Название: Neun ungewöhnliche Krimis Juni 2019
Автор: Pete Hackett
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745210118
isbn:
Dabei warf er nach allen Seiten freundliche Blicke, eilte hinter den langen Tisch und widmete sich dort seinen Geräten. Leise setzten diesmal die Gespräche wieder ein, verstummten aber erneut, als sich eine andere Tür öffnete und Herzog Carl Wilhelm Ferdinand in Begleitung seines Kammerherrn den Saal betrat. Ihnen folgte in kurzem Abstand, schon arg gebückt und auf einen Stock gestützt, Johann Georg von Langen, nicht nur Forst- und Oberjägermeister des Herzogs, sondern auch der eigentliche „Vater des Porzellans aus Fürstenberg“, wie ihn der Herzog gern nannte.
Johann Georg von Langen war es nicht nur geglückt, hinter das Geheimnis der Porzellanherstellung zu kommen, sondern darüber hinaus bewies er mit dem Bau des ersten Brennofens in Fürstenberg an der Weser seine Kenntnis bei der Porzellanherstellung. In den Jahren 1747 bis 1753 verbesserte er seine Verfahren noch wesentlich und lieferte in dieser Zeit das erste Porzellan aus der neuen Manufaktur. Und noch immer galt darüber hinaus sein Interesse dem Wald. Seine Denkschrift von 1755 wies darauf hin, dass neben einer gemischten Anpflanzung von Bäumen insbesondere die Fichten zu setzen wären. Auch um den Kartoffelanbau im Harz hatte sich der jetzt greise von Langen verdient gemacht und stand daher auch im hohen Alter noch immer in allerhöchster Gunst beim Herzog.
Die Anwesenden erwiesen dem Herzog ihre Referenz, indem sie ihn mit den nach oben gekehrten, offenen Händen und der vorschriftsmäßigen Fußhaltung nebst einem geneigten Haupt erwarteten. Auf ein Zeichen von ihm lösten sich alle aus ihrer erstarrten Haltung, und der Herzog begrüßte die Anwesenden leutselig.
„Wir haben heute den Grafen von St. Germain zu Gast, der uns versprochen hat, Mittel und Wege zu kennen, um das in Fürstenberg erzeugte Porzellan erheblich in seiner Qualität zu verbessern. An unserer Seite der überaus verdienstvolle Oberjägermeister Johann Georg von Langen, dem wir die Manufaktur überhaupt verdanken. Es wird für uns alle ein historischer Tag werden, wenn wir erleben, wie uns der Graf von St. Germain zeigen wird, dass auch unser Fürstenberger Porzellan die gleiche Qualität wie das aus Meißen erreichen kann. Graf – bitte beginnt mit Eurer Präsentation!“
Die drei hohen Herren hatten unmittelbar am Tisch Platz genommen und warteten nun ab, was der Gast ihnen bieten würde. Alle drängten sich so dicht heran, wie es nur ging, und vor allem – wie es die Etikette bei Hof erlaubten, denn die Rücksichtnahme auf die Anwesenheit des Herzogs erforderte doch eine geziemende Distanz zum Tisch.
Der Graf begann nun mit schneller Rede auf die Vorzüge eines reinen, zarten Porzellans einzugehen, pries die Möglichkeiten, die Mutter Natur bot mit ihren reichen Vorräten an Feldspat, Kaolin und Quarz. Danach ging er ausführlicher darauf ein, dass die vorhandenen Stoffe in unterschiedlicher Qualität auftraten und dementsprechend das Endprodukt, also das Porzellan, nur von verschiedener Art sein konnte.
„Mit anderen Worten, Durchlaucht – es ist nicht möglich, aus jedem Kaolin das beste Porzellan zu gewinnen. Die Alchemie hat längst erbracht, dass die Zusammensetzung der vorhandenen Mineralien eine entscheidende Rolle dabei spielt, ebenso wie die richtige Sinterung. Nicht nur der Zeitpunkt der Schmelze im Brennofen, die Verbindung des Feldspats mit dem Quarz und dem Kaolin, sondern ein harmonisches Zusammenspiel aller Komponenten, als da sind: Mineralreiches Material, richtige Brenntemperatur und glücklich erfolgte Sinterung können ein Produkt allerhöchster Güte erzeugen.“
Herzog Carl Wilhelm Ferdinand begann, ein wenig unruhig auf seinem weichen Sessel herumzurutschen, und der Graf war klug genug, dieses erste Zeichen richtig zu deuten.
„Was den hohen Gelehrten des Collegium Carolinum vertraut sein mag, wird uns anderen jedoch eher unwichtig sein. Voilà, hier also das Ergebnis meiner letzten Experimente – ein Porzellan allerfeinster Güte, hergestellt aus Kaolin und Feldspat, so wie es an der Weser vorkommt und in der Manufaktur verarbeitet wird – angereichert mit meiner Mineralienmischung, gebrannt nach meinem verbesserten Verfahren, das selbstverständlich“ – damit verbeugte er sich tief vor von Langen – „auf dem von Euch entwickelten Brennverfahren basiert und von mir nur aufgrund neuester Erkenntnisse, langjähriger Studien und zahlreicher Experimente verbessert wurde. Diese erste Tasse weihe ich natürlich Euch, allergnädigste Durchlaucht, aber das zweite Stück würde ich gern, mit Eurer gütigen Erlaubnis, dem hochverehrten Meister von Langen überreichen.“
Mit diesen Worten umrundete der Graf den Tisch, verbeugte sich tief vor Herzog Carl Wilhelm Ferdinand und händigte ihm eine schneeweiße Porzellantasse aus. Einen Moment, in dem er zusah, wie der Herzog die Tasse prüfend gegen das Licht hielt und ein breites Lächeln seine Zufriedenheit ausdrückte, wartete er ab. Anschließend überreichte er dem greisen von Langen ein weiteres Exemplar.
„Erstaunlich, wirklich erstaunlich, und so zart wie ein Engelshaar“, nickte der alte Manufakturgründer, als er die Tasse dicht vor seine Augen hielt und dann bewundernd mit einer Hand über die Form strich. „Das ist die Qualität, wie man sie bislang nur aus Meißen kennt, Durchlaucht.“
„Ich bin überaus zufrieden, Graf, überaus. Mit dieser Probe habt Ihr meine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Damit steht auch der Finanzierung Eurer Arbeiten nichts mehr im Wege. Im ersten Zuge werden wir Euch die fünfzigtausend Taler anweisen lassen, die wir im Falle unserer Zufriedenheit zugesichert haben. Nicht wahr, verehrter Kammerherr, es ist doch alles bereits vorbereitet?“
Mit diesen Worten hatte sich der Herzog zu seinem Kammerherrn umgedreht, der ebenfalls gerade einen Blick auf die Porzellantasse geworfen hatte.
Graf Florian von Osten-Waldeck warf einen raschen Blick zum Graf von St. Germain, dann antwortete er dem Herzog:
„Alles, wie Ihr es angeordnet habt, Durchlaucht. Der Graf kann in wenigen Tagen über diese Summe verfügen.“
„Ausgezeichnet, ganz ausgezeichnet. Und wann könnt Ihr uns mit der ersten größeren Porzellanlieferung versehen, Graf?“
„Durchlaucht, Ihr seid überaus großzügig, es ist eine Freude, mit Euch Geschäfte zu machen. Ich erwarte schon in den nächsten Tagen eine größere Ladung Kaolin, die ich dann in meinem Labor aufbereiten werde. Danach wird das verbesserte Material nach Fürstenberg weitergehen und in die nächste Produktion kommen. Für die Überwachung des Brennprozesses werde ich mich persönlich in die Manufaktur begeben und nicht eher die Stätte verlassen, als bis eine fertige Produktion erfolgreich abgeschlossen ist.“
„So wollen wir es halten, mein Lieber. Wir erwarten dann die erste größere Lieferung zum Ende des Monats. Wir dürfen in keinem Fall den Termin der November-Messe verpassen, um entsprechende Verkäufe zu erzielen – das wird doch kein Problem werden, oder?“
Der Graf von St. Germain beeilte sich, mit einer weiteren Verbeugung, zu versichern:
„Alles, wie Durchlaucht befiehlt. Es wird mir geradezu eine Wonne sein, die erste Lieferung zur Braunschweiger Messe persönlich zu begleiten und mich vom guten Erfolg zu überzeugen.“
„Ausgezeichnet, lieber Graf, ausgezeichnet.“ Der Herzog war die verkörperte gute Laune in Person, als er sich jetzt an das versammelte Auditorium wandte.
„Meine Herren, überzeugen Sie sich von der Qualität dieser Arbeit und feiern Sie mit mir den Erfolg des Grafen, der einem Triumph der Wissenschaft nahe kommt. Die Zeiten, wo wir gegen Meißen einen schweren Stand hatten, gehören nunmehr der Vergangenheit an!“
Der Herzog klatschte in die Hände, und auf dieses Zeichen öffneten sich alle Türen zu dem großen Saal, und Diener eilten herbei, um den Gästen Gläser mit Champagner zu reichen.
In der allgemeinen Aufregung, die jetzt wieder zu lautstarker Unterhaltung bei den Anwesenden führte, nutzte Leutnant Oberbeck die Gelegenheit, sich wie unbeabsichtigt СКАЧАТЬ