Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell
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Название: Begegnungen mit Bismarck

Автор: Robert von Keudell

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806242683

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СКАЧАТЬ Es kam jedoch unter seiner Regierung nur zu gesetzlicher Einrichtung von Kreis- und Provinzialständen.

      Die französische Julirevolution sowie deren Nachwirkungen in Polen, Belgien und einigen deutschen Staaten verstärkten die in Berlin obwaltenden Bedenken gegen Gewährung einer reichsständischen Verfassung.

      Nach der Thronbesteigung Königs Friedrich Wilhelm IV. regten sich lebhafter in weiten Kreisen des Volkes die lange zurückgehaltenen politischen Wünsche. Aber während die Landtage der Provinzen Preußen, Posen und Rheinland bei jeder Gelegenheit um Gewährung der verheißenen Reichsstände petitionierten, warnten eindringlich davor die Landtage von Brandenburg und Pommern.

      Der König verharrte einige Jahre in ablehnender Haltung. Da trat das Bedürfnis hervor, zum Zwecke der Eisenbahnverbindung Ostpreußens mit Berlin eine Staatsanleihe aufzunehmen oder wenigstens eine staatliche Zinsgarantie zu gewähren. Beides erwies sich unausführbar ohne die in dem Gesetze vom 17. Januar 1820 vorgesehene reichsständische Genehmigung. Diese Schwierigkeit gedachte man durch einmalige Vereinigung der Landtage aller Provinzen in Berlin zu beseitigen.

      Bismarck war nur als Stellvertreter eines Abgeordneten der sächsischen Ritterschaft gewählt und hoffte das Frühjahr nicht in Berlin, sondern großenteils in Reinfeld zu verleben. Es sollte aber anders kommen. Der Abgeordnete war behindert, der Stellvertreter mußte im April dessen Sitz im Vereinigten Landtage einnehmen und fand am 17. Mai Anlaß, mitzusprechen.

      Seine Erlebnisse bei diesem ersten Auftreten erzählte Bismarck mehrere Jahre später in folgender Weise:

      „Der Landtag hatte eine Gesetzesvorlage über Rentenbanken aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Der Abgeordnete von Saucken kam zwei Tage später darauf zurück und sagte, die Gesetzgebung komme nicht vorwärts, weil im Volke das volle Vertrauen zu der Staatsregierung fehle, welche durch Einberufung des Vereinigten Landtages die alte Verheißung von Reichsständen nicht erfüllt habe. Man solle nur an 1813 denken; damals habe das Volk sich einmütig erhoben aus Dankbarkeit für die liberale Gesetzgebung von 1807.

      „Ich sagte darauf: Ich und viele andere hätten nicht aus politischen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen gegen das Rentenbankgesetz gestimmt. Ich müsse auch dem widersprechen, daß die Volkserhebung von 1813 anderen Beweggründen zuzuschreiben wäre als dem Zorn über die Schmach, daß Fremde in unserem Lande geboten; es heiße der Nationalehre einen schlechten Dienst erweisen, wenn man annehme, daß die Mißhandlungen, die die Preußen jahrelang durch fremde Gewalthaber erlitten, nicht hingereicht hätten, ihr Blut in Wallung zu bringen und ihren Haß zu entflammen.

      „Ich wurde mehrfach durch lautes Murren unterbrochen. Zwei Redner gaben Saucken recht und sagten, ich dürfe gar nicht mitreden, weil ich 1813 noch nicht gelebt hätte.

      „Als ich wieder die Tribüne bestieg, wurde ich von Pfuirufen begrüßt. Ich kehrte der Versammlung den Rücken, zog die Spenersche Zeitung aus der Rocktasche und las ruhig, bis der Lärm aufhörte.

      „Dann sagte ich trocken: Ich kann allerdings nicht in Abrede stellen, im Jahre 1813 noch nicht gelebt zu haben. Ich habe immer aufrichtig bedauert, daß mir nicht vergönnt gewesen ist, an der damaligen Bewegung teilzunehmen; mein Bedauern ist aber vermindert worden durch die heute erhaltene nicht sehr dankenswerte Belehrung.

      „Als ich die Tribüne verließ, erneutes Toben.

      „Bald nachher äußerte zu mir beim Essen ein älterer Verwandter: ‚Du hattest ja ganz recht; aber so etwas sagt man doch nicht‘. Ich erwiderte: wenn du meiner Meinung warst, hättest du mir beistehen sollen. Nur dein eisernes Kreuz hindert mich, dir einen verletzenden Vorwurf zu machen.

      Bismarck fügte hinzu:

      „Mut auf dem Schlachtfelde ist bei uns Gemeingut; aber Sie werden nicht selten finden, daß es ganz achtbaren Leuten an Civilcourage fehlt.

      „Dieses erste Erlebnis auf parlamentarischem Boden steigerte meine natürliche Kampflust wie meinen Haß gegen die landläufigen hohlen Phrasen.“

      Die vorstehende, nach einer im Sommer 1864 gehörten Erzählung geschriebene Darstellung der Vorgänge vom 17. Mai 1847 stimmt mit dem stenographischen Sitzungsbericht im Wesentlichen überein; die kurze Erwähnung derselben in den fast dreißig Jahre später diktierten „Gedanken und Erinnerungen“ (I, S. 18) lautet etwas abweichend.

      Nach Uebernahme des Ministerpräsidiums war Bismarck inmitten einer überwältigenden Masse täglich herantretender Geschäfte fast ununterbrochen thätig in schöpferischem Erfinden und Gestalten künftiger Bildungen; auf Einzelheiten der Vergangenheit zu ruhen, lag dem immer vorwärtsdrängenden Geiste fern. So erkläre ich mir, daß trotz seines vielfach als ungewöhnlich stark bewährten Gedächtnisses bald nach 1866 in seinen Vorstellungen von vergangenen Dingen mitunter Lücken wahrzunehmen waren, deren er sich nicht bewußt zu werden schien, weil eine rastlose Phantasie ihm jederzeit Bilder zur Verfügung stellte, welche in die Lücken paßten. Einmal, im Herbst 1868, klagte er selbst über Nachlassen seines Gedächtnisses. Er hatte zufällig in Varzin viele an ihn gerichtete Briefe eines Engländers aufgefunden, dessen er sich in keiner Weise erinnern konnte.

      Ueber die Vorgänge des 17. Mai 1847 äußerte sich nach Blanckenburgs Zeugnis dessen Gutsnachbar, der damals als politischer Schriftsteller bekannte Herr von Bülow-Kummerow, in folgenden Worten:

      „Ich habe den Bismarck doch für einen gescheiten Menschen gehalten; ich begreife nicht, wie er sich so blamieren konnte!“ Blanckenburg erwiderte: „Ich finde, daß er recht hatte, und freue mich, daß er Blut geleckt hat. Sie werden nun den Löwen bald noch ganz anders brüllen hören.“

      Wirklich zeigte sich Bismarck schon in den nächsten Wochen als ein bedeutender Redner und als ein ernster Staatsmann, welcher seine der Majorität antipathischen Ueberzeugungen umsichtig vertrat.

      Der Vereinigte Landtag lehnte die ihm zugemutete Genehmigung einer Anleihe für die Ostbahn ab, weil ihm weder Einsicht in die gesamte Finanzlage gewährt noch Periodicität seiner Sitzungen zugesagt worden war. Bismarck führte neben dem Freiherrn Otto Manteuffel die Minorität, welche die Anleihe bewilligen wollte. Er vertrat zwar in keiner Weise die Ansicht vieler Märker und Pommern, daß Reichsstände ein Unglück für das Land sein würden, aber er wollte die Krone nicht drängen. In England, sagte er, sei 1688, in Frankreich 1815 das Volk in der Lage gewesen, die Krone zu verschenken und an dieses Geschenk Bedingungen zu knüpfen; in Preußen aber sei die Machtfülle des Monarchen seit Jahrhunderten unbeschränkt gewesen; und wenn die Krone manche politische Rechte zum Wohle des Landes freiwillig abgetreten habe, so dürfe man vertrauen, daß sie darin auch weiter gehen werde. …

      Ueber die Beschaffenheit unseres Rechtsbodens gingen die Ansichten weit auseinander; man möge aber die Blume des Vertrauens nicht ausreißen und wegwerfen wie ein Unkraut, welches den Rechtsboden verdecke.

      Ich darf erwähnen, daß ich, in ostpreußischen Anschauungen aufgewachsen, die mehrfach verheißene reichsständische Verfassung für eine gesunde Entwickelung unseres politischen Lebens ersehnte und daher Bismarcks Stellungnahme, bei aller Bewunderung seines Talents, tief bedauerte. Sein Anschluß an die Majorität würde – so schien es mir – deren Drängen unwiderstehlich gemacht haben. Diese Hypothese war aber ein Irrtum. Denn, wenn Bismarck es wirklich mit seiner Ueberzeugung hätte vereinigen können, sich der Majorität anzuschließen, so würden Manteuffel und die anderen Mitglieder der Minorität dem Neuling nicht gefolgt sein.

      Heute meine ich, daß die Haltung Bismarcks auf dem Vereinigten Landtage politisch nützlich gewesen ist, weil sie das besondere Vertrauen hervorgerufen hat, womit der König ihn in den folgenden Jahren, zum Heile des Landes, beehrte. Wenn СКАЧАТЬ