H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells
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Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke

Автор: Herbert George Wells

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813628

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СКАЧАТЬ kei­nen Un­ter­schied zwi­schen Sonn- und Wo­chen­ta­gen. Auch nicht in sei­ner Klei­dung. Mrs. Hall fand, er ar­bei­te sehr un­re­gel­mä­ßig. Zu­wei­len kam er früh her­un­ter und ar­bei­te­te eif­rig. Dann kam es wie­der vor, dass er spät auf­stand, stun­den­lang auf­ge­regt im Zim­mer auf und ab ging, rauch­te oder im Lehn­stuhl am Feu­er schlief. Er hat­te kei­ner­lei Ver­bin­dung mit der Welt au­ßer­halb des Dor­fes. Sei­ne Ge­müts­s­tim­mung war sehr ver­än­der­lich; meist aber be­nahm er sich wie ein Mensch, der fast Uner­träg­li­ches zu er­dul­den hat, und hie und da hat­te er plötz­li­che An­fäl­le von Wild­heit, in wel­chen er et­was zer­riss, zer­brach oder zer­trat. Von Tag zu Tag ver­stärk­te sich sei­ne Ge­wohn­heit, lei­se mit sich selbst zu spre­chen; aber ob­gleich Mrs. Hall sich Mühe gab, et­was zu er­hor­chen, konn­te sie in sei­ne ab­ge­ris­se­nen Wor­te kei­nen Sinn brin­gen.

      Tags­über ging er sel­ten aus, aber im Halb­dun­kel pfleg­te er bei je­dem Wet­ter, bis zur Un­sicht­bar­keit ver­mummt, spa­zie­ren­zu­ge­hen, und selbst dann wähl­te er die ein­sams­ten und dun­kels­ten Wege. Die rie­si­ge Schutz­bril­le, das geis­ter­haft ver­hüll­te Ge­sicht un­ter dem breit­ran­di­gen Hut, trat er oft spät heim­keh­ren­den Ar­bei­tern un­heim­lich plötz­lich ent­ge­gen. Und Ted­dy Hen­frey, der ei­nes Abends um halb zehn Uhr aus dem Gast­hau­se »Zum ro­ten Frack« her­aus­tau­mel­te, wur­de durch des Frem­den un­ge­heu­er­li­chen Kopf, den ein Licht­strahl aus der ge­öff­ne­ten Wirts­stu­ben­tür plötz­lich be­leuch­te­te, töd­lich er­schreckt. Kin­der, die ihn bei An­bruch der Nacht sa­hen, träum­ten von Ge­s­pens­tern, und es war eine of­fe­ne Fra­ge, ob er die Kin­der mehr hass­te oder sie ihn. Auf je­den Fall aber be­stand eine leb­haf­te Ab­nei­gung auf bei­den Sei­ten.

      Es war un­ver­meid­lich, dass ein Mensch von so un­ge­wöhn­li­chem Äu­ßern und sol­chem Be­neh­men in ei­nem Dor­fe wie Iping den häu­fi­gen Ge­sprächss­toff bil­de­te. Über sei­ne Be­schäf­ti­gung wa­ren die Mei­nun­gen sehr ge­teilt. Mrs. Hall war in die­sem Punk­te sehr emp­find­lich. Wur­de sie ge­fragt, so er­klär­te sie wohl­ge­fäl­lig, dass er ein »Ex­pe­ri­men­tal­for­scher« sei, und sprach jede Sil­be so sorg­fäl­tig aus, als ob sie fürch­te­te, dar­über zu stol­pern. Frag­te man sie, was ein Ex­pe­ri­men­tal­for­scher ei­gent­lich sei, pfleg­te sie mit ei­ner ge­wis­sen Über­le­gen­heit zu er­wi­dern, dass ge­bil­de­te Leu­te sol­che Sa­chen ge­wöhn­lich wüss­ten, und füg­te als Er­klä­rung bei, dass er »Ent­de­ckun­gen ma­che«. Ihr Gast habe einen Un­fall er­lit­ten, sag­te sie, durch wel­chen sein Ge­sicht und sei­ne Hän­de ent­stellt wor­den wä­ren, und da er zur Emp­find­lich­keit nei­ge, wei­che er na­tür­lich al­len Men­schen aus. Eine weit ver­brei­te­te An­sicht, von der aber Mrs. Hall nichts zu hö­ren be­kam, ging da­hin, der Frem­de sei ein Ver­bre­cher, der sich vor den Au­gen der Po­li­zei ver­ber­ge, um sich der Ge­rech­tig­keit zu ent­zie­hen. Die­ser Ge­dan­ke war dem Ge­hir­ne Mr. Ted­dy Hen­freys ent­sprun­gen und hat­te lei­der die Tat­sa­che ge­gen sich, dass seit Mit­te oder Ende Fe­bru­ar kein Ver­bre­chen von ir­gend­wel­cher Be­deu­tung be­gan­gen wor­den war. In der Fan­ta­sie Mr. Goulds, des Pro­be­leh­rers an der Volks­schu­le, nahm der Ver­dacht eine an­de­re Form an: er hielt den Frem­den für einen ver­klei­de­ten An­ar­chis­ten, der Spreng­stof­fe vor­be­rei­te, und er be­schloss, dem ganz in der Wei­se ei­nes De­tek­tivs nach­zu­spü­ren, so gut es sei­ne Zeit er­laub­te. Sei­ne dies­be­züg­li­che Tä­tig­keit be­stand haupt­säch­lich dar­in, den Frem­den, wo im­mer er ihn traf, scharf an­zu­se­hen oder Leu­te, wel­che den Frem­den nie ge­se­hen hat­ten, zu Mit­tei­lun­gen über den­sel­ben zu ver­an­las­sen. Aber er ent­deck­te nichts.

      Die An­hän­ger wie­der ei­ner an­de­ren Schu­le, de­ren Haupt Fea­ren­si­de war, hul­dig­ten ent­we­der der Scheck­en­theo­rie oder ei­ner Abart der­sel­ben. So zum Bei­spiel mein­te Si­las Dur­gan, der Frem­de könn­te sein Glück ma­chen, wenn er sich ent­sch­lös­se, »sich auf Jahr­märk­ten« zu zei­gen, und als Bi­bel­ken­ner ver­glich er den Frem­den mit dem Mann mit dem einen Pfund. Wie­der an­de­re stell­ten ihn als einen harm­lo­sen Irr­sin­ni­gen hin, eine An­nah­me, die den un­leug­ba­ren Vor­zug hat­te, alle Son­der­bar­kei­ten des Frem­den er­klä­ren zu kön­nen. Zwi­schen die­sen Haupt­grup­pen stan­den Leu­te, die sich noch kei­ne fes­te Mei­nung ge­bil­det hat­ten und sol­che, die je­dem recht ga­ben. Das Volk in Sus­sex ist nicht aber­gläu­bisch, und erst nach den Er­eig­nis­sen der ers­ten April­ta­ge tauch­te im Dor­fe der Ge­dan­ke an et­was Über­na­tür­li­ches auf; selbst dann aber glaub­ten nur Frau­en dar­an.

      Aber wo­für sie ihn auch hal­ten moch­ten, in der Ab­nei­gung ge­gen den Frem­den wa­ren die Be­woh­ner von Iping so ziem­lich ei­nig. Sei­ne Reiz­bar­keit, die für einen Städ­ter, der sich geis­tig be­schäf­tigt, nichts Merk­wür­di­ges ge­habt hät­te, war für die ru­hi­gen Land­leu­te eine er­staun­li­che Sa­che. Die wil­den Ge­bär­den, bei de­nen sie ihn hie und da über­rasch­ten, die Hast, mit der er nach Ein­bruch der Dun­kel­heit auf ab­ge­le­ge­nen We­gen mehr lief als ging, die un­na­tür­li­che Zu­rück­wei­sung al­ler ih­rer neu­gie­ri­gen An­nä­he­rungs­ver­su­che, sei­ne Vor­lie­be für das Däm­mer­licht, die ihn die Tü­ren schlie­ßen, die Vor­hän­ge her­un­ter­las­sen, Lich­ter und Lam­pen aus­lö­schen ließ – wer konn­te sich mit sol­chen Din­gen be­freun­den? Man wich ihm aus, wenn er durchs Dorf ging, und so­bald er vor­bei war, pfleg­ten hu­mo­ris­tisch ver­an­lag­te Jüng­lin­ge mit auf­ge­schla­ge­nem Rock­kra­gen und ab­wärts ge­bo­ge­ner Hut­krem­pe den ner­vö­sen Schritt und das ge­heim­nis­vol­le Ge­ba­ren des Gas­tes nach­zuah­men. Es war ge­ra­de da­mals das »Lied von der Vo­gel­scheu­che« sehr po­pu­lär. Miss Sat­chell hat­te es im Schul­ver­eins­kon­zert – zu­guns­ten der An­schaf­fung neu­er Kir­chen­leuch­ter – ge­sun­gen. Und so oft nach­her meh­re­re Ipin­ger bei­sam­men stan­den und der Frem­de zu­fäl­lig vor­über­ging, pfiff ei­ner oder der an­de­re, bald laut, bald lei­se, ei­ni­ge Tak­te des Lie­des vor sich hin. Selbst klei­ne Kin­der, die zu­fäl­lig des Abends noch auf der Stra­ße wa­ren, rie­fen ihm »Vo­gel­scheu­che!«, nach und lie­fen dann, stolz über ih­ren Mut, da­von.

      Cuss, der Wund­arzt, wur­de von Neu­gier­de ver­zehrt; die Ver­bän­de er­reg­ten sein wis­sen­schaft­li­ches In­ter­es­se, das Gerücht von der un­ge­heu­ren Men­ge von Fla­schen sei­ne Ei­fer­sucht. Den gan­zen April und Mai such­te er krampf­haft nach ei­ner Ge­le­gen­heit, mit dem Frem­den in Berüh­rung zu kom­men. End­lich, ge­gen Pfings­ten, hielt er es nicht län­ger aus und nahm die Sam­mel­lis­te für einen Pfle­ge­rin­nen­fonds zum Vor­wand, um den ge­heim­nis­vol­len Gast im »Fuhr­mann« auf­zu­su­chen. Er war er­staunt zu hö­ren, dass Mr. Hall den Na­men sei­nes Mie­ters nicht kann­te.

      »Er nann­te sei­nen Na­men«, er­klär­te Mrs. Hall – eine gänz­lich un­ge­recht­fer­tig­te Be­haup­tung – »aber ich ver­stand ihn nicht recht.« Sie dach­te, es sähe so dumm aus, den Na­men des Man­nes nicht zu wis­sen.

      Cuss poch­te an die Tür und trat ein. Eine ziem­lich deut­li­che Ver­wün­schung drang aus dem Zim­mer her­aus.

      »Ent­schul­di­gen Sie mein Ein­drin­gen«, be­gann Cuss, dann schloss er die Tür und Mrs. Hall muss­te wohl oder übel auf den Rest des Ge­sprä­ches ver­zich­ten.

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