Название: Neun ungewöhnliche Krimis Juni 2019
Автор: Pete Hackett
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745210118
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„Eine mürrische Alte, die wohl die Küche unter ihrer Fuchtel hat, bestätigte, dass gestern allerlei Waren für den Grafen angeliefert wurden. Nach ihrer Beschreibung war der Lieferant tatsächlich unser Bernhard. Aber er ist nach dem Ausladen gleich wieder abgezogen, hat kein Gespräch weiter mit der Alten geführt und sich danach auch nicht mehr sehen lassen.“
„Dann kann er nur aus einem Versteck heraus weitere Beobachtungen machen. Ich bin froh, dass er das Palais wieder verlassen hat und die Alte ihn gehen sah. Wir müssen also abwarten, was Bernhard herausgefunden hat, auch wenn mir das Warten überhaupt nicht gefällt.“
„Er wird sich noch verborgen halten, Herr Leutnant. Dafür spricht auch, dass der alte Schikowsky sich darüber beschwerte, dass sein Handkarren noch nicht zurückgebracht wurde. Er will ja gern unsere Ermittlungen unterstützen, möchte aber doch sein Gerät zurückhaben“, berichtete Jäger Behrens.
Oberbeck zögerte einen Moment mit einer Antwort. Als ein eintreffender Jäger die Tür zur Wachstube stürmisch aufriss, fuhren alle herum.
„Schnell, folgt mir – sie haben Bernhard gefunden!“, stieß der Mann hervor.
„Gefunden? Was heißt das, Mann?“
Der Jäger sah seinen Vorgesetzten mit entsetztem Gesicht an.
„Er wurde aus der Oker gezogen – mit durchtrennter Kehle.“
13.
Leutnant Oberbeck scheuchte seine Jäger auseinander. Fassungslos hatten sie auf die Leiche ihres Kameraden gestarrt, bis er auf einem Leiterwagen abtransportiert wurde. Was der Offizier jetzt nicht gebrauchen konnte, war eine tatenlose Gruppe, die vor Schreck und Trauer um den Toten gelähmt war. Er befahl ihnen, unverzüglich das Okerufer auf beiden Seiten abzusuchen und jeden noch so kleinen Hinweis zu beachten.
Er selbst begab sich mit seinem Sergeanten zum Hagenmarkt und suchte dort sofort das Ufer der Oker auf. Träge, braun und mit einem gerade noch erträglichen Geruch floss hier die Oker vorüber, schlängelte sich in Richtung Reichenstraße.
Im Jahre 1779 hatte sie hier eine neue Brücke erhalten, die diesmal aus Stein gefertigt wurde. An dieser Stelle begannen die beiden Männer ihre Suche, jeder von ihnen schritt das schlammige Okerufer auf einer Seite ab.
„Herr Leutnant, hier drüben!“, rief Eggeling und deutete auf eine Stelle zu seinen Füßen. Der Leutnant sah überrascht auf, gleich darauf lief er zur Brücke und war nach wenigen Schritten neben dem Sergeanten.
„Das muss die Stelle sein, wo unser Bernhard in die Oker geworfen wurde. Seht selbst – hier, und hier auch!“ Eggeling deutete bei seinen Worten auf die feuchte, braune Erde, und der Leutnant hockte sich neben ihn.
„Abdrücke von Schuhen. Hier herüber ist jemand gegangen, und hier.“ Der Leutnant erhob sich und untersuchte ein Stück Erdreich vor dem Beginn der Straßenpflasterung. „Hier sind noch Räderspuren erkennbar. Kein Zweifel, der Mörder hat Bernhard auf einem Karren zum Okerufer gefahren und ihn dort hineingeworfen. Eggeling, fällt Euch etwas an den Abdrücken auf?“
Der alte Sergeant hatte den Dreispitz in den Nacken geschoben, hockte vor den beiden Abdrücken nieder und zog sein Notizbuch hervor. Genau wie sein Leutnant hatte auch er sich die Maße notiert, die sie in der Blutlache beim ermordeten Nachtwächter gefunden hatten.
„Für mich sieht es so aus, als handele es sich um den gleichen Täter, Herr Leutnant. Größe und Art des Abdrucks scheinen völlig übereinzustimmen. Und schließlich wurde dem armen Bernhard ja auch die Kehle durchgeschnitten. Verflucht noch einmal, was ist das für ein Kerl? Aber warte, ich kriege dich, du Lump!“
Eggeling knirschte vernehmlich mit den Zähnen, als er sich wieder aufrichtete. Leutnant Oberbeck hielt ebenfalls sein Büchlein in der Hand und verglich die angefertigte Skizze mit dem Abdruck.
Schließlich nickte er seinem Sergeanten zu und erhob sich wieder.
„Wir müssen in Erfahrung bringen, ob Bernhard noch irgendwo gesehen wurde, nachdem er das Palais verlassen hatte. Gib den Auftrag an die Männer weiter, dass alle Wirtshäuser der Umgebung befragt werden, ob sie sich an Bernhard erinnern können. Vielleicht erfahren wir so, wo er sich aufgehalten hat und vermutlich auf seinen Mörder traf.“
Eggeling nickte ihm zu, der Leutnant drehte sich wortlos um und ging mit großen Schritten am Hoftheater vorbei, um anschließend in Richtung auf das Anatomische Institut zu marschieren. Er hatte noch keine Ahnung, was er von Medicus Meibaum erfahren wollte. Selbst die Bestätigung des Arztes, dass der tödliche Halsschnitt genau wie beim Nachtwächter durchgeführt wurde, wäre ein Mosaiksteinchen mehr zur Überführung des brutalen Täters.
Er traf den Medicus noch bei seiner Arbeit an, als er den Lehrsaal betrat. Meibaum arbeitete hier nur mit einem Assistenten, Studenten hatte er für diese Arbeit nicht zugelassen. Als der Leutnant eintrat und Meibaum unwirsch über diese Störung herumfuhr, verharrte der Offizier für einen Moment unter der Tür.
Jäger Bernhard Müller lag nackt auf dem großen Tisch, seine Haut war seltsam weiß, und für einen Moment fühlte sich der Leutnant an einen großen Fisch erinnert, zumal die langen Haare des Toten, die einst vorschriftsmäßig zu einem Zopf geflochten waren, noch nass über den Tischrand hingen.
„Oberbeck, kommt ruhig näher. Ich hatte befürchtet, dass wieder einer meiner ungeduldigen Studenten mehr über den Toten wissen wollte. Wenn Ihr mich fragt, so handelt es sich um denselben Täter wie beim Nachtwächter. Bei dem Jäger wurde der gleiche, brutale Schnitt durchgeführt, der von großer Körperkraft zeugt. Auch bei ihm wurde der Kopf fast abgetrennt. Ich habe aber noch etwas für Euch, das Euch möglicherweise weiterhelfen kann.“
Damit trat der Arzt zu einem Kleiderbündel und bückte sich.
„Euer Jäger war nicht mit seiner Montur bekleidet, aber das wisst Ihr ja vielleicht schon. Als wir seinen Leichnam entkleideten, fiel dieser weiße Stein aus seiner Hose.“
Mit diesen Worten ließ der Medicus einen kleinen, kieselsteingroßen weißen Stein in die offene Hand des Leutnants fallen. Der warf einen Blick darauf und sah den Arzt irritiert an.
„Bernhard hatte diesen Stein eingesteckt? Er stammt nicht etwa aus der Oker?“
„Das ist vollkommen unmöglich. Er hatte ihn offenbar in den Hosenbund gesteckt, nicht in eine seiner Taschen. Und es ist alles andere als ein gewöhnlicher Feldstein. Für mich sieht er auf den ersten Blick wie ein Stück Ton oder auch Feldspat aus, wenn Ihr mich fragt. Wenn Ihr mehr darüber wissen wollt, müsst Ihr einen Alchemisten befragen.“
Leutnant Oberbeck steckte СКАЧАТЬ