Название: Begegnungen mit Bismarck
Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242683
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Nach Neujahr schrieb Frau von Bismarck mir aus Reinfeld, daß ihr Gemahl – wie durch die „Gedanken und Erinnerungen“ jetzt allgemein bekannt geworden ist –, nachdem er vom Kriegsminister über den völlig ungenügenden Stand unserer Streitkräfte unterrichtet worden war, unablässig für Verständigung mit Oesterreich gearbeitet habe. Das Weihnachtsfest hätten sie dann im Familienkreise „in seligem Jubel“ verlebt.
* * *
Ich wurde erst im Frühjahr 1851 vom Regiment entlassen und bald darauf als Assessor bei der Regierung in Potsdam angestellt. Bismarck vor seiner Ernennung nach Frankfurt persönlich zu begrüßen, fand ich keine Gelegenheit. Die Familie war wegen Krankheiten der Kinder den ganzen Winter in Reinfeld geblieben.
Im Mai 1852 kam Kaiser Nikolaus nach Potsdam. Die Offiziere seines Brandenburgischen Kürassier-Regiments, zu dem ich damals auf 4 Wochen kommandiert war, wurden eines Abends in Sanssouci vorgestellt. Auch Bismarck kam dorthin, aber etwas später als das Offizierkorps, und stand zufällig kurze Zeit hinter mir, ohne mich zu erkennen. Beim Vortreten sagte er: „Der starke Haarwuchs Ihres Hinterkopfs hat mich einige Minuten lang beschäftigt. Ich sagte mir, da ist nichts vom Garde-Pli zu erkennen. Das ist ein Mann, den der Kommißdienst langweilt. Er widmet sich ernsten Studien und wird wohl einmal im Generalstabe endigen. Nun ich Sie erkenne, muß ich wohl sagen: in einem Ministerium.“
Allerdings langweilten mich meine Geschäfte bei der Bezirksregierung, weil ich sie vernachlässigte. Meine Studien aber waren damals nur auf die Musik gerichtet. Sehr viele Zeit verwendete ich auf Vorbereitung und Leitung von Chor- und Orchesteraufführungen; Hochgenüsse, zu welchen ein Dilettant nur in einer kleineren Stadt Gelegenheit finden kann.
Im folgenden Jahre beschloß ich, Paris und Rom zu besuchen mit dem Vorsatz, zu prüfen, ob der Dienst bei den Gesandtschaften weniger langweilig wäre als bei der inneren Verwaltung. Herr von Usedom, damals Gesandter in Rom, hatte mir gelegentlich in Berlin versprochen, er würde mich alle seine Berichte über die italienischen Ereignisse von 1846 ab lesen lassen. In Paris hoffte ich durch einen mir bekannten Sekretär einige Kenntnis der dortigen Geschäfte zu erhalten. An Frankfurt dachte ich für diese Untersuchung nicht; dort wollte ich nur auf der Durchreise einen Tag verweilen. Ich schrieb an Frau von Bismarck nach Reinfeld, um zu erfahren, ob sie und ihr Gemahl Anfangs November in Frankfurt sein würden. Die Antwort lautete:
„Sie gedenken also, im Spätherbst eine größere Reise zu unternehmen und beider Gelegenheit auch uns zu besuchen? Dazu freuen wir uns recht von Herzen und bitten, daß Sie jedenfalls bei uns wohnen, wenn Sie kommen. Wir haben zwar kein sehr schönes, aber ein recht geräumiges Haus, ganz nahe an den Bahnhöfen, und Sie können völlig ungeniert mit und bei uns leben. Bitte, nehmen Sie dies Anerbieten gewiß an.
„Sie fragen nach meiner Musik. Meine Liebe dazu hat nicht im Mindesten abgenommen, wie wäre das wohl je möglich! Die Gebrüder Müller haben mich mit ihren zauberischen, überirdischen Melodien so unbegrenzt entzückt, daß ich fast kindisch wurde in maßloser Freude. Kann es denn aber auch etwas Schöneres geben als Schuberts G-Dur-Quartett mit dem ganz einzigen Trio und Mendelssohns Es-Dur-Quartett mit der träumerischen Canzonetta und dem tieftraurigen Adagio? Ich war, was man so nennt, völlig hingerissen. Kurz, ich liebe die Musik unendlich, aber selbst betheilige ich mich sehr wenig, fast gar nicht mehr daran, habe auch starke Rückschritte gemacht.“
1Die Vermählung des Herrn von Blanckenburg mit Fräulein Maria von Thadden wurde am 4. Oktober 1844 in Trieglaff gefeiert, nicht, wie Poschinger (Neue Tischgespräche, Bd II, S. 1) angibt, im April 1846.
II.
Frankfurt. November 1853 bis Januar 1859.
Am 2. November kam ich nach Frankfurt. In einem Hause der Gallusstraße, mit einem kleinen Garten dahinter, wohnte die Familie Bismarck in behaglichen Räumen, welche gelegentlich zu Ballfesten dienen und einige Wohngäste aufnehmen konnten. Ein Zimmer mit Gartenaussicht wurde mir angewiesen.
Frau von Bismarck und Frau von Puttkamer, ihre Mutter, empfingen mich mit anmutiger Herzlichkeit. Der Hausherr kam am folgenden Morgen von Berlin zurück.
Er schien von der Fahrt gar nicht ermüdet. Beim Frühstück sprach er von der Möglichkeit eines Konflikts der Westmächte mit Rußland, wegen türkischer Fragen, „die uns gar nichts angingen“, und sagte, daß es unverantwortlich sein würde, aus Liebedienerei gegen die Westmächte unsere Beziehungen zu Rußland zu verschlechtern. „Die Leute, die das befürworten, sind Phantasten, die nichts von Politik verstehen.“ Damit stand er auf, um in einer Sitzung des Bundestages, der ersten nach den Ferien, nicht zu fehlen.
Abends war eine Gesellschaft im Hause des damals mit der Oberleitung der Thurn- und Taxisschen Postverwaltung betrauten Freiherrn von Dörnberg. Die Honneurs machte Baronin Vrints, eine Schwester des österreichischen Ministers Grafen Buol-Schauenstein. Bundestag und Frankfurter Patriziat füllten die behaglichen Räume. Auffallend war mir die Entfaltung ungewöhnlich reichen Brillantschmucks bei den Damen.
Baron Prokesch-Osten, der österreichische Gesandte, beehrte mich mit einem würdevollen Vortrag über Paris und das südliche Frankreich, meine nächsten Reiseziele. Das Fest war kurz; man kam gegen halb zehn und ging gegen elf Uhr. Bei jeder Wagenfahrt beanspruchte Bismarck den Rücksitz für sich; ich mußte neben seiner Gemahlin Platz nehmen.
Zu Hause angelangt, blieb man noch bei einem Glase Punsch zusammen. Er sagte: „Ich bin von Damen öfters nach Ihnen gefragt worden und pflegte dann zu antworten: das ist ein schmählich reicher Lithauer, der nach Paris geht, um sein Geld totzuschlagen.“
Am folgenden Morgen mußte ich vieles vorspielen, während Bismarck rauchend auf und ab ging.
Beim Gabelfrühstück sprach er über die kaum erträglichen Verhältnisse am Bundestage; von Oesterreich geführt, versuchten die Mittelstaaten oft mit Erfolg, uns zu majorisieren.
Es drängte mich, Folgendes zu sagen: „Vor vier Jahren haben Ihre Kammerreden mir klargemacht, daß die damals beabsichtigte Unionsverfassung für uns nicht paßte. Dennoch glaube ich, daß der Grundgedanke der Union unter andren Formen in Norddeutschland einmal verwirklicht werden wird. Der Selbsterhaltungstrieb kann uns dahin drängen. Freilich wissen wir seit 1850, daß das ohne einen Krieg im Süden nicht abgeht. Diesen Kampf können wir vielleicht nur aufnehmen zu einer Zeit, in der Oesterreich noch anderswo beschäftigt ist; auch müßten wir darauf rechnen dürfen, nicht von Osten oder Westen her gestört zu werden. Dazu gehört viel Glück. Aber unser Staat ist noch jung; und warum soll ein junger Mensch nicht nach vielem Kummer auch einmal Glück haben? – Ich wenigstens hoffe das noch zu erleben. Der Anschluß Süddeutschlands mag vielleicht ein Menschenalter später kommen.“
Bismarck trank mir lebhaft zu und sagte: „Gewiß denke auch ich so etwas zu erleben. Solange Metternichs Grundsatz Geltung hatte, daß die beiden Großmächte am Bunde immer einig auftreten müßten, da mochte die Sache gehen. Aber das jetzige System der Vergewaltigung Preußens am Bunde ist für uns auf die Dauer nicht erträglich. Wie viele Jahre vergehen mögen, bis einmal die Waffen entscheiden, und unter welchen Umständen die Auseinandersetzung erfolgt, das kann heute niemand wissen; dahin kommen aber muß es, wenn man in Wien fortfährt, keine Vernunft anzunehmen.“
Er schlug vor, bei dem schönen Wetter hinauszureiten. Frau von Bismarck bestieg eine elegante Rappstute. Es ging in den noch mit rötlichem und gelbem Laube geschmückten Stadtwald. Auf guten Reitwegen wurde flott galoppiert.
Kurz vor dem Diner saß ich am Klavier, als Bismarck СКАЧАТЬ