Das Fußvolk der "Endlösung". Thomas Sandkühler
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Fußvolk der "Endlösung" - Thomas Sandkühler страница 15

Название: Das Fußvolk der "Endlösung"

Автор: Thomas Sandkühler

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783534746217

isbn:

СКАЧАТЬ dem Kommando des Selbstschutzführers Dolp ein neues Zwangsarbeitslager in Bełżec. Die ersten Häftlinge waren rund tausend deutsche Sinti aus den Hansestädten Hamburg und Bremen, die das Lager gemeinsam mit Lubliner Juden aufbauen mussten. Sie wurden anschließend in ein weiteres Lager an der Ostgrenze Lublins weitertransportiert, wo sich ihre Spur verliert.48

      Das »Grenzsicherungsbaukommando« errichtete vom Hauptlager Bełżec ausgehend weitere Lager. Das erwartete unerschöpfliche Arbeitskräftereservoir blieb jedoch aus, weil das »Judenreservat« nicht verwirklicht wurde. Globocnik forderte daher Häftlinge bei den Judenräten der umgebenden Städte und den deutschen Arbeitsämtern an, wobei er auch die Behörden der Nachbardistrikte Radom, Krakau und Warschau zur Mithilfe aufforderte. Nicht selten ergriffen die Angesprochenen gern diese Gelegenheit, ›ihre‹ jüdische Minderheit los zu werden, weil die Lagerhaft ihnen die Mühen der Ghettoisierung ersparte. Darüber hinaus verhafteten Dolps Untergebene jüdische Männer auf der Straße und verschleppten sie in die Grenzlager. Im September 1940 waren am Buggraben nicht weniger als 11 000 Zwangsarbeiter inhaftiert.49

      Abb. 1: Jüdische Zwangsarbeiter in Bełżec. vermutlich Sommer 1940. Im Hintergrund ein Wachmann aus dem »Volksdeutschen Selbstschutz«.

      Für die Kosten der Lager musste der Lubliner Judenrat aufkommen, der natürlich nicht über ausreichende Mittel verfügte. Die Zustände in Bełżec, wo man eine Getreidemühle als provisorische Unterkunft nutzte, und seinen Nebenlagern waren unbeschreiblich. Es fehlte an Arbeitsgerät, Arbeitskleidung und vor allem an der erforderlichen Verpflegung. Die hygienischen Bedingungen spotteten jeder Beschreibung. Diese Zustände in Verbindung mit der Brutalität der Selbstschutzmänner und harter Arbeit führten zu Epidemien und einer Vielzahl von Todesfällen durch Krankheit und offenen Mord. Der im August 1940 inhaftierte Arzt Dr. Ludwik Sztabholz beschrieb Dolps Regiment folgendermaßen:

      »Wenn er zur Inspektion des Lagers aufbrach, wurden alle starr vor Angst. Es war denn klar, dass das nicht ohne Opfer stattfinden wird. […] Das Schießen auf die Häftlinge war sein Lieblingsspiel. Nach dem Schießen befahl er den Ärzten den Tod festzustellen und er zählte nach, wie viele er getroffen hat. Im Lager hing alles von Dolb [Dolp] ab.«50

      In Bełżec taten eine Reihe von Selbstschutzführern Dienst, die später im Ausbildungslager Trawniki oder im Stab Globocniks die »Aktion Reinhardt« vorantrieben, darunter sein Stabsführer Hermann Höfle, sein »Judenreferent« Georg Michalsen, der Architekt Richard Thomalla und der schon erwähnte Chef des Ausbildungslagers Trawniki, Karl Streibel.51 Die Vertrautheit von Globocniks Unterführern mit den örtlichen Verhältnissen dürfte neben dem logistischen Vorzug einer nahen Eisenbahnverbindung auch dazu beigetragen haben, dass Bełżec als Standort des ersten Vernichtungslagers für Juden im Generalgouvernement ausgewählt wurde.52

      Die Wehrmacht, für die Globocnik immerhin die Grenze sicherte, war über die Verhältnisse in den Lagern recht genau informiert, beklagte aber nur die schlechte Ausbildung der Selbstschutz-Männer, deren Finger zu locker am Abzug sitze.53 Erst als Globocnik das Geld ausging, konnte die Zivilverwaltung einen Befehl Krügers erwirken, mit dem im Oktober 1940 alle Lager des »Grenzsicherungsbaukommandos« aufgelöst wurden. Globocnik legte sich erwartungsgemäß quer, indem er die Kooperation mit den Arbeitsämtern verweigerte, die Schließung seiner Lager verzögerte und die Häftlinge nicht, wie ursprünglich zugesagt, an ihre Wohnorte zurücktransportieren, sondern auf andere Zwangsarbeitslager im Distrikt Lublin verteilen ließ.54

      Denn Globocnik hatte der Distriktsverwaltung unter Gouervneur Zörner auch Zwangsarbeiter für Flussregulierungen und dergleichen angeboten. Davon machte die Exekutive ungeachtet der ständigen Kompetenzkonflikte mit dem eigenmächtigen SS-Potentaten Gebrauch. Ende Juli 1940 forderte Globocnik allein aus der Stadt Krakau 30 000 arbeitsfähige Juden und 1 000 Facharbeiter »dringend« an, die »hauptsächlich zu Erdarbeiten in und ausser Wasser herangezogen werden.«55

      Im Sommer 1940 arbeiteten bereits tausende Juden für die Wasserwirtschaftsinspektion des Distrikts Lublin. Im Laufe des Jahres stieg diese Ziffer weiter an. Ein erheblicher Teil dieser Lager stand unter der Aufsicht der Zivilverwaltung. Aber auch die Wehrmacht forderte bei den Arbeitsämtern Zwangsarbeiter an und beschäftigte sie im Straßen- und Flugzeugbau, vor allem im Zusammenhang mit den Aufmarschvorbereitungen der ersten Jahreshälfte 1941.56

      1940/41 waren bis zu 70 000 Juden in rund 75 Zwangsarbeitslagern im Distrikt Lublin inhaftiert.57 Die Zwangsarbeit der Juden hatte also einen beträchtlichen Umfang. Nutznießer waren alle Instanzen der Besatzungspolitik: SS und Polizei, Verwaltung und das Militär. Globocniks weitreichende Wirtschaftspläne waren durch Krügers Auflösungsorder vorerst gescheitert. Jedoch konnte der SS- und Polizeiführer auf die Behandlung der Juden weiter Einfluss nehmen, weil in vielen Fällen der Selbstschutz das Wachpersonal stellte. In diesen Lagern herrschten oft kaum bessere Zustände als zuvor am Buggraben.58

      3.Der Krieg gegen die Sowjetunion

      3.1Vernichtungskrieg gegen die Juden

      Spätestens Mitte März 1941 erfuhr Hans Frank von Hitler persönlich, dass Deutschland die Sowjetunion angreifen und die Phase der deutsch-sowjetischen Freundschaft enden würde. Der Generalgouverneur war enthusiasmiert:

      »Das Generalgouvernement, wie wir es kennen und wie wir es erarbeitet haben, wird wesentlich reicher sein, glücklicher sein, wird mehr Förderung erfahren und wird vor allem entjudet werden.« Denn Hitler, so Frank im Kreis seiner Paladine, habe ihm zugesagt, das Generalgouvernement werde »als erstes Gebiet judenfrei gemacht.«1

      Der am 22. Juni 1941 begonnene Feldzug Deutschlands gegen die Sowjetunion war ein historisch beispielloser Raub- und Vernichtungskrieg.2 Was in Polen begonnen hatte, wurde nun in ungleich größerem Ausmaß und ungleich radikaler durchgeführt.

      Die wesentlichen Richtlinien für diesen Krieg kamen von Hitler selbst, von der Wehrmachts- und Heeresführung, der Vierjahresplanbehörde des Reichsmarschalls Hermann Göring, vom Reichsführer-SS Himmler und vom Reichssicherheitshauptamt.3 Erneut entsandte Heydrich Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, die den deutschen Heeresgruppen in aufsteigender Buchstabenreihenfolge vom Baltikum (A) bis zur Krim (D) zugeordnet waren.

      Ferner gab es zwei SS-Kavallerie-Regimenter und zwei SS-Brigaden, die durch einen besonderen Kommandostab Reichsführer-SS geführt wurden und den Höheren SS- und Polizeiführern Russland-Mitte und Russland-Süd unterstanden.4 Für die Tätigkeit der Einsatzgruppen waren, nach den Erfahrungen in Polen, genaue Absprachen mit dem Oberkommando des Heeres getroffen worden. Sie erfüllten »Sonderaufgaben im Auftrag des Führers, die sich aus dem endgültig auszutragenden Kampf zweier entgegengesetzter politischer Systeme ergeben.«5

      Hitler und die SS-Führung waren davon überzeugt, dass die stalinistische Sowjetunion von Juden beherrscht wurde, die sich der KPdSU bedienten, um den Nationalsozialismus zu beseitigen und die Weltherrschaft zu erringen. Gemäß dieser verqueren Weltsicht hing der erfolgreiche Blitzkrieg gegen das Riesenreich im Osten entscheidend davon ab, dass die vermeintlich jüdische Führungsschicht beseitigt, die UdSSR also gewissermaßen enthauptet wurde. Ferner sollte – dies war eine Obsesssion des baltendeutschen NS-Chefideologen und designierten Reichsministers für die besetzten Ostgebiete, Alfred Rosenberg – der Hass der nichtrussischen Nationalitäten auf »Moskau« angestachelt werden, um die Sowjetunion von den Rändern her aufzulösen und in der Tradition des deutschen Ostimperialismus Vasallenstaaten des Reiches zu bilden. Besonderes Augenmerk galt hierbei, wie schon im Ersten Weltkrieg, der Ukraine.6

      Die СКАЧАТЬ