine beschnüffelte, zu beachten, trat der Fremde vor die Tür.
»Beeilt euch mit den Kisten!«, rief er. »Ich habe lange genug warten müssen!« Und er kam die Stufen herab auf den Karren zu, als ob er selbst mit Hand anlegen wollte.
Kaum hatte ihn Fearensides Hund jedoch erblickt, als er unruhig wurde und zu knurren begann; als der Fremde unten angelangt war, tat der Hund einen Satz und sprang dann gerade auf seine Hand los. »Wupp!«, schrie Hall zurückweichend, denn er war Hunden gegenüber gerade kein Held, und Fearenside brüllte: »Nieder!«, und langte rasch nach seiner Peitsche.
Sie sahen, wie die Zähne des Hundes die Hand fahren ließen, hörten einen Schlag, sahen den Hund zur Seite springen, sich in das Bein des Fremden verbeißen und hörten deutlich den Riss, der durch dessen Beinkleider ging. Dann fiel Fearensides Peitsche auf den Hund nieder, der sich unter wütendem Bellen unter die Räder des Karrens verkroch. All dies geschah in dem kurzen Zeitraum einer halben Minute. Niemand sprach, alle schrien. Der Fremde warf einen schnellen Blick auf seine zerrissenen Handschuhe und auf sein Bein, schien sich zu dem letzteren niederbeugen zu wollen, wendete sich dann aber um und eilte über die Stufen in den Gasthof zurück. Man hörte ihn den Gang durcheilen und die Holztreppen zu seinem Schlafzimmer emporsteigen.
»Du Vieh, du!«, schrie Fearenside, mit der Peitsche in der Hand vom Wagen steigend, während der Hund durch die Räder hindurch jede seiner Bewegungen beobachtete.
»Komm her! Wirst du wohl!«, fügte er hinzu.
Hall war atemlos dagestanden. »Er ist gebissen worden«, sagte er endlich, »ich will nach ihm sehen.« Und er folgte dem Fremden. Im Hausflur traf er seine Frau. »Des Fuhrmanns Hund hat ihn gebissen«, teilte er ihr beim Vorübergehen mit.
Er ging, ohne zu zaudern, die Stiegen hinauf, öffnete die angelehnte Tür zu des Fremden Schlafzimmer und trat ohne Umstände, nur von seinem Mitgefühl geleitet, ein.
Die Vorhänge waren zugezogen und das Zimmer dunkel. Sekundenlang hatte er eine merkwürdige Erscheinung: er glaubte zu sehen, dass ihm ein Arm ohne Hand zuwinke und erblickte ein Gesicht mit drei riesigen Flecken von unbestimmter Farbe auf weißem Grunde, einem hellfarbigen Stiefmütterchen nicht unähnlich. Dann erhielt er einen heftigen Schlag vor die Brust und wurde zurückgestoßen, worauf die Tür hinter ihm zugeschlagen und verriegelt wurde. All das geschah so schnell, dass es ihm an Zeit fehlte, weitere Beobachtungen anzustellen: ein Ineinanderfließen von rätselhaften Schatten, ein Schlag und ein Zusammenstoß. Da stand er auf dem dunklen kleinen Flur und dachte nach, was er da wohl gesehen haben könnte.
Schon nach wenigen Minuten schloss er sich wieder der kleinen Gruppe an, die sich vor dem »Fuhrmann« angesammelt hatte. Dort stand Fearenside, der die ganze Geschichte schon zum zweiten Male erzählte; Mrs. Hall, die fortwährend erklärte, sein Hund habe kein Recht ihre Gäste zu beißen; Huxter, der Krämer von jenseits der Straße, welcher unverdrossen Fragen stellte, und Sandy Wadgers, der Schmied, der für alles Antworten bereit hatte. Außerdem Frauen und Kinder, die alle gleichzeitig sprachen: »Mir sollte er nur kommen!« – »Solche Hunde sollte man nicht halten dürfen!« – »Warum hat er ihn denn eigentlich gebissen?«, und so fort.
Mr. Hall, der auf den Stufen stand und zuhörte, hielt es bereits für unmöglich, dass er die merkwürdigen Dinge im oberen Stockwerke wirklich erlebt habe. Übrigens war auch sein Wortschatz zu klein, um seinen Empfindungen Ausdruck zu verleihen.
»Er braucht keine Hilfe«, erwiderte er auf die Frage seiner Frau. »Wir schaffen am besten gleich das Gepäck hinein.«
»Man sollte die Wunde gleich ausbrennen«, sagte Mr. Huxter, »besonders wenn sie entzündet ist.«
»Ich würde den Hund einfach niederschießen, er verdient es«, meinte eine Frau in der Gruppe.
Plötzlich begann der Hund von neuem zu knurren.
»Nun! wird’s?«, rief eine ärgerliche Stimme im Hausflur und dort stand der vermummte Fremde, wie immer den Rockkragen in die Höhe geschlagen und den Rand seines Hutes nach abwärts gebogen. »Je früher Sie meine Sachen hineintragen, desto lieber ist es mir.« Von einem unbekannten Zuschauer wurde bei dieser Gelegenheit konstatiert, dass der Fremde Beinkleider und Handschuhe gewechselt hatte.
»Sind Sie gebissen worden, Herr?«, fragte Fearenside. »Es tut mir wirklich leid, dass der Hund – –«
»Durchaus nicht«, versetzte der Fremde. »Beeilen Sie sich mit dem Abladen.«
Dann fluchte СКАЧАТЬ