Das Zeitalter der Extreme. Eric Hobsbawm
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Название: Das Zeitalter der Extreme

Автор: Eric Hobsbawm

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806239669

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      1921 war es unleugbar geworden. Die Revolution befand sich auf dem Rückzug in Sowjetrußland, obwohl die Macht der Bolschewiken unangefochten war. Sie war aus der Agenda des Westens verschwunden. Die Komintern erkannte dies, wenngleich ohne es recht zuzugeben. Auf ihrem Dritten Kongreß rief sie zu einer »Einheitsfront« mit genau den Sozialisten auf, die sie auf ihrem Zweiten Kongreß aus der Armee des Revolutionsprozesses ausgeschlossen hatte. Dies bedeutete dann effektiv die Spaltung der Revolutionäre für ganze Generationen. Aber es war sowieso schon zu spät gewesen. Die Bewegung war bereits auf Dauer gespalten, und die Mehrheit der linken Sozialisten, Individuen wie Parteien, hatte sich wieder der sozialdemokratischen Bewegung zugewandt, die fast immer von moderaten Antikommunisten geleitet wurde. Die neuen kommunistischen Parteien blieben als Minderheiten der europäischen Linken zurück und sollten auch künftig mehr oder weniger kleine, wenn auch leidenschaftliche Minderheiten bleiben – mit wenigen Ausnahmen, wie in Deutschland, Frankreich oder Finnland. Und diese Situation sollte sich auch bis in die dreißiger Jahre nicht mehr ändern (siehe Fünftes Kapitel).

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      Die Jahre des Aufstands ließen ein riesiges rückständiges Land zurück, das nun von Kommunisten regiert wurde und sich dem Aufbau einer zum Kapitalismus alternativen Gesellschaft verpflichtet hatte. Aber sie hinterließen auch eine Regierung, eine disziplinierte internationale Bewegung und, vielleicht von ebenso großer Bedeutung, eine Generation von Revolutionären, die sich der Vision einer Weltrevolution unter jener Fahne verschrieben hatten, die im Oktober gehißt worden war; und alle standen sie unter der Führung jener Bewegung, die ihr Hauptquartier ganz eindeutig in Moskau hatte. (Mehrere Jahre lang hatte man gehofft, es bald nach Berlin verlegen zu können; und Deutsch, nicht Russisch, war die offizielle Sprache der Internationale zwischen den Kriegen.) Die Bewegung wußte wahrscheinlich selbst nicht so recht, wie die Weltrevolution vorangetrieben werden könnte, nachdem sich Europa stabilisiert hatte und Asien geschlagen geben mußte. Versuche in dem einen oder anderen Land, bewaffnete kommunistische Aufstände zu organisieren, führten zu Desastern (Bulgarien und Deutschland 1923, Indonesien 1926, China 1927 und – erst spät und völlig regelwidrig – Brasilien 1935). Doch die große Wirtschaftskrise und der Aufstieg Hitlers sollten bald schon zeigen, daß die Weltlage zwischen den Kriegen kaum dazu geeignet war, apokalyptische Befürchtungen zu beruhigen (siehe Drittes bis Fünftes Kapitel). Nur, das allein erklärt noch nicht die plötzliche Kehrtwende der Komintern in den Jahren zwischen 1928 und 1934 zu einer ultrarevolutionären und linkssektiererischen Rhetorik. Denn die Bewegung hatte sich seit 1923 in der Praxis nie ernsthaft darauf vorbereitet, irgendwo auf der Welt, außer etwa in China, die Macht zu übernehmen. Dieser Wandel, der sich als politisch verhängnisvoll erweisen sollte, läßt sich eher durch die interne Politik der sowjetischen Kommunistischen Partei erklären, nachdem Stalin die Kontrolle übernommen hatte. Vielleicht war es aber auch ein Kompensationsversuch für die immer wahrnehmbareren Interessendivergenzen der Sowjetunion: einerseits als Staat, der unvermeidlich mit anderen Staaten koexistieren mußte – seit 1920 begann das Regime11 zunehmend internationale Anerkennung zu gewinnen –, andererseits als Bewegung, deren Ziel es war, subversiv auf alle anderen Regierungen einzuwirken und sie zu stürzen. Am Ende überwogen die Staatsinteressen der Sowjetunion die weltrevolutionären Interessen der Kommunistischen Internationale, die von Stalin zu einem Instrument der sowjetischen Staatspolitik unter strikter Kontrolle der sowjetischen Kommunistischen Partei reduziert worden war und in deren Reihen er Säuberungen, Ausschlüsse und Reformen vornahm, wie es ihm gerade beliebte. Die Weltrevolution war nur noch Rhetorik. Eine Revolution wurde denn auch tatsächlich nur dann geduldet, wenn sie (a) nicht dem Staatsinteresse der Sowjetunion entgegenstand und wenn sie (b) unter direkte sowjetische Kontrolle gebracht werden konnte. Westliche Regierungen, die den Vormarsch kommunistischer Regime nach 1944 im wesentlichen als Ausdehnung der sowjetischen Macht ansahen, deuteten damit Stalins Intentionen gewiß richtig. Das taten auch die nicht neugebildeten revolutionären Regierungen, die Moskau bittere Vorwürfe machten, daß es eine Machtergreifung der Kommunisten nicht wollte und jeden Versuch in dieser Richtung entmutigte, sogar jene, die sich, wie in Jugoslawien und China, als erfolgreich erwiesen.

      Dennoch war Sowjetrußland bis zu seinem Ende sogar in den Augen vieler Mitglieder seiner eigenen korrupten und selbstbereichernden Nomenklatura mehr als nur eine Großmacht geblieben. Die weltweite Emanzipation und der Aufbau einer Alternative zur kapitalistischen Gesellschaft waren immerhin seine fundamentale Existenzgrundlage. Aus welchem anderen Grund hätten die sturen Moskauer Bürokraten die Guerilla des mit den Kommunisten verbündeten Afrikanischen Nationalkongresses immer weiter finanzieren und hochrüsten sollen, wo doch deren Chancen, das Apartheidsystem in Südafrika zu stürzen, jahrzehntelang so gering schienen und dies auch waren? (Merkwürdigerweise gibt es keinen Nachweis für eine vergleichbare Unterstützung von Befreiungsbewegungen der Dritten Welt durch das kommunistische Regime Chinas, obwohl es die Sowjetunion nach dem Bruch zwischen beiden Ländern heftigst beschuldigt hatte, die revolutionäre Bewegung zu verraten.) Die Sowjetunion hatte schon längst begriffen, daß die Menschheit nicht durch eine von Moskau gelenkte Revolution transformiert werden konnte. In der langen Dämmerung der Breschnew-Jahre schwand selbst Nikita Chruschtschows lang gehegte Überzeugung dahin, daß der Sozialismus den Kapitalismus allein schon durch seine ökonomische Überlegenheit »begraben« würde. Gut möglich, daß die endgültige Zerstörung dieses Glaubens an die universelle Berufung des Systems eine Erklärung dafür ist, weshalb es sich am Ende ohne jeden Widerstand auflösen konnte (siehe Sechzehntes Kapitel).

      Die erste Generation, die noch vom strahlenden Licht der Oktoberrevolution inspiriert war, ihr Leben der Weltrevolution zu weihen, war nicht von derartigen Zweifeln geplagt. Wie die frühen Christen hatten auch die meisten Sozialisten vor 1914 an die große apokalyptische Wende geglaubt, die alles Übel vernichten und eine Gesellschaft hervorbringen würde, in der es keine Sorgen, Unterdrückung, Ungleichheit und Ungerechtigkeit geben würde. Der Marxismus hatte der Hoffnung des Jahrtausends die Garantie durch die Wissenschaft und die historische Unvermeidlichkeit hinzugefügt; die Oktoberrevolution hatte den Beweis geliefert, daß der große Wandel begonnen hatte.

      Die Anzahl der Soldaten jener notwendigerweise skrupellosen und disziplinierten Armee zur Emanzipation der Menschheit belief sich auf nur wenige zehntausend; die internationalen Berufsrevolutionäre, die ihre Länder öfter als ihre Schuhe wechselten, wie Bertolt Brecht in einem Gedicht schrieb, zählten insgesamt nicht mehr als ein paar hundert – nicht zu verwechseln mit dem »kommunistischen Volk«, wie Italiener es zu der Zeit nannten, in der ihre Kommunistische Partei Millionen von Mitgliedern und Sympathisanten hatte, die in Reih und Glied bereitstanden, um ihren höchst realen Traum von einer neuen und guten Gesellschaft zu verwirklichen (wenn sie auch in der Praxis nichts weiter als den täglichen Aktivismus der alten sozialistischen Bewegung betrieben, die eher klassen- und gemeinschaftsorientiert war, denn als persönliche Hingabe zu honorieren). Doch trotz ihrer geringen Zahl kann das 20. Jahrhundert ohne den Beitrag dieser Berufsrevolutionäre nicht erklärt werden. Ohne diesen leninistischen »neuen Parteitypus«, dessen Kader die Soldaten der Emanzipationsarmee waren, wäre kaum begreiflich, weshalb sich knapp dreißig Jahre nach der Oktoberrevolution ein Drittel der Menschheit unter kommunistischer Herrschaft befand. Der Glaube an das – und die unbedingte Loyalität gegenüber dem – Hauptquartier der Weltrevolution in Moskau gab den Kommunisten die Möglichkeit, sich selbst (soziologisch gesehen) als Teil der Weltkirche und nicht als eine Sekte zu betrachten. Moskauorientierte kommunistische Parteien haben durch Sezessionen und Säuberungen zwar immer wieder Führungsfiguren verloren, doch bis der Herzschlag der Bewegung nach 1956 schwächer zu werden begann, waren sie von Spaltungen verschont geblieben – ganz anders als die Splittergruppen der marxistischen Dissidenten, die Trotzki nachfolgten, und die noch mehr zerfaserten »marxistisch-leninistischen« Konventikel des Maoismus seit den sechziger Jahren. Wie gering ihre Zahl letztlich auch gewesen sein mag (1943, nach Mussolinis Sturz in Italien, bestand die Kommunistische Partei Italiens СКАЧАТЬ