Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Cuss ging geradeswegs durch das Dorf zu Bunting, dem Pfarrer.
»Bin ich verrückt?«, begann Cuss ohne jede Einleitung, als er in das einfache, kleine Studierzimmer trat. »Sehe ich aus wie ein Irrsinniger?«
»Was ist Ihnen denn geschehen?«, fragte der Pfarrer, auf die losen Blätter seiner dieswöchigen Predigt ein Zeichen legend.
»Der Mensch im Wirtshause –«
»Ja?«
»Geben Sie mir etwas zu trinken«, bat Cuss und setzte sich nieder.
Als er seine Nerven durch ein Glas billigen Sherrys – das einzige Getränk, welches der gute Pfarrer besaß – gestärkt hatte, begann er ihm von der eben stattgefundenen Unterredung zu erzählen.
»Ich ging hinein«, keuchte er, »und bat um einen Beitrag für den Pflegerinnenfonds. Er hatte die Hände in den Taschen, als ich eintrat, und ließ sich breit auf seinen Sessel nieder. Dann nieste er. Ich erzählte ihm, ich hätte gehört, er interessiere sich für wissenschaftliche Fragen. Er bejahte es, nieste wieder und kam aus dem Niesen nicht heraus. Hatte sich augenscheinlich vor kurzem einen höllischen Schnupfen geholt. Kein Wunder bei der dichten Vermummung. Ich entwickelte ihm die Idee bezüglich der Pflegerinnen und hielt die ganze Zeit die Augen offen. Flaschen – Chemikalien überall, Wage, Probiergläser auf Regalen und ein penetranter Geruch im Zimmer. Würde er einen Beitrag geben? Sagte, er würde sich’s überlegen. Fragte ihn geradezu, ob er experimentiere. Er bejahte. Eine langwierige Untersuchung? Er wurde ganz grob: ›Eine verdammt langwierige Untersuchung‹, sagte er, und nun kam die ganze Sache heraus. Der Mann war gerade am Siedepunkt und meine Frage ließ ihn überschäumen. Man hatte ihm ein Rezept gegeben – ein sehr wertvolles Rezept – wofür, wollte er nicht sagen. Ein ärztliches? ›Zum Teufel! Was wollen Sie denn aus mir herausbringen?‹ Ich bat um Entschuldigung. Wiederholtes Niesen und Husten. Er fuhr fort: Er hatte eben das Rezept lesen wollen. Es bestand aus fünf Ingredienzien. Er hatte es hingelegt und den Kopf weggewendet. Ein Windstoß vom Fenster ließ das Papier aufflattern. Er hörte es rascheln. Er arbeitete damals in einem Zimmer mit offenem Feuer, sagte er. Er sah ein Aufflackern, das Rezept brannte und hob sich im Kamin in die Höhe. Er stürzte sich darauf, gerade als es in den Kamin flog. So! In diesem Augenblick, wie um seine Erzählung lebendiger zu gestalten, hob er den Arm in die Höhe.«
»Nun?«
»Ohne Hand. Nichts als ein leerer Ärmel. Gott! dachte ich, welche Verunstaltung! Wahrscheinlich hat er einen künstlichen Arm, den er abgenommen hat. Dann dachte ich: Da steckt doch etwas dahinter. Was zum Teufel hält diesen Ärmel offen und in die Höhe, wenn nichts darin ist? Es war nichts drin, sage ich Ihnen, bis ganz tief hinein, bis zum Schultergelenk nichts. Ich konnte bis zum Ellbogen hineinsehen und ein Lichtschimmer drang durch einen Riss im Stoff. ›Großer Gott!‹ rief ich aus. Da hielt er ein und starrte mit seinen großen Schutzgläsern erst mich, dann seinen Ärmel an.«
»Nun?«
»Weiter nichts. Er sagte kein Wort, blickte nur wild um sich und steckte den Ärmel schnell wieder in die Tasche. ›Ich habe gesagt‹, fuhr er fort, ›dass das Rezept brannte, nicht wahr?‹ Fragendes Husten. ›Wie zum Teufel können Sie einen leeren Ärmel so bewegen?‹ sagte ich. ›Leeren Ärmel?‹ ›Ja‹, erwiderte ich, ›einen leeren Ärmel.‹
›Es ist also ein leerer Ärmel. Sie sahen den leeren Ärmel?‹ Er erhob sich schnell und auch ich stand auf. Mit drei sehr langsamen Schritten kam er auf mich zu, bis er unmittelbar neben mir stand. Nieste gewaltig. Ich wankte nicht, obgleich ich mich hängen lassen will, wenn dieser verbundene Kopf und die Glotzaugen nicht jeden gruseln machen, auf den sie so langsam zukommen.
›Ein leerer Ärmel, sagten Sie‹, wiederholte er. ›Gewiss‹, entgegnete ich. Es ist wirklich schwer, seinen Mann zu stellen, wenn man stillschweigend angestarrt wird von einem Menschen mit verhülltem Gesicht und funkelnden Augengläsern. Er zog den Ärmel sehr langsam aus der Tasche heraus und erhob ihn dann gegen mich, als ob er ihn mir nochmals zeigen wollte. Das tat er sehr, sehr langsam. Ich blickte ihn an – eine Ewigkeit schien es mir. ›Nun?‹ sagte ich mit unsicherer Stimme; ›der Ärmel ist leer?‹
Ich musste etwas sagen, denn ich begann mich zu fürchten. Ich konnte tief hineinsehen. Er streckte ihn gerade gegen mich aus, langsam, ganz langsam – ungefähr so – bis der Ärmelaufschlag nur noch sechs Zoll von meinem Gesicht entfernt war. Unheimliches Gefühl, einen leeren Ärmel so auf sich zukommen zu sehen! Und dann – –«
»Nun, dann?«
»Etwas – es fühlte sich genau so an, wie ein Finger und ein Daumen – packte meine Nase.«
Bunting lachte hell auf.
»Und es war doch nichts da«, fuhr Cuss fort, und seine Stimme klang immer schriller. »Sie haben gut lachen, aber ich sage Ihnen, ich war so erschrocken, dass ich ihm einen Schlag auf den Ärmel gab, mich umdrehte und aus dem Zimmer lief – – Ich verließ ihn – –«
Cuss brach ab. Dass seine Aufregung echt war, war nicht zu bezweifeln. Hilflos drehte er sich nach allen Seiten und nahm ein zweites Glas von dem sehr mittelmäßigen Sherry des guten Geistlichen. »Ich sage Ihnen«, fuhr er fort, »als ich auf seinen Ärmel schlug, hatte ich das Gefühl, einen Arm getroffen zu haben.
Und doch war kein Arm da! Nicht der Schatten eines Armes!«
Mr. Bunting dachte nach. Argwöhnisch blickte er Cuss an. »Es ist eine sehr sonderbare Geschichte«, bemerkte er und sah sehr weise und ernsthaft dabei aus. »Wirklich«, wiederholte er dann mit großem Nachdruck, »eine höchst sonderbare Geschichte.«
5. Kapitel – Der Einbruch im Pfarrhaus
Kurze Zeit nach der Unterredung des Pfarrers mit Mr. Cuss wurde im Pfarrhaus ein geheimnisvoller Einbruch verübt.
Die näheren Umstände des Einbruchs im Pfarrhaus sind uns hauptsächlich durch die Aussagen des Pfarrers und seiner Gattin bekannt. Es geschah nach Mitternacht, am Pfingstmontag, dem Tage, der in Iping den Vereinsfestlichkeiten gewidmet СКАЧАТЬ