Название: SoKo Heidefieber
Автор: Gerhard Henschel
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783455008340
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Nachdem er hinausgerauscht war, steckte Kommissarin Fischer den Kopf durch die Tür. »Im BKA bilden sie jetzt eine Sonderkommission, Gerold. Und sie wollen uns dabeihaben.«
Wenn sich achtzig Polizeibeamte in einem Raum aufhielten, konnte man zwar nicht erwarten, daß es dort nach Veilchenblättern, Adlerholz und Rosenöl duftete, aber der Gestank, der Gerold Gerold und Ute Fischer entgegenschlug, als sie am späten Nachmittag einen Konferenzsaal im Wiesbadener Bundeskriminalamt betraten, bedurfte einer Erklärung. Das sah auch Kriminalhauptkommissar Henning Riesenbusch so, der Leiter der SoKo Heidefieber, die den Morden an Armin Breddeloh, Frieder Lindenthal, Hobbe Hubertus Schepker und Justus Weindl auf den Grund gehen sollte. Riesenbusch, ein bulliger Zweimetermann, dessen Schicksal es war, drei- bis viermal in der Woche auf seine Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Bud Spencer angesprochen zu werden, klatschte in die Hände und bat alle Teilnehmer, sich zu setzen und die Mobiltelefone auszustellen. »Willkommen«, sagte er dann. »Es wird Ihnen aufgefallen sein, daß es hier nach faulen Eiern riecht, und ich kann Ihnen auch sagen, warum. Heute vormittag habe ich mich mit drei Delegierten des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller unterhalten. Sie glauben, daß wir nicht genug unternehmen, um den Mörder ihrer Kollegen zu fassen. Deshalb habe ich die drei Herren in diesen Raum geführt und gesagt: ›Schon in wenigen Stunden wird hier unter meiner Leitung die Crème de la Crème der deutschen Kriminalpolizei zusammentreten und weder rasten noch ruhen, bis der Mann hinter Gittern sitzt.‹ Und da sind einem der Herren zwei Stinkbomben aus der Hosentasche gefallen. Rein zufällig. Er hat sich vielmals dafür entschuldigt und mir gesagt, daß es sonst nicht seine Art sei, solche Gegenstände in der Hosentasche aufzubewahren. Aber wie auch immer: Nehmen wir das Ganze als Ansporn, unsere Arbeit zügig zu erledigen, damit wir hier bald wieder rauskommen. Und damit nicht noch mehr Menschen sterben müssen. Einverstanden?«
Niemand erhob Einspruch.
»Gut«, sagte Riesenbusch. »Sie haben sich alle mit den Akten vertraut gemacht und unabhängig voneinander Ihre Schlußfolgerungen gezogen. Jetzt tauschen wir uns aus. Ich bitte Herrn Wiesling nach vorn. Er ist ein operativer Fallanalytiker vom Landeskriminalamt Hessen und hat sich eingehend mit allen vier Mordfällen befaßt.«
Der Kontrast hätte nicht größer sein können. Nach dem Koloß Riesenbusch wirkte der Profiler Hans-Dietlof Wiesling noch schmächtiger, als er ohnehin schon war. Er eröffnete seinen Vortrag mit den Worten: »Nach meiner Einschätzung ist der Täter männlich, weiß und sozial gut angepaßt, aber beziehungsarm. Er ist zwischen dreißig und fünfundvierzig, verfügt über viel Scharfsinn und eine große körperliche Kraft. Zudem ist er skrupellos, brutal und äußerst eitel. Ich nehme an, daß er sich sehr viel auf die Perfektion seiner Vorgehensweise einbildet und sowohl sich selbst als auch uns damit beweisen will, wie clever er ist …«
»Als ob wir darauf nicht schon selbst gekommen wären«, sagte Gerold leise, und die Fischerin raunte ihm zu, daß sie Wieslings Fistelstimme maximal noch zwei Minuten lang ertragen könne.
»Im Unterschied zu anderen Serienmorden«, führte Wiesling weiter aus, »liegt hier bisher keine Cool-off-Periode vor, in der sich der Täter erholt. Er scheint sich sehr gut auf die gesamte Mordserie vorbereitet zu haben. Er plant nicht eine Tat nach der anderen. Er verfolgt eine übergreifende Strategie, und zweifellos ist er noch längst nicht am Ende. Es geht gerade erst los.«
Von diesem Satz hatte Wiesling sich eine dramatische Wirkung erhofft, doch es war so wie 1997 bei seiner Abiturrede in der Aula des Peter-Härtling-Gymnasiums in Nürtingen: Die Zuhörer gähnten, und als er fertig war, rührte sich keine Hand zum Applaus.
Auch die anderen Experten rissen niemanden vom Stuhl, denn sie hatten alle nichts Hilfreiches beizutragen. Alle außer Erwin Zapp, einem Forensiker vom Kriminaltechnischen Institut in Berlin, der wie ein Schlagerstar aus den Achtzigern aussah. Oder jedenfalls so wie jemand, der versuchen könnte, den mitteljungen David Hasselhoff zu doubeln. Was Zapp sagte, klang dann aber ganz interessant: Auf dem Boden der Buddelflasche mit dem Kopf von Hobbe Hubertus Schepker habe er eine Wimper gefunden, die womöglich dem Täter zugeordnet werden könne. »Ich möchte Sie nicht mit den Einzelheiten der Laboranalyse langweilen und Ihnen auch keinen Vortrag über Gas-Chromatographie und Massenspektrometrie halten, sondern gleich zum Ergebnis kommen. Wenn diese Wimper von unserem Täter stammt, dann ist er ein Kokser. Soviel ist sicher. Und der Rest dürfte ein Kinderspiel sein«, sagte Zapp und warf der in der zweiten Reihe sitzenden Kommissarin Fischer, mit der man ihn noch nicht bekanntgemacht hatte, ein vielsagendes Lächeln zu.
Vor der Kaffeepause bat Riesenbusch noch einen Referenten herein, der die SoKo über das Leben der deutschen Kriminalromanschriftsteller informieren sollte: Frank Schulz, einen Autor, der bereits drei Hamburger Regionalkrimis geschrieben hatte. Riesenbusch war ein Fan von ihm und sichtlich erfreut, ihn bei dieser Gelegenheit kennenlernen und ihn vorstellen zu dürfen: »Herr Schulz ist der geistige Vater des Privatdetektivs Onno Viets, von dessen unkonventionellen Ermittlungsmethoden vielleicht auch wir noch etwas lernen können. Bitte, Herr Schulz. Erzählen Sie uns was.«
Schulz, ein athletischer Sixty-something mit John-Lennon-Brille, grauem Seemannsbart und einer eindrucksvollen, bis zum Genick reichenden Denkerstirn, gestand ein, daß er nicht völlig lampenfieberfrei sei. »Als ich das letzte Mal eine Polizeidienststelle von innen gesehen habe, war ich fünfzehn und gerade auf frischer Tat beim Ladendiebstahl ertappt worden. Aber ich glaube, das ist inzwischen verjährt. Auf jeden Fall wäre es mir natürlich eine Ehre, wenn ich irgendwas zur Ergreifung des Täters beitragen könnte. Ich fürchte allerdings, daß Ihre in mich gesetzten Hoffnungen übertrieben sind. Im Grunde bin ich ja nicht mal ein hauptberuflicher Verfasser von Regionalkrimis. Das mach ich nur so nebenher. Und ich weiß auch gar nicht genau, was Sie von mir erwarten. Es wird wohl das Beste sein, wenn Sie mir Fragen stellen. Die werd ich dann so gut wie möglich zu beantworten versuchen …«
»Mich würde interessieren, ob die Autoren von Regionalkrimis untereinander verdrahtet sind«, sagte Riesenbusch. »Kennt man sich? Liebt man sich? Haßt man sich? Oder ignoriert man sich?«
Schulz nahm einen Schluck Wasser und kratzte sich am Kopf. »Tja, da muß ich schon passen. Ich selbst bin nur flüchtig mit einer Autorin von Kölner Stadtkrimis bekannt. Wie’s bei den anderen aussieht, weiß ich nicht. Wahrscheinlich laufen sich manche von denen auf der Buchmesse oder auf Krimifestivals über den Weg …«
»Wie hart ist denn der Konkurrenzkampf unter den Autoren?« fragte Kommissar Gerold.
»Na ja«, sagte Schulz, »es ist ja kein Geheimnis, daß nur die wenigsten Schriftsteller finanziell auf Rosen gebettet sind. Aber es ist auch nicht so, daß man sich gegenseitig die Butter auf dem Brot mißgönnt. Was die Regionalkrimis angeht, sieht die Sache so aus, daß die Autoren den Markt unter sich aufgeteilt haben. So wie die Mafia. Da gibt’s dann drei oder vier Autoren, die Ostfriesland beackern, während andere sich auf Oberbayern spezialisiert haben und wieder andere aufs Weserbergland, auf Ostwestfalen oder die Sächsische Schweiz und so fort. Und manchmal findet jemand noch irgendwo eine ökologische Nische und macht sich da breit. Ich kann mir schon vorstellen, daß es da auch Futterneid gibt. Aber daß einer von denen tatsächlich Morde begeht, um Konkurrenten aus dem Weg zu räumen, halte ich für ausgeschlossen. Ich kenne zwar ein paar großmäulige Schriftsteller und auch echte Ekelpakete, aber zu Kapitalverbrechen wären selbst die nicht imstande. Das sind alles ganz harmlose Kerlchen. Mich eingeschlossen.«
»Das sagen sie alle!« rief jemand von hinten, und die Kriminalisten lachten.
Ein Psycholinguist vom BKA wollte wissen, auf welchen Tätertypus Schulz denn selber tippe.
»Da СКАЧАТЬ