Das Zeitalter der Extreme. Eric Hobsbawm
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Читать онлайн книгу Das Zeitalter der Extreme - Eric Hobsbawm страница 28

Название: Das Zeitalter der Extreme

Автор: Eric Hobsbawm

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806239669

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СКАЧАТЬ Kern einer Armee von Millionen und waren das, was die Bolschewiken im Februar 1917 waren: potentielle Herrscher über ein Volk und einen Staat.

      Für diese Generation – vor allem für jene, die trotz ihrer Jugend schon jahrelangen Aufstand erlebt hatten – gehörte Revolution zu ihrer Lebensgeschichte; für sie waren die Tage des Kapitalismus unweigerlich gezählt und war das gesamte Zeitgeschehen nur ein Vorspiel für den endgültigen Sieg, auch wenn ihn viele Revolutionssoldaten nicht mehr erleben würden (»die Toten auf Urlaub« nannte sie der russische Kommunist Leviné, kurz bevor ihn jene, die für den Sturz der Münchener Räte von 1919 verantwortlich waren, exekutierten). Wenn die bürgerliche Gesellschaft selbst soviel Anlaß hatte, an ihrer Zukunft zu zweifeln, weshalb sollten diese Soldaten dann noch an ihr Überleben glauben? Ihr eigenes Leben war der Beweis dafür.

      Nehmen wir das Schicksal zweier junger Deutscher, für kurze Zeit ein Liebespaar, dessen ganzes Leben durch die bayerische Räterevolution 1919 dann aber völlig verändert wurde: Olga Benario, die Tochter eines wohlhabenden Münchener Rechtsanwalts, und der Lehrer Otto Braun. Olga sollte schließlich für die Revolution in der westlichen Hemisphäre arbeiten, gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann Luis Carlos Prestes, einem aus dem Militär stammenden Rebellen, der Moskau davon überzeugen konnte, 1935 einen Aufstand in Brasilien zu unterstützen. Der Aufstand wurde niedergeschlagen und Olga von der brasilianischen Regierung an Hitlers Deutschland ausgeliefert, wo sie später in einem Konzentrationslager starb. Inzwischen hatte der erfolgreichere Otto begonnen, in China als Militärexperte der Komintern den Osten zu revolutionieren. Wie sich herausstellen sollte, war er der einzige Nichtchinese, der am berühmten »Langen Marsch« der chinesischen Kommunisten teilgenommen hatte, bevor er wieder nach Moskau und später in die DDR zurückkehrte. (Diese Erfahrung sollte in ihm tiefe Zweifel an Mao hinterlassen.) Wann, außer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hätten zwei ineinander verwobene Leben solche Formen annehmen können?

      Für die Generation nach 1917 hatte der Bolschewismus alle anderen Sozialrevolutionären Traditionen absorbiert, oder er hatte sie an den Rand der Politik gedrängt. Vor 1914 war Anarchismus unter den revolutionären Aktivisten in weiten Teilen der Welt eine weitaus stärker motivierende Ideologie gewesen, als es der Marxismus war. Und außerhalb von Osteuropa war Marx eher als Guru von Massenparteien angesehen worden, deren unausweichlichen, wenngleich nicht unmittelbar bevorstehenden Sieg er wissenschaftlich bewiesen hatte. Aber in den dreißiger Jahren hatte der Anarchismus überall, außer in Spanien, seine Bedeutung als signifikante politische Kraft verloren, sogar in Lateinamerika, wo die schwarz-rote Fahne traditionell viel mehr Kämpfer zu inspirieren vermochte als die rote. (Sogar in Spanien sollte der Bürgerkrieg den Anarchismus schließlich zerstören, während er den bis dahin unbedeutenden Kommunisten den politischen Aufstieg ermöglichte.) Ja, sogar für alle nicht moskautreuen sozialrevolutionären Gruppen blieben Lenin und die Oktoberrevolution der konstante Bezugspunkt, obwohl sich Moskau auf immer brutalere Hexenjagd auf Ketzer begab und Stalin seinen Griff um die sowjetische Kommunistische Partei und die Internationale immer härter werden ließ. Beinahe unterschiedslos wurden solche Gruppen von Komintern-Dissidenten oder Ausgeschlossenen geleitet oder zumindest intellektuell geprägt. Doch nur wenige dieser bolschewistischen Dissidentenzentren konnten sich auch als politische Parteien etablieren. Nicht einmal der bei weitem angesehenste und berühmteste Ketzer, der exilierte Leo Trotzki – einer der Führer der Oktoberrevolution und der Architekt der Roten Armee –, dessen praktische Bemühungen alle fehlschlugen. Seine »Vierte Internationale«, die dazu ausersehen war, gegen die stalinisierte Dritte Internationale anzutreten, blieb vollkommen unsichtbar. Als er auf Stalins Befehl 1940 in seinem mexikanischen Exil ermordet wurde, war er politisch bedeutungslos geworden.

      Kurzum, Sozialrevolutionär zu sein hieß immer mehr, Anhänger von Lenin und der Oktoberrevolution und Mitglied oder Vertreter einer der moskauorientierten kommunistischen Parteien zu sein; und das um so mehr, als diese Parteien nach dem Sieg Hitlers in Deutschland die Politik der antifaschistischen Einheit zu der ihren gemacht hatten, was ihnen ermöglichte, aus der sektiererischen Isolation herauszutreten und Massenunterstützung unter Arbeitern und Intellektuellen zu gewinnen (siehe Fünftes Kapitel). Die Jungen unter ihnen, die danach dürsteten, den Kapitalismus zu stürzen, wurden zu orthodoxen Kommunisten und identifizierten ihre Sache mit der moskauzentrierten internationalen Bewegung. Und der Marxismus, der aus der Oktoberrevolution als Ideologie der revolutionären Wende wiedererstanden war, wurde nun vom Moskauer Marx-Engels-Lenin-Institut propagiert, das zur Zentrale für die weltweite Verbreitung der großen klassischen Texte geworden war. Niemand sonst wollte oder schien besser in der Lage zu sein, die Welt nicht nur zu interpretieren, sondern auch zu verändern. Und so sollte es bis nach 1956 bleiben, als der Zerfall der stalinistischen Orthodoxie der Sowjetunion und der moskauorientierten internationalen kommunistischen Bewegung bis dahin marginalisierte Denker, Traditionen und Organisationen linker Heterodoxie zum Vorschein brachte. Doch bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie im gigantischen Schatten der Oktoberrevolution gestanden. Wer auch nur die geringste Ahnung von Ideologiegeschichte hatte, erkannte, daß die radikale Studentenbewegung von 1968 sehr viel mehr vom Geiste Bakunins oder sogar Netschajews umweht war als vom Geiste Marx’. Dennoch kam es zu keiner bedeutenden Wiederbelebung von anarchistischen Theorien oder Bewegungen. Im Gegenteil: Das Jahr 1968 brachte eine enorme Popularität des theoretischen Marxismus unter den Intellektuellen (zumeist in Versionen, die Marx überrascht hätten) und eine ganze Anzahl von unterschiedlichen »marxistisch-leninistischen« Sekten und Gruppen hervor, vereint durch die Zurückweisung von Moskau und den alten kommunistischen Parteien als nichtrevolutionär und nichtleninistisch.

      Paradoxerweise fand diese nahezu vollständige Rückkehr zu sozialrevolutionären Traditionen in just dem Moment statt, als sich die Komintern von den revolutionären Strategien der Jahre 1917–23 abgewandt und sich völlig anderen machtpolitischen Strategien verschrieben hatte als 1917 (siehe Fünftes Kapitel). Ab 1935 war die Literatur der kritischen Linken plötzlich gespickt mit Anschuldigungen gegen die von Moskau gelenkten Bewegungen, daß sie die Chancen zu einer Revolution verpaßt, verhindert, ja sogar verraten hätten. Doch bis die stolze »monolithische« sowjetzentrierte Bewegung im Innern endgültig zu bröckeln begann, sollten diese Argumente nur wenig Wirkung zeigen. Solange die kommunistische Bewegung ihre Einheit, Kohäsion und faszinierende Immunität gegenüber Spaltungen bewahren konnte, blieb sie für die meisten, die an die Notwendigkeit einer Weltrevolution glaubten, der einzige Joker im Spiel. Und wer hätte überdies bestreiten können, daß die Staaten, die während der zweiten großen Welle der sozialen Weltrevolution in den Jahren 1944–1949 mit dem Kapitalismus brechen sollten, unter den Auspizien der orthodoxen, sowjetisch orientierten kommunistischen Parteien standen? Erst nach 1956 hatten die revolutionären Denker eine wirkliche Wahl zwischen verschiedenen Bewegungen, von denen wenigstens einige auch politische oder revolutionäre Effizienz für sich in Anspruch nehmen konnten. Sogar die verschiedenen trotzkistischen, maoistischen oder von der kubanischen Revolution beeinflußten Gruppen leiteten sich im wesentlichen noch immer vom Leninismus ab (siehe Fünfzehntes Kapitel). Die alten kommunistischen Parteien waren noch immer die größte Gruppe auf der extrem linken Seite, aber der Herzschlag der alten kommunistischen Bewegung war zu dieser Zeit schon sehr schwach geworden.

      5

      Die Macht der weltrevolutionären Bewegungen beruhte auf der kommunistischen Organisationsform nach Lenins »neuem Parteitypus«, einer gewaltigen Innovation für die Gesellschaftskonstruktion des 20. Jahrhunderts, vergleichbar nur mit der Begründung der christlichen Klosterkultur und anderer Orden des Mittelalters. Selbst kleine Organisationen konnten dadurch unverhältnismäßig starke Wirkungskraft entfalten, denn mehr noch als militärische Disziplin und Zusammenhalt gelang es der »Partei«, von ihren Mitgliedern ein außerordentliches Maß an Hingabe und Selbstaufopferung und die vollständige Konzentration auf die unbedingte Ausführung aller Parteibeschlüsse einzufordern. Sogar gegnerische Beobachter waren davon tief beeindruckt. Und doch war die Beziehung zwischen dem Modell der »Parteiavantgarde« СКАЧАТЬ