»Nein, einer aus dem Asteroidengürtel von Kr’wçze.«
Ich fand es seltsam, dass Ares den Begriff Erdenmensch benutzte. Ein antiquarischer Begriff. Man sagte dazu eigentlich ZentralMensch.
»Mensch ist Mensch«, brummte Ares und zuckte wenig beeindruckt mit den Schultern.
»Na ja, er ist schon ein bisschen stärker«, fühlte ich mich gezwungen zu erwähnen, weil ich nicht wollte, dass er Boz zu sehr unterschätzte. Unter einem gewöhnlichen Menschen stellte ich mir etwas anderes vor als einen brutalen, blutrünstigen Schlächter, der anderen wehtat, nur um sich selbst zu beweisen, wie überlegen er doch war.
Ares schnaubte und grinste dabei sogar selbstsicher, während ich den Schlauch schloss, den Beutel wechselte und mir dann seinen Arm zeigen ließ. Der Einstich in seiner Haut war leicht gerötet, aber sonst schien alles im normalen Bereich zu sein.
»Gut, dann machen wir es so«, verkündete Khaos und nickte Ares zu, dessen Grinsen sich verbreiterte.
Moment, waren da gerade Pläne geschmiedet worden, von denen ich nichts wusste? Mein Blick schoss zu Khaos, der sich wieder auf der Liege aufgerichtet hatte und zu allem entschlossen wirkte. Seine Seele zeigte Aufbruchsstimmung, Ungeduld, endlich zur Tat zu schreiten.
Ich konnte nichts tun, als weiter meiner Arbeit nachzugehen. Um nachzufragen, war ich einfach zu feige. Schon allein, weil ich mich wie ein Nichts fühlte, im großen Schatten eines Mannes mit perfekt geformten Wangenknochen und Augen, die Autorität und Erhabenheit ausstrahlten.
Oder vielleicht war mein Blick auf ihn auch einfach nur getrübt und die Gefühle, die nicht mehr von mir ablassen wollten, begannen ihn zu idealisieren. Ich wusste selbst nicht mehr, was ich glauben konnte. Nur eines war sicher: Irgendetwas stimmte nicht mit mir!
Ich öffnete gerade den Schlauch an Khaos’ Infusion, da hielt er mir auch schon seinen Arm hin. Ich unterdrückte ein wohliges Seufzten, als meine Finger nach seiner glatten Haut griffen, und schämte mich für meine eigenen Reaktionen, die so irrational waren, dass ich sie am liebsten einem Trauma zugeschrieben hätte.
Vielleicht war es passiert, als ich beinahe gestorben war und Cobal mir die Spritze verpasst hatte? Oder eben auch nicht und es lag einzig und allein an diesem Mann, der mir den Kopf völlig verdrehte, umso länger ich in seiner Gegenwart verbrachte und je mehr Facetten seiner Seele sich mir öffneten.
Sowohl der Hass als auch die Liebe faszinierten mich ungemein, und die krassen Gegensätze seines Inneren zogen mich immer wieder in ihren Bann. Schon allein dadurch, dass nicht viel davon nach außen drang, es sei denn, er wollte es so. Leidenschaftlich, impulsiv und doch wie eine kontrollierte Explosion. Ich hätte ihn einfach stundenlang nur ansehen können.
»Wie verhalten sich Menschen, die mit einem Sumpfsauger infiziert sind?«, fragte er mich und ich zog ruckartig meine Hände von seinem Arm, die dort schon viel zu lange verweilt hatten. Jetzt starrte ich ihn erschrocken an und konnte mir nicht vorstellen, was er mit dieser Frage bezweckte. Er wollte doch wohl kaum, dass ihm einer seine widerlichen Stacheln in den Nacken rammte!
Khaos’ Mund verzog sich zu einem angedeuteten Lächeln, als er meinen verschreckten Gesichtsausdruck sah, und er schüttelte den Kopf im Angesicht meiner Leichtgläubigkeit. »Ich will vorgeben, dass so ein Tier mich kontrolliert, damit Boz uns raus in die Wüste schickt und wir uns seine Unterstützung zunutze machen können«, erklärte er und sein Lächeln entblößte eine Reihe weißer Zähne, die gefährlich auf mich wirkten. Als würde er mich gleich fressen. Sein Lächeln war mir nicht geheuer, auch wenn seine Seele sich köstlich über mein verschrecktes Verhalten amüsierte.
Und ich konnte nur den Kopf über mich selbst schütteln. Natürlich war es nur eine Finte. Warum war ich auch eine so dumme Nuss, die sich vor allem fürchtete?
»Man wird apathisch, spricht kaum und folgt willenlos Befehlen. Meistens zumindest«, flüsterte ich. Der Schrecken einer Erinnerung überzog meinen Körper mit einem unangenehmen Schauer. Ich dachte nicht gerne daran zurück, fühlte mich immer beklemmt und die Schreie der Seelen klangen in mir nach, so wie damals, als ich mit ansehen musste, wie sie litten. »Es ist ein ständiger Kampf um seinen Willen, den man nicht gewinnen kann, und doch sieht man die Menschen innerlich kämpfen. Vor allem, wenn sie Dinge tun müssen, die sie nicht tun wollen.« Am liebsten hätte ich die Augen geschlossen, die schrecklichen Bilder aus meinem Kopf ausgesperrt, aber ich wusste, dass die Dunkelheit hinter meinen Lidern es nur noch schlimmer machen würde.
Da waren Männer, die einander totschlugen, Frauen, die sich unter Qualen und doch scheinbar willig hingaben, Leute, die ihre Freunde und Liebsten verrieten, sie somit in den Tod schickten und noch schlimmere Grausamkeiten.
Doch von allen die Schlimmste war das furchtbare Gefühl, wenn die Kopfschmerzen schlimmer wurden, der Kampf einen in den Wahnsinn trieb und die Seele in mehrere Teile zerriss.
Mein Herz raste, mein Kopf begann zu dröhnen und mir wurde speiübel. Taumelnd hielt ich das Gestell der Liege umklammert und versuchte, die Gedanken aus meinem Kopf zu verscheuchen.
»Hey«, sagte eine tiefe Stimme leise und eine Hand hob mein Kinn an. Türkisfarbene Augen nahmen mich gefangen und gaben mir den nötigen Halt, um mich von meinen Erinnerungen zu lösen.
»Alles klar?«
Ich trat einen hastigen Schritt zurück, um außer Reichweite seiner Hand zu kommen, die mich so unerwartet berührt hatte und ein seltsames Gefühl auf meiner Haut hinterließ.
»Nur … kein schöner Anblick«, versuchte ich es abzutun und wandte mich ab. »Wann wollt ihr beginnen?«, fragte ich, um von dem eigenartigen Moment abzulenken. »Wann soll ich Boz Bescheid geben, dass ihr aufgewacht seid? Oder wollt ihr die zwei Tage warten?«
»Nein. Sag es ihm so bald wie möglich«, wies Khaos mich an und ich nickte ergeben.
Also gab es nur noch wenige Vorbereitungen zu treffen.
Cobal kam mit einem Glas herein, das er so weit wie möglich von seinem Körper weghielt, auch wenn die schmierigen Egel es wohl kaum sprengen konnten. Zusätzlich war Cobal als Echsoide nicht humanoid und zusätzlich noch durch einen Schuppenpanzer geschützt. Das Risiko einer Infizierung war gleich null.
Als er mir das Glas reichte, bedankte ich mich bei ihm und konnte dabei zusehen, wie die beiden daumengroßen Kriechtiere vor meinen Fingern auf die andere Seite des Einmachglases flüchteten. Tiere hatten schon immer einen gewissen Abstand zu mir gehalten und hier war es nicht anders.
Ich betrachtete sie kurz und verzog angeekelt das Gesicht. Sie sahen widerwärtig aus. Fleischige, matschig-graue Körper mit langen, wurmartigen Fortsätzen am Kopf, die sie in die Haut anderer rammten, um sie langsam auszusaugen.
Cobal begutachtete die beiden Männer, die scheinbar leblos auf ihren Liegen schliefen und dabei trotzdem eine gewisse Kraft ausstrahlten, die man kaum übersehen konnte.
»Das war eine verdammt miese Idee von Boz, die Kerle aufzuwecken«, behauptete er hart und ohne zu blinzeln. »Sie werden uns Ärger machen, ich weiß es. Und du weißt das auch!«, wandte er sich plötzlich an mich. Sein schuppiges Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, während seine Seele ernsthafte Dringlichkeit und sogar so etwas wie Sorge um mich zeigte, was СКАЧАТЬ