Das Zeitalter der Extreme. Eric Hobsbawm
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Название: Das Zeitalter der Extreme

Автор: Eric Hobsbawm

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806239669

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СКАЧАТЬ Bauern immer und überall Bastionen des politischen Konservatismus bildeten. Nur, fatalerweise konnten sie die demokratischen Sozialisten daran hindern und in Sowjetrußland sogar dazu nötigen, die Wahldemokratie abzuschaffen. Aus diesem Grund haben die Bolschewiken, nachdem sie selbst eine verfassunggebende Versammlung gefordert hatten (eine Revolutionstradition seit 1789), diese auch sofort wieder aufgelöst, als sie ein paar Wochen nach dem Oktober zum erstenmal zusammentrat. Auch die Gründung neuer kleiner Nationalstaaten entlang den Wilson-Grenzen verringerte den Wirkungskreis der bolschewistischen Revolution, wenn auch keinesfalls die Nationalitätenkonflikte in den Zonen der Revolution. Und genau das war auch die Intention der alliierten Friedensmacher gewesen.

      Dennoch hatte die Russische Revolution einen derart offenkundigen Einfluß auf die europäischen Aufstände der Jahre 1918–19, daß Moskau kaum mehr fürchten mußte, die Aussichten für eine Ausbreitung der Revolution des Weltproletariats stünden schlecht. Für den Historiker – wie sogar für einige der damaligen Revolutionäre – schien das deutsche Kaiserreich ein Staat mit beträchtlicher sozialer und politischer Stabilität und einer starken, aber moderaten Arbeiterbewegung gewesen zu sein, der mit Sicherheit nichts Derartiges wie eine bewaffnete Revolution hervorgebracht hätte, wenn da nicht der Krieg gewesen wäre. Im Gegensatz zum zaristischen Rußland oder dem hinfälligen Österreich-Ungarn, im Gegensatz auch zum sprichwörtlich »kranken Mann von Europa«, dem Osmanischen Reich, oder zu den waffenstarrenden Bewohnern der südöstlichen Berge des Kontinents, die zu allem fähig waren, war dies kein Land, in dem ein Aufstand zu erwarten war. Und tatsächlich blieb ein Großteil der Revolutionssoldaten, Matrosen und Arbeiter – verglichen mit den wirklichen Revolutionsbedingungen im besiegten Rußland und in Österreich-Ungarn – genauso moderat und gesetzestreu, wie es ihnen die russischen Revolutionäre in ihren Witzen schon immer unterstellt hatten. (»Wo es Schilder gibt, die der Öffentlichkeit verbieten, den Rasen zu betreten, werden natürlich auch deutsche Revolutionäre nur auf geebneten Wegen gehen.«)

      Und doch war dies ein Land, durch das die Revolutionsmatrosen das Rätebanner trugen; wo die Exekutive eines Berliner Arbeiter- und Soldatenrats eine sozialistische Regierung ernannte; und wo Februar und Oktober auf den gleichen Monat zu fallen schienen, da die effektive Macht in der Hauptstadt schon in den Händen der radikalen Sozialisten gewesen zu sein schien, als der Kaiser abgedankt hatte. Doch das Ganze war nur eine Illusion, die sich ausschließlich der totalen (wenn auch nur zeitweiligen) Lähmung der alten Armee, des Staates und seiner Machtstrukturen und dem zweifachen Schock von totaler Niederlage und Revolution verdankte. Nach wenigen Tagen saß das republikanisierte alte Regime wieder im Sattel und konnte von den Sozialisten, die bei den ersten freien Wahlen nicht einmal mehr eine Mehrheit erringen konnten (obwohl sie nur wenige Wochen nach der Revolution stattfanden), nie mehr ernsthaft gefährdet werden.8 Aber auch die Sozialisten selbst waren von der erst jüngst aus dem Stegreif gegründeten Kommunistischen Partei nicht gefährdet, deren Führer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg schon bald von Freikorpsoffizieren ermordet werden sollten.

      Trotzdem: Die deutsche Revolution von 1918 nährte die Hoffnungen der russischen Bolschewiken; und das um so mehr, als in Bayern 1918 tatsächlich eine kurzlebige sozialistische Republik und, im Frühling 1919, nach der Ermordung ihres Führers für kurze Zeit eine Räterepublik in München – Hauptstadt der deutschen Kunst, der intellektuellen Gegenkultur und, weniger politisch subversiv, des Biers – ausgerufen wurde. Sie überlappte sich mit einem anderen und schwerer wiegenden Versuch, den Bolschewismus im Westen zu etablieren: mit der ungarischen Räterepublik vom März bis Juli 1919.9 Beide wurden natürlich mit zu erwartender Brutalität niedergeschlagen. Hinzu kam, daß sich die deutschen Arbeiter aus Enttäuschung über die Sozialdemokraten schnell radikalisierten und in großer Zahl den Unabhängigen Sozialisten und nach 1920 auch der Kommunistischen Partei zuwandten, welche daraufhin zur stärksten Partei ihrer Art außerhalb von Sowjetrußland wurde. Wäre daher nicht auch eine deutsche Oktoberrevolution denkbar gewesen? Obwohl das Jahr 1919, Gipfel der sozialen Unruhen im Westen, die einzigen Versuche zu Fall gebracht hatte, die bolschewistische Revolution auszuweiten, und obwohl die Revolutionswelle 1920 schnell und deutlich abflaute, gab die bolschewistische Führung in Moskau ihre Hoffnung auf eine deutsche Revolution bis spät ins Jahr 1923 nicht auf.

      Ganz im Gegenteil. Es war 1920, als die Bolschewisten, so scheint es in der Rückschau, einen schweren Irrtum begingen: Sie sorgten für eine permanente Spaltung der internationalen Arbeiterbewegung, indem sie ihre neue internationale kommunistische Bewegung nach den Mustern der leninistischen Vorhutpartei strukturierten, als einer Elite von hauptamtlichen »Berufsrevolutionären«. Der Oktoberrevolution galten, wie wir wissen, große Sympathien unter den internationalen sozialistischen Bewegungen, die alle radikalisiert und enorm gestärkt aus dem Weltkrieg hervorgegangen waren. Mit nur wenigen Ausnahmen gab es in den sozialistischen Parteien und Arbeiterorganisationen viele, die wünschten, der neuen beziehungsweise Dritten Kommunistischen Internationale beizutreten, die von den Bolschewiken als Ersatz für die Zweite Internationale (1889–1914) ins Leben gerufen worden war, weil diese dem Weltkrieg keinen Widerstand entgegengestellt hatte und nun diskreditiert und gespalten war.10 In der Tat stimmten denn auch viele Parteien für den Beitritt (unter anderem die sozialistischen Parteien von Frankreich, Italien, Österreich und Norwegen und die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) und verwiesen die noch nicht wieder reorganisierten Gegner des Bolschewismus damit in den Rang einer Minderheit. Doch Lenin und die Bolschewiken wollten keine internationale Bewegung sozialistischer Sympathisanten der Oktoberrevolution, sondern ein Korps absolut engagierter und disziplinierter Aktivisten, eine Art globale Eingreiftruppe für die Eroberungszüge der Revolution. Parteien, die nicht willens waren, die leninistische Struktur zu übernehmen, wurde die Aufnahme in die neue Internationale verweigert, oder sie wurden als Mitglieder ausgeschlossen. Derartige fünfte Kolonnen des Opportunismus und Reformismus, ganz zu schweigen von den Vertretern des »parlamentarischen Schwachsinns«, wie Marx es einmal genannt hatte, würden die Internationale nur schwächen. Im unmittelbar bevorstehenden Kampf gab es nur Platz für Soldaten.

      Diese Argumentation hätte nur unter einer Bedingung Sinn gemacht: wenn die Weltrevolution noch auf dem Vormarsch gewesen wäre und ihre Schlachten tatsächlich unmittelbar bevorgestanden hätten. Doch obwohl die europäische Lage noch weit von einer Stabilisierung entfernt war, war es 1920 bereits klar, daß eine bolschewistische Revolution nicht auf der Agenda des Westens stand. Aber ebenso klar war, daß sich die Bolschewiken in Rußland auf Dauer etabliert hatten. Als die Internationale zusammentrat, schien es zweifellos noch eine Chance zu geben, daß die Rote Armee – siegreich im Bürgerkrieg und gerade im Ansturm auf Warschau – die Revolution als Nebenprodukt eines kurzen russisch-polnischen Krieges (ausgelöst durch die territorialen Ambitionen Polens, das nach eineinhalb Jahrhunderten der Nichtexistenz wieder zum Staat geworden war und nun die Wiederherstellung seiner Grenzen aus dem 18. Jahrhundert forderte) mit Waffengewalt in den Westen vorantreiben könnte. Der sowjetische Vormarsch (dem von Isaak Babel mit Reiterarmee ein wunderbares literarisches Denkmal gesetzt worden ist) wurde von so ungewöhnlich unterschiedlichen Zeitgenossen begrüßt wie dem österreichischen Schriftsteller Joseph Roth (dem späteren Elegiker der Habsburger) und Mustafa Kemal (dem späteren Führer der modernen Türkei). Doch die polnischen Arbeiter erhoben sich nicht, und die Rote Armee wurde vor den Toren Warschaus zurückgeschlagen. Von da ab war es ruhig an der russischen Westfront, was auch immer der Anschein gewesen sein mag. Das wußte auch die Revolution und wandte ihre revolutionären Perspektiven Asien zu, dem Lenin schon immer besondere Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Von 1920 bis 1927 schienen sich denn auch alle weltrevolutionären Hoffnungen auf die chinesische Revolution zu richten, die unter der Kuomintang, damals Nationale Befreiungspartei, auf dem Vormarsch war und deren Führer Sun Yat-sen (1866–1925) sowohl das sowjetische Modell als auch die sowjetische Militärhilfe und die neue Kommunistische Partei Chinas als Teil seiner Bewegung begrüßte. Das Bündnis von Kuomintang und Kommunisten marschierte nach der großen Offensive 1925–27 rasch von seinen Stützpunkten in Südchina nach Norden und konnte zum erstenmal seit dem Sturz des Kaisertums im Jahr 1911 einen Großteil von China wieder unter die Kontrolle einer einzigen Regierung bringen, bevor Tschiang Kai-schek, höchster Kuomintang-General, sich von den Kommunisten abwandte und begann, sie abzuschlachten. Doch bereits vor diesem Beweis, daß selbst der Osten noch nicht für eine СКАЧАТЬ