Название: Begegnungen mit Bismarck
Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242683
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Die kürzlich erfolgte Veröffentlichung der Briefe des Fürsten an seine Braut und Gattin erleichtert mir den Entschluß, auch mit meinen Erinnerungen an die Fürstin hervorzutreten und einen Teil des Schatzes herauszugeben, den ich in ihren schriftlichen Mitteilungen besitze. Die Briefe der edlen Frau geben Aufschlüsse über manche weniger bekannte Erlebnisse ihres Gemahls und werden viele Seelen zu herzlicher Verehrung anregen.
Charlottenburg, den 20. September 1901.
Robert von Keudell
I.
Aus Berlin und Pommern. 1846 bis 1853.
Im August 1846 sah ich zum ersten Mal Herrn von Bismarck-Schönhausen.
Fräulein von Puttkamer-Reinfeld, welche sich im folgenden Jahre mit ihm vermählte, hatte bei kurzem Aufenthalt in Berlin mich schriftlich eingeladen, ihr und einigen Freunden im Saale des damals berühmten Klavierbauers Kisting um 5 Uhr nachmittags etwas vorzuspielen.
An der Fensterwand standen ein Sofa und einige Stühle, quer davor der Flügel, so nahe, daß ich während des Spielens die Zuhörer genau sehen konnte.
Rechts neben mir, am ersten Fenster, saß Fräulein von Puttkamer, auf dem Sofa Herr von Blanckenburg, der später als ein Führer der Konservativen im Landtage hervortreten sollte. Er begrüßte mich als alten Bekannten, da wir früher einmal in der Schweiz zusammengetroffen waren. Neben ihm auf dem Sofa saß seine junge, auffallend schöne Frau und neben dieser am zweiten Fenster auf einem Sessel, in hellem Tageslichte, Herr von Bismarck, welcher gewöhnlich die Unterhaltung führte. Seine weiche Sprechstimme in Baritonlage war meinem Ohre wohlthuend. Kurz geschorene blonde Haare und ein kurzer Vollbart umrahmten das freundliche Gesicht; unter buschigen Brauen sehr hervortretende, hellstrahlende Augen. Er sah jugendlich aus, hatte aber das Wesen eines vollkommen gereiften Mannes.
Nach einleitenden Stücken spielte ich auf Verlangen von Fräulein von Puttkamer etwas von Beethoven. Bismarck erwähnte, daß er als Student lange mit einem Kurländer, Grafen Alexander Keyserling, zusammengewohnt und von diesem oft beethovensche Musik gehört habe, welche ihm besonders zusage. Darauf spielte ich eine lange Sonate (f-Moll) und sah bei deren leidenschaftlich erregtem letztem Stück eine Thräne in Bismarcks Auge glänzen.
Eine besondere Erinnerung mochte ihn bewegen; denn niemals habe ich später wahrgenommen, daß Musik so stark auf ihn wirke.
Als Minister hat er einmal nach demselben Stücke gesagt: „Das ist wie das Ringen und Schluchzen eines ganzen Menschenlebens“; damals aber sagte er nichts. Ich spielte noch ein ruhiges Stück und setzte mich dann zu den andern.
Zufällig sprach man von dem unerbittlichen deutschen Ehrgefühl. Bismarck erzählte von einem hochbegabten Göttinger Studenten, der abends beim Wein wettete, er würde auf seiner edlen Rappstute in einem Bach bis an das sich drehende Mühlrad galoppieren und über das Rad hinunterspringen.
„Vergebens bemühten wir uns am folgenden Tage, ihm die Ausführung dieser unsinnigen Wette auszureden. Er glaubte seine Ehre verpfändet. Viele Freunde waren an der Mühle versammelt. Das schöne Pferd kam im Mühlbach ruhig galoppierend an das schäumende Rad heran. Ohne zu stutzen, trug es den Reiter auf das Rad und in die Tiefe; aber beide standen nicht wieder auf.“
Nach einer kleinen Pause nahm Frau von Blanckenburg mit anmutiger Freundlichkeit das Wort, um mir von heiteren musikalischen Erlebnissen der letzten Tage zu erzählen. Die Anwesenden hatten zusammen mit mehreren sangeskundigen Damen und Herren der Familien von Mittelstädt und Wangemann soeben eine mehrtägige Reise durch den Harz gemacht und aus manchen schönen Punkten waren vierstimmige Lieder gesungen worden.
Als man aufbrach, um im Gasthaus das Abendessen zu nehmen, fragte mich Herr von Bismarck: „Werden Sie sich uns jetzt anschließen?“ Ich war leider verhindert.
Fräulein von Puttkamer-Reinfeld hatte ich ein Jahr früher in Pommern kennengelernt. Sie war befreundet mit Anna von Blumenthal-Quackenburg, deren Mutter, eine Schwester meiner Mutter, als Witwe in dem pommerschen Städtchen Stolp lebte. Ich hatte einige Jahre in Berlin studiert und war dann beim dortigen Stadtgericht eingetreten. Auf einer Ferienreise aus meiner ostpreußischen Heimat nach Berlin zurückkehrend, besuchte ich meine Tante und fand in deren Hause Fräulein Johanna von Puttkamer, eine junge Dame, welche von Verwandten und Freundinnen sozusagen vergöttert wurde.
Als einziges Kind gottesfürchtiger Eltern hatte sie eine sehr sorgfältige Erziehung erhalten. Sie stand im dreizehnten Lebensjahre, als einmal im Reinfelder Wohnhause Feuer ausbrach. Da bewies sie mehr Geistesgegenwart als alle andern Hausbewohner und rettete mit eigener Hand die wertvollsten Gegenstände. Das wurde in der ganzen Umgegend bekannt. Heranwachsend gewann sie die Herzen durch anmutige Bescheidenheit bei tapferem Freimut.
Ihre Gesichtszüge waren nicht regelmäßig schön, aber durch sprechende blaue Augen eigentümlich belebt und von tiefschwarzem Haar umschattet.
Für Musik hatte sie eine besondere Begabung. Ohne guten Unterricht genossen zu haben, spielte sie viele Klavierstücke auswendig und namentlich volkstümliche Melodien mit natürlichem Ausdruck.
Ungewöhnlich war ihre musikalische Empfänglichkeit. Triviales wie Schwülstiges schroff abweisend, wurde sie von warm empfundener Musik lebhaft ergriffen und nie ermüdet. Da es in ihrer ländlichen Abgeschiedenheit an neuen Musikstücken fehlte, übernahm ich gern, aus einer Berliner Bibliothek regelmäßig ihren Bedarf zu beschaffen.
Bald darauf kam sie einmal mit ihrer Mutter nach Berlin und besuchte meine Mutter, bei der ich wohnte. Dann führte ich die Damen zu Kisting und ließ sie dessen besten Flügel hören. Im folgenden Sommer machte Fräulein von Puttkamer mich in der erwähnten Weise mit ihren Freunden bekannt. Meine regelmäßigen Sendungen von Musikheften dauerten fort, bis sie im Juli 1847 das Elternhaus verließ. Im Januar hatte sie sich verlobt.
Zwanzig Jahre später sprach Bismarck einmal über den Eindruck, den seine Erscheinung auf die Damen der Nachbarschaft von Reinfeld gemacht hätte, denen er plötzlich als „Johannas Verlobter“ vorgestellt wurde.
„Die vielen Cousinen,“ sagte er, „nahmen es sehr übel, daß sie vorher gar nichts von der Sache erfahren hatten, und fixierten ihre Meinung bald übereinstimmend dahin: ‚Ja, haben möchten wir ihn nicht, aber er ist ja sehr vornehm‘. Nun ist doch ein pommerscher Gutsbesitzer nicht vornehmer wie der andere; aber man hatte gehört, daß ich öfters am Hofe gewesen war, und das gab mir in dem abgelegenen Ländchen ein Relief.“
Diese Worte ergänzten eine Nachricht, die ich bald nach der Verlobung erhalten hatte.
Die Cousinen und Freundinnen der Braut waren in ernster Sorge wegen ihrer bevorstehenden Verbindung mit einem Manne, der seit Jahren in Pommern der „tolle Bismarck“ genannt wurde. Man hatte gehört, „seine Verhältnisse wären sehr verwickelt und er wohl nicht ganz der Mann, sie in Ordnung zu bringen, viel unterwegs und viel mit andern Dingen als mit seiner Wirtschaft beschäftigt.“ Wer man fand einen Trost darin, daß seine Persönlichkeit den Eindruck ungewöhnlich vornehmer Gesinnung machte.
* * *
Bald nach dieser Verlobung erschien das königliche Patent, durch welches die Stände der einzelnen Provinzen Preußens zu einem „Vereinigten Landtage“ einberufen wurden.
König Friedrich Wilhelm III. hatte in verschiedenen СКАЧАТЬ