Название: Begegnungen mit Bismarck
Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242683
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Durch Marwitz angeregt, besuchte ich in jener Zeit den trauernden Witwer Blanckenburg in Zimmerhausen. Auch dieser Freund Bismarcks erzählte gern und viel von ihm.
„Ich kannte ihn schon als Nachbarskind,“ sagte er, „da seine Eltern während unserer Kindheit in Kniephof lebten. Später waren wir ein paar Jahre gleichzeitig auf dem Berliner Gymnasium zum Grauen Kloster. Er erschien mir schon damals als ein rätselhafter Mensch; nie sah ich ihn arbeiten, oft spazieren gehen, und doch wußte er immer alles und hatte immer alle Arbeiten fertig. Dann waren wir lange Zeit getrennt, bis er wieder in unsere Gegend kam.
„Er trieb mehrere Jahre Landwirtschaft, fühlte sich aber davon nicht befriedigt und machte im Winter 1843/44 noch einen Versuch, sich bei der Regierung in Potsdam beschäftigen zu lassen, wo er früher schon einmal als Referendar gearbeitet hatte. Das wollte aber nicht glücken. Die Vorgesetzten langweilten, der schleppende Geschäftsgang erbitterte ihn. Der Oberpräsident, ein fleißiger Bureaukrat der alten Schule, hatte kein Verständnis für den außergewöhnlichen Menschen. Er schrieb eines Tages eigenhändig eine Verfügung, welche mit den Worten anfing: ‚Mir ist im Leben schon manches vorgekommen, aber noch kein Referendarius mit 63 Resten.‘ Zu mündlicher Verwarnung citiert, erzählte Bismarck dem Oberpräsidenten harmlos von den Berieselungsanlagen „auf seinen Gütern“ und von anderen landwirtschaftlichen Neuerungen. Es war vernünftig, daß er Potsdam bald wieder verließ. Nach Kniephof zurückgekehrt, fand er Gelegenheit, den Landrat des Naugarder Kreises, seinen Bruder, lange Zeit hindurch zu vertreten, und machte das ganz vorzüglich.“
„Nach meiner Verheiratung1 war er sehr viel bei uns. Wir hatten zusammen regelmäßige Shakespeareleseabende. Er fühlte, wie unser Leben durch den Glauben beglückt war und strebte ernstlich danach. Ich gab ihm manches Gute zu lesen; er sagte aber mehrmals, er könne sich nicht überzeugen. Schon gab ich fast alle Hoffnung auf. Da kam er eines Tages und sagte, ihm sei geholfen. Gott habe ihn auf den Rücken geworfen und stark geschüttelt. Da sei ihm der Glaube gekommen, zu dem er sich nun freudig bekenne.
„Wir, meine selige Frau und ich, waren tief ergriffen von diesem Wunder. Unser Verkehr mit Bismarck wurde nun noch inniger.
„Anfangs vorigen Jahres sagte er einmal: ‚Die Landwirtschaft gibt mir nicht genug zu thun; übers Jahr möchte ich entweder eine Frau haben oder ein Amt.‘ Sein Gebet ist erhört worden; er hat die beste Frau gefunden und eine politische Führerstellung errungen, die ihm vielleicht mehr zu thun geben wird wie ein Staatsamt.“
So erzählte Blanckenburg.
Bismarck hat bekanntlich in vielen veröffentlichten Briefen sowie in mehreren Parlamentsreden mit frohem Mut von seinem evangelischen Glauben Zeugnis abgelegt. In Privatgesprächen äußerte er als Gesandter wie als Minister, mehrmals, daß früher, ehe er glaubte , das ganze Leben für ihn wenig Wert gehabt habe. Der Glaube heilige die Pflichterfüllung. In der Zeit des Verfassungskonfliktes habe er nur durch den festen Ankergrund des Glaubens die Kraft gefunden, alle Stürme und Gefahren zu bestehen.
Das Glück des Glaubens wünschte er jedem Freunde, ohne jemals danach zu fragen. Als aber einmal ein befreundeter Ausländer seinen Unglauben offen bekannte, sagte er: „Ich wünsche Ihnen von Herzen, daß Gott Sie stark zu Boden wirft und durchschüttelt; das könnte Ihnen helfen.“ ‒
* * *
Im Winter 1847/48 kam Blanckenburg einmal zu einer landwirtschaftlichen Versammlung nach Köslin und machte mich bekannt mit seinem Schwiegervater, Herrn von Thadden-Trieglaff, an dessen prachtvollem Kopf ich mich nicht sattsehen konnte, sowie mit dem nachmaligen Führer der äußersten Rechten, Herrn von Kleist-Retzow, einem Stiefonkel der Frau von Bismarck. Nach der Versammlung, welcher ich als Gast beiwohnte, kamen die drei Herren in meine Wohnung, um Musik zu hören, und erzählten, daß Bismarcks in Schönhausen in glücklicher Zurückgezogenheit lebten.
Der März des Jahres 1848 brachte die politischen Stürme, welche in Deutschland alle Ministerien wegfegten und manche Throne zu erschüttern schienen.
Den in unklarer Gärung tobenden Berliner Volksmassen wurden feierliche Zugeständnisse gemacht, von denen ein Teil, einige Wochen früher dem Staatskörper eingeimpft, ihn vielleicht vor dem Ausbruch des importierten Revolutionsfiebers geschützt haben würde.
Zur Feststellung des Wahlgesetzes für eine preußische Nationalversammlung berief der König noch einmal den „Vereinigten Landtag“.
Damals befand ich mich infolge des Todes meiner Mutter einige Zeit in Königsberg und hörte dort manche Urteile liberaler Männer über Bismarck. Man war einig in der Anerkennung der würdigen Worte, mit denen er im Landtage seinem Schmerz über das Geschehene Ausdruck gegeben hatte. Lebhaften Beifall fanden in der Provinz auch seine Worte über eine Vorlage des Finanzministers Hansemann, welcher einen erheblichen Kredit zur Hebung von Handel und Industrie verlangt hatte. Bismarck vermißte darin irgendeine Berücksichtigung der Landwirtschaft und sagte, der Minister schiene die Dinge mehr „durch die Brille des Industrialismus“ zu sehen als mit dem klaren Auge des Staatsmannes, der alle Interessen des Landes mit gleicher Unparteilichkeit überblickt.
* * *
Im Juli 1848 hatte ich Gelegenheit, Herrn und Frau von Bismarck einmal, wenn auch nur flüchtig, zu sehen.
Von der Frankfurter Nationalversammlung war angeregt worden, für Gründung einer deutschen Flotte in Privatkreisen zu sammeln. Dieser Zweck begeisterte mich und zwei andere junge Leute zu dem harmlosen Unternehmen, mitten im Sommer vier kleine Städte (Köslin, Colberg, Rügenwalde und Stolp) mit Konzerten heimzusuchen. Den Ertrag derselben (im Ganzen 207 Thaler) erhielt das Stettiner Flottenkomitee.
Zu dem Stolper Konzert, welches an einem heißen Nachmittage stattfand, kamen Bismarcks aus dem nahe gelegenen Seebade Stolpmünde herüber. Ich erschrak, als ich ihn sah. Kummervoller Ernst auf seinen gefurchten Zügen, das Haupthaar gelichtet; er schien seit unserm Zusammensein bei Kisting um viele Jahre gealtert. Ich hatte erfahren, daß er nur neun Jahre älter war als ich; doch schien es mir jetzt, als läge ein volles Menschenalter zwischen uns.
Nach dem Konzert sagte er mit kühler Höflichkeit: „es war schon heiß genug, aber Sie haben es uns doch noch heißer gemacht“. Dann fuhren die Stolpmünder Gäste zum Seestrande zurück, ich zu Verwandten aufs Land.
Anfang 1849 ging ich nach Berlin, um beim Kammergericht zu arbeiten. Bismarck hatte weder für die Berliner noch für die Frankfurter Nationalversammlung kandidiert, wurde aber nach Oktroyierung der preußischen Verfassung in die zweite Kammer gewählt und kam im März mit Familie nach Berlin.
Ich schrieb der bereits erwähnten, mit Frau von Bismarck befreundeten Cousine, ich würde die Familie wohl nicht sehen, wenn nicht Herr von Bismarck mir durch einen Besuch zu erkennen gäbe, daß ihm der Verkehr mit mir nicht unerwünscht wäre; denn ich wolle den Schein vermeiden, mich an einen einflußreichen Mann heranzudrängen.
Der Größe dieser Prätension war ich mir nicht bewußt. Daß man durch Kartenschicken einen Besuch abmachen könnte, war mir, wie wohl vielen damaligen Berlinern, noch unbekannt; sonst hätte ich natürlich nichts begehrt als den Besitz einer Visitenkarte.
Ich erfuhr nicht, ob die Cousine meine Mitteilung weitergegeben hatte; nach einiger Zeit aber kam Bismarck zu Fuß nach meiner Wohnung, die in einem der letzten Häuser der Linkstraße lag, wo damals die Stadt aufhörte. Er fand dort zwei meiner Freunde, die auf meine Rückkehr von einem Spaziergange warteten. Sie luden ihn zum Rauchen ein; er verweilte einige Zeit und sprach mit diesen Unbekannten offenherzig über die politische СКАЧАТЬ