Название: Der Kaiser
Автор: Geoffrey Parker
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806240108
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»Margarete von Österreich besaß eine für ihre Zeit ungewöhnlich umfangreiche Sammlung von Kunstgegenständen, Naturalien und ethnographischen Objekten, die auch für eine Hofhaltung ihres Ranges bemerkenswert gewesen sein muss.«
Und an anderer Stelle bemerkt Eichberger, die Erzherzogin sei »stolze Besitzerin einer umfangreichen Porträtgalerie, die in ihrem Speisesaal aufgehängt war, dazu kamen eine Sammlung ethnologischer Artefakte aus der Neuen Welt in ihrer Bibliothek, eine weitere Gemäldegalerie in ihrem Prunkschlafzimmer sowie eine herrliche Kollektion kleiner Schmuckobjekte, Naturalia und Exotica in zwei Sammlungskabinetten.« Margaretes junge Schützlinge sollten ihrem Vorbild später nacheifern, denn alle drei zeigten einen ausgeprägten Sinn für Kunst.46
Karl und seine Schwestern wurden nun die Familie, die Margarete zuvor nie gehabt hatte – und solange die Erzherzogin lebte, richteten die Geschwister ihre Briefe stets an »Madame meine Tante und meine liebe Mutter« und erklärten etwa, dass »die Zuneigung, die ich für Euch empfinde, nicht nur die eines Neffen zu seiner Tante ist, sondern die eines Sohnes zu seiner treuen und liebenden Mutter«. Entsprechend unterschrieben sie mit »Eure demütige Nichte und Tochter« beziehungsweise »Euer demütiger Sohn und Neffe«.47 Wer Margaretes erhaltene Briefe liest, versteht rasch, warum die Kinder sie geradezu vergötterten. Als Maximilian 1507 einen Nachfolger für den Mönch Jean de Witte als Beichtvater seiner Enkel ernannte, erbat Margarete für Eleonore eine Ausnahme. Karl und seine jüngeren Schwestern, schrieb sie an den Kaiser, »haben vorerst noch keinen großen Bedarf« an geistlicher Leitung, »außer dass man sie anleite und ermuntere, die Gebote Gottes und seiner heiligen Kirche zu befolgen«, aber Eleonore – die damals neun Jahre alt war – »hat bereits eine tüchtige Auffassung von gutem und schlechtem Betragen«. Da sie Bruder Jean mochte, bat Margarete ihren Vater, den Mönch doch auf seinem Posten zu belassen. Vier Jahre später war Margarete zu Ohren gekommen, dass Maximilian als Vormund »den jungen Damen das Tanzen verboten« hatte, und so teilte sie ihm mit, dass diese Entscheidung den Mädchen »großen Überdruss und Kummer« bereite: »Deshalb meine ich, dass wir uns ihrer erbarmen und ihnen das Tanzen wie zuvor erlauben sollten.« Margarete lehrte ihre Nichten nähen und sticken und weihte sie in die Kunst des Einmachens ein. Als es 1514 so aussah, als würde Mary Tudor (die Schwester Heinrichs VIII. und ebenfalls eine Waise) Karl heiraten und zu ihm in die Niederlande ziehen, sandte Margarete ihr ein Schnittmuster »der Kleider, wie sie die Damen hier üblicherweise tragen, damit es Euch leichter fallen wird, Euch nach der hiesigen Sitte zu kleiden, wenn Ihr herkommt«.48 Gibt es eine Mutter, die treuer für ihre Schützlinge hätte sorgen können? Noch lange, nachdem Karl und seine Schwestern Mecheln verlassen hatten, war Margarete gewissermaßen der kommunikative Knotenpunkt der Familie. Als ihr Karl 1518 aus Spanien geschrieben hatte, setzte Margarete ihrerseits unverzüglich ein Schreiben an seine Schwester Maria auf (die sich damals in Ungarn befand), um ihr mitzuteilen, dass ihr Bruder »täglich an Tjosten und Turnieren teilnimmt, und ich möchte wetten, dass er sich oftmals wünscht, wir beide könnten dabei sein und uns mit ihm amüsieren«. Aber vor allem erzog Margarete, wie Annemarie Jordan Gschwend schreibt, die heranwachsende Generation dazu, »die Dynastie, in die sie hineingeboren waren, zu achten und ihr zu dienen. Sie flößte ihren jungen Schützlingen ein Prinzip ein, das diese zeitlebens in Ehren halten sollten: eine tief sitzende Loyalität zum Haus Habsburg.«49
Alles zum Schutz des Erben
Zweifellos war es die Welle von vorzeitigen Toden in den Dynastien von Habsburg, Burgund und Trastámara, die zu der fast schon zwanghaften Besorgnis um die Gesundheit Karls und seiner Schwestern führte. Als Maximilian 1508 in die Niederlande zurückkehrte und vorschlug, sein Enkel solle ihn »zu seiner Erholung« doch auf den Wegen zwischen Mecheln, Lier und Antwerpen begleiten – also in einem Radius von unter zwanzig Kilometern –, legte der Fürst von Chimay einen förmlichen Protest ein und verwies auf »das geringe Alter meines Herrn, der anfällig und zart ist«. Sollte der Kaiser dennoch auf seinem Vorhaben bestehen, fuhr Chimay fort, müsse der Prinz nach jeweils einem Reisetag »einen ganzen Tag an Ort und Stelle bleiben, damit er stets zwei Nächte hintereinander ruhen und sich erholen kann«. Sechs Monate darauf war es Maximilian, der in die Rolle eines überfürsorglichen Großvaters verfiel. Ihm war zu Ohren gekommen, dass Liberal Trevisan, der venezianische Arzt, der seine Schwiegertochter Johanna nach der Geburt ihres Sohnes »während neunundvierzig Tagen ohne Unterlass« behandelt hatte, Karl einen Hund schenken wollte: »Gib acht, dass das nicht geschieht!«, wies der Kaiser Margarete an; sowohl der Hund als auch der Heilkundige sollten sich von Karl fernhalten, »solange unser gegenwärtiger Kriegszustand mit den Venezianern andauert«. Kurz darauf befahl Maximilian seiner Tochter, Trevisan aus den Niederlanden ausweisen zu lassen, und zwar »wegen unserer Befürchtungen bezüglich seiner Person: Da er ein Venezianer ist, wünschen wir nicht, dass er mit unserem Enkelsohn Karl noch irgendwelchen weiteren Umgang pflegt.«50 Margarete teilte diese Befürchtungen. Einige Wochen nach Maximilians Schreiben bestand sie darauf, dass ihre Mündel »dauerhaft [in Mecheln] bleiben und die Stadt nicht verlassen sollen, bis ich selbst dorthin zurückgekehrt bin«, denn »heutzutage weiß man nicht, wem man noch vertrauen kann«. Auch Margarete beschäftigte sich geradezu zwanghaft mit der Gesundheit der Kinder, denn – wie sie Maximilian gegenüber einmal bemerkte – »bei Personen von solcher Bedeutung ruft selbst die kleinste Krankheit Besorgnis hervor«. Als daher die Nachricht eintraf, dass die Schwestern des Prinzen in Mecheln an den Pocken erkrankt waren, behielt sie Karl in Brüssel, »weil die Ärzte sagen, dass diese Krankheit ansteckend sei und mein Neffe sie sich womöglich auch zuziehen könnte« (Karl bekam die Pocken trotzdem und wurde von der schmerzhaften und gefährlichen Krankheit über einen Monat lang außer Gefecht gesetzt).51
Von der Erziehung ihres Neffen war Margarete nicht gleichermaßen besessen, wie es scheint. Was wir von Karls frühen Lese- und Schreibfähigkeiten erfahren, deutet auf einen überaus langsamen Lerner hin. »Im Alter von sieben Jahren«, berichtet zwar ein Angehöriger des Hofes, »war [Karl] begierig zu lernen und wollte lateinische Briefe verstehen«, aber ein aus dem Jahr 1508 erhaltener Brief in spanischer Sprache enthält gerade einmal zwölf Worte von Karls eigener Hand, dazu seine Signatur als Prinz von Kastilien. Ein anderer, französischsprachiger Brief endet gar nur mit drei Worten in Karls Handschrift, gefolgt von seiner Unterschrift als Herzog von Burgund. Und in beiden Fällen malte Karl – nun immerhin acht Jahre alt – jeden einzelnen Buchstaben eher, als dass er ihn schrieb, und ließ die Wörter ohne Zwischenraum ineinander übergehen (Abb. 3).52
Karls Handschrift sollte zeitlebens dürftig bleiben. Als seine Schwester Maria 1532 einen Satz handschriftlicher Anweisungen von Karl erhielt, beschwerte sie sich, dass »mit Verlaub ein oder zwei Wörter so schlecht geschrieben waren, dass ich sie nicht lesen konnte, und ich weiß nicht, ob ich sie richtig erraten habe«. Auch die Beschreibung, die eine Historikerin unserer Tage von der Handschrift Eleonores, der älteren Schwester von Karl und Maria, gegeben hat, wird jedem auf eine deprimierende Weise bekannt vorkommen, der schon einmal mit der »Schönschrift« des späteren Kaisers zu kämpfen hatte. Selbst als Erwachsene fügte Eleonore – die von denselben Lehrern unterrichtet worden war wie Karl: Anchieta und Cabeza de Vaca – nämlich
»regelmäßig … so viele Buchstaben eines einzelnen Wortes (ja selbst von mehreren Wörtern in Folge) ohne Unterbrechung aneinander, wie es nur ging – so als ob sie versuchen wollte, möglichst viele Schriftzeichen zu Papier zu bringen, ohne dabei ihre Hand vom Blatt zu heben. Sie zögerte auch nie, gestrichene Wörter stehenzulassen oder jede nur denkbare Abkürzung zu verwenden … Satzzeichen hingegen gebrauchte sie so gut wie nie, wenn sie auch manchmal das Ende eines Satzes durch einen Schrägstrich markierte … СКАЧАТЬ