Название: Neun ungewöhnliche Krimis Juni 2019
Автор: Pete Hackett
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745210118
isbn:
„Ihr? Aber wieso seid Ihr nicht ...“
Weiter konnte der Mann nicht sprechen. Ein Schlag traf seinen Kopf, und noch im Fallen nach vorn spürte er, wie ihn jemand an der Kleidung zurückriss. Verzweifelt fuhren seine Arme herum und griffen ins Leere. Dann spürte er eine kalte Klinge am Hals, und ein Schauder lief ihm den Rücken hinunter, der ihn seine Bemühungen verdoppeln ließ.
Es war vergeblich. Wie eine eiserne Klammer hielten ihn starke Hände fest, und im nächsten Augenblick schoss ihm glühend heiß ein Schmerz durch den Hals, der sein Leben auslöschte. Mit dem Blutschwall, der seinen Atem erstickte, sank er röchelnd auf seinen ersten Gegner zurück. Für einen winzigen Moment herrschte völlige Ruhe in dem Lagerraum. Dann bewegte sich ein Körper, und eine Stimme flüsterte:
„Das war in letzter Minute. Wen haben wir hier erwischt? Ich glaube nicht an einen zufälligen Einbrecher. Durchsuch ihn gründlich, Justus, bevor er aus dem Haus kommt. Du weißt, der Okerarm fließt nur wenige Meter von unserem Haus entfernt. Du musst ihn sofort dort hineinwerfen, hörst du? Leuchte mir hier herüber, damit ich die Kerzen entzünden kann, und dann müssen wir sofort alle Spuren beseitigen, bevor wir unangenehmen Besuch erhalten oder die Alte etwas bemerkt. Mein Gott, befreie mich endlich von diesem Kerl, dieses warme Blut ist einfach widerlich – konntest du ihn nicht später noch aufschlitzen?“
Statt einer Antwort kam wieder nur ein dumpfes, tierähnliches Grunzen. Einen Augenblick später flammte ein Licht auf, und die kleine Kammer enthüllte ihr schreckliches Geheimnis. Zwei Männer waren blutverschmiert, ihr Opfer lag ausgestreckt auf den Dielenbrettern. Eine riesige Blutlache breitete sich stetig aus.
Nur wenig später schleppte eine Gestalt einen Handkarren heran und holte einen Körper aus dem Haus, warf ihn achtlos auf den Karren und schob ihn die kurze Entfernung bis zum Okerarm. Nur einen scheuen Blick warf die Erscheinung über die Schulter, dann kippte sie ihre Last in die leise vorbeirauschende Oker.
Noch einmal sah sich der Mörder um, dann lief er zurück und verschwand im Innenhof eines größeren Anwesens.
|
|
11.
Friedrich Oberbeck eilte den Gang hastig hinunter, achtete nicht auf die zahlreichen Diener, die ebenfalls geschäftig hin- und hereilten und wäre um ein Haar mit einem von ihnen zusammengestoßen. Dann stand er vor der Tür seines neuen Vorgesetzten, atmete einmal tief durch, zog seine Montur straff und griff nach der Türklinke. In diesem Augenblick wurde die Tür stürmisch aufgerissen, und Herzog Carl Wilhelm Ferdinand stürmte heraus. Der Leutnant konnte gerade noch einen Schritt zurückweichen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Er verbeugte sich tief, als er auch schon den Herzog laut ausrufen hörte:
„Ah, der Leutnant – ausgezeichnet, ausgezeichnet, guter Mann, wirklich. Moment doch, wo ich Euch so selten zu sehen bekomme ...“
Der Herzog war stehen geblieben und musterte den verlegenen Offizier mit einem freundlichen Gesicht. Seine Hände durchwühlten die Seitentaschen seines dunkelblauen Rockes, kurz darauf fand er offenbar, wonach er gesucht hatte, und das Lächeln in seinem kräftigen, leicht geröteten Gesicht verstärkte sich noch.
„Wirklich gute Arbeit, die Ihr leistet, bin sehr zufrieden.“
Damit drückte er dem jetzt völlig Verdatterten eine Münze in die Hand, drehte sich auf dem Absatz um und stapfte den Flur hinunter, gefolgt von einer ganzen Gruppe diensteifriger Lakaien, die respektvoll wartend hinter ihm gestanden hatten.
Einen Moment später war der ganze Zug wieder verschwunden, und Oberbeck warf einen raschen Blick auf die Münze, als er die Tür hinter sich schloss.
Donnerwetter, der Herzog ist nobel!, schoss es ihm durch den Kopf, als er den Harzgold-Dukaten blinken sah. Diese Münzen wurden im Herzogtum seit 1710 geprägt und in Anlehnung an den französischen Louisdor herausgegeben. Oberbeck konnte sich nicht erinnern, jemals ein solches Geldstück in Händen gehalten zu haben.
Aber nun erwartete ihn die nächste Überraschung. In einem bequemen Sessel saß der Graf von St. Germain, hielt ein Glas mit dunklem Wein in der Hand und plauderte mit dem Kammerherrn. Verwirrt blieb der Leutnant hinter der Tür stehen. Erst die Begegnung mit dem Herzog, und jetzt befand sich dieser fremde Graf hier – offenbar ein gemeinsames Treffen. Aber wie war es möglich, dass der Herzog höchstpersönlich in die Räume des Kammerherrn ging?
„Ach, lieber Leutnant, schön, dass Ihr schon eingetroffen seid!“, räumte der Kammerherr alle Zweifel beiseite, dass der Leutnant vielleicht ungelegen kam. „Ich hatte Euch rufen lassen, weil Ihr einmal von den neuesten Erkenntnissen des Grafen von St. Germain erfahren sollt. – Graf, dies ist der Kommandeur der Braunschweiger Jäger, eine vorzügliche Gruppe, die zudem seit ihrem Einsatz in Nordamerika in Braunschweig Polizeiaufgaben übernommen hat. Und, wie ich anmerken kann, sehr effizient arbeitet.“
Der Graf musterte mit einem einzigen scharfen Blick die Gestalt des Offiziers, ließ sich aber nicht anmerken, ob ihn der Mann mit dem wettergebräunten Gesicht in der grün-roten Uniform der Jäger beeindruckte. St. Germain verzog vielmehr keine Miene, sondern nickte nur kurz und knapp.
Leutnant Oberbeck verbeugte sich vor dem Grafen, knickte aber nur so knapp ein, dass eine Verbeugung gerade noch erkennbar war. Höflich wäre etwas anderes gewesen, aber instinktiv lehnte der Offizier sein Gegenüber ab, der bislang für ihn das Objekt monatelanger Recherche war. Nun befanden sich die beiden Männer Auge in Auge gegenüber, und den Leutnant beschlich ein unangenehmes Gefühl.
„Der Graf von St. Germain hat dem Herzog gerade eine Probe seines Porzellans gezeigt. Ihm ist ein Verfahren gelungen, das im Ergebnis die Qualität des Produktes erheblich steigert. Das lässt für unsere Manufaktur in Fürstenberg hoffen.“
„Tatsächlich? Erstaunlich, was die Wissenschaft zu leisten vermag. Da wird unser Herzog ja wirklich sehr zufrieden sein.“ Oberbeck hatte einen eher gleichgültigen Tonfall angeschlagen, aber der Graf warf ihm trotzdem einen scharfen Blick zu.
„Und unser hoch geschätzter Gast hat zudem einen interessanten Vorschlag zur Verbesserung unserer Straßenbeleuchtung unterbreitet. Dazu wollte ich auch Euren Rat hören, Leutnant.“
Oberbeck zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Meinen Rat zur Straßenbeleuchtung? Mit Verlaub, davon verstehe ich nur wenig, wie soll ich da ...“
Der Kammerherr hob die Hand und unterbrach den Leutnant.
„Wir alle wissen, dass die Straßenbeleuchtung, die von den Franzosen eingeführt wurde, nicht gerade ideal СКАЧАТЬ