Название: SoKo Heidefieber
Автор: Gerhard Henschel
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783455008340
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Zapp war der einzige, der nicht die Hand hob. Damit hatte Ute sich selbst und den anderen zu einem eleganten Abgang verholfen. Beim Hinausgehen hörte sie allerdings noch, wie Zapp die Kommissarin Schubert ansprach: »Auch wenn ich kein Forensiker wäre, würde mir auffallen, daß Sie hungrig aussehen! Darf ich Sie zum Essen einladen? Ich kenne ein italienisches Restaurant, das Sie lieben werden …«
Kommissar Riesenbusch zeigte sich dann recht angetan von dem Plan, Bennatz Neuß als Köder auf der Festung Ehrenbreitstein zu plazieren. »Am besten machen Sie beide gleich für morgen einen Termin mit ihm aus«, sagte er zu Gerold Gerold und Ute Fischer. »Machen Sie ihm klar, daß er nichts zu befürchten hat. Wir werden das Ganze so perfekt absichern, als wäre er der Dalai Lama persönlich!«
Frank Schulz war nur mal eben eingeduselt, auf dem Sofa in seiner Osnabrücker Dichterklause – ein Vorkommnis, dem keine große Bedeutung innewohnte. Aber als er nach einem Stündchen wieder zu sich kam, hatte sein Leben sich von Grund auf geändert. Er wußte das bloß noch nicht.
Nachdem er Teewasser aufgesetzt, die Post hereingeholt, einen Himbeerjoghurt gegessen und die Spülmaschine ausgeräumt hatte, öffnete er seinen E-Mail-Account und rieb sich die Augen. Konnte dort wirklich »2648 neue Nachrichten« stehen? Er sah noch einmal hin. Jetzt stand dort »2653 neue Nachrichten«.
Der Teekessel pfiff. »Halt’s Maul!« rief Schulz und starrte auf die vierstellige Zahl, die sich fortlaufend veränderte: 2657 … 2661 … 2668 …
Er klickte die neueste Nachricht an:
Schweine wie du gehören selber abgeknallt du Ratte!!! Wir krigen dich!!!
Und die darunter:
Wie können Sie es wagen, derart menschenverachtende Äußerungen von sich zu geben?! Sie sollten sich schämen!!
Und eine weitere:
Für Abschaum wie Sie ist das Gefägniß noch viel zu wenig! Man mus Sie ausser Landes abschieben in ein Staat mit Folter!!!!!!!!!!!!!!!!
»Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt«, sagte Schulz. »Haben die euch zu heiß gewindelt oder was?« Er lief in die Küche, brachte den Kessel zum Schweigen und schaltete sein Smartphone ein.
Das gleiche in Grün: eine Sintflut von Nachrichten. Und schon klingelte es.
»Schulz hier«, sagte Schulz voll banger Erwartung. Seine Stimme klang hohl.
»Ah, Herr Schulz! Wie schön, daß ich Sie erreiche! Mike Thiele hier von Radio N-Joy! Was sagen Sie zu der Debatte, die Sie losgetreten haben?«
»Welche Debatte? Ich versteh nur Bahnhof!«
»Na, hören Sie mal! Sie haben die deutschen Kriminalromanautoren als Mafia bezeichnet und die Morde an ihnen als ›angewandte Literaturkritik‹ bewitzelt! Und da wundern Sie sich noch, daß die Empörung hochkocht?«
Nun klingelte es auch an der Wohnungstür. Schulz beendete das Gespräch und sah durchs Küchenfenster nach unten. Auf der Straße stand ein Ü-Wagen vom NDR. Und gerade kam ein zweiter von RTL angebraust.
Aus der Küche hastete Schulz zu seinem Rechner zurück und googelte Mafia + Schulz + »angewandte Literaturkritik«.
37404 Ergebnisse! An erster Stelle stand ein Bericht von Bild.de, der vor dreizehn Minuten erschienen war:
Für den Schriftsteller Frank Schulz (62) gehören alle Krimi-Autoren einer »Mafia« an. Aber die Morde, denen vier von ihnen zum Opfer gefallen sind, sieht er ganz locker: Das sei eben »angewandte Literaturkritik«. Und nichts weiter.
Das hat Schulz gestern in Wiesbaden vor einer Sonderkommission der Polizei erklärt, die die bestialischen Morde an den Krimi-Autoren Armin Breddeloh, Frieder Lindenthal, Hobbe Hubertus Schepker und Justus Weindl untersucht.
Jetzt kriegt er die Quittung! Auf Twitter posten bereits Zehntausende unter dem Hashtag #SchulzAmPranger ihre Meinung. Der Krimi-Autor Waldemar König (48) gegenüber BILD: »Dafür wird Herr Schulz sich verantworten müssen. Ich habe Strafanzeige erstattet.«
Severin Dibelius, der stellvertretende Vorsitzende des Vereins der deutschsprachigen Kriminalromanautoren (VDDK), geht noch weiter: Er verlangt eine öffentliche Entschuldigung des BKA-Präsidenten und des Bundesinnenministers und die Offenlegung des Honorars, das Schulz für seinen Vortrag bezogen hat. »Das wird er auf Heller und Pfennig zurückzahlen müssen. Wie kommt das BKA überhaupt dazu, irgendeinen dahergelaufenen Kleinschriftsteller einzuladen, der auf Steuerzahlerkosten Spott und Häme über vier Mordopfer ausgießt? Und uns als Mafia denunziert? Sieht so die Arbeit der Sonderkommission aus? Wenn das so weitergeht, wird sich der Mörder ins Fäustchen lachen!«
An der Tür läutete es Sturm, das Smartphone bimmelte ohne Unterlaß, die Reportermeute auf der Straße wuchs, und Schulz atmete durch.
Was tun? Er genehmigte sich einen doppelstöckigen Brandy. Dann zertrümmerte er mit einem Handkantenschlag die Türklingel und rief seinen Verlagsagenten Thomas Hübner an.
»Hallo, Frank«, sagte Hübner. »Hast du deine Mailbox schon abgehört?«
»Nein, verflucht! Hab nur ’n Nickerchen gemacht und bin währenddessen offensichtlich tief in die Scheiße geritten worden!«
»Stimmt das denn, daß du diesen Vortrag gehalten hast? Im BKA?«
»Ja! Aber das ist auch alles! Das mit der Mafia war nur so dahingesagt, als Späßchen, und das mit der ›angewandten Literaturkritik‹ ist aus dem Zusammenhang gerissen worden! Ich hatte gesagt, daß es zynisch wäre, diese Morde so zu interpretieren! Und dann muß irgendwer aus dieser Sonderkommission das verkürzte Zitat mitsamt meiner E-Mail-Adresse an die Presse weitergegeben haben! Oder an Twitter oder Facebook oder weiß der Deibel! Und jetzt rennen die Journalisten mir hier die Bude ein!«
»Am meisten scheinen die Leute sich darüber aufzuregen, daß du für deinen Vortrag Geld bekommen hast …«
»Ich bitte dich! Das waren hundertfünfzig Piepen! Und die Erstattung meiner Spesen! Kaum der Rede wert!«
Schulz sah wieder zum Küchenfenster hinaus. Drei neue Ü-Wagen waren angerollt. Von n-tv, Sat.1 und CNN. Ihr seid doch alle vom wilden Affen gebissen, dachte er und kehrte zu der Flasche Brandy El Maestro Sierra Gran Reserva zurück, die sein Ex-Verleger Gerd Haffmans ihm zum Sechzigsten geschenkt hatte. In einer Welt von Feinden war sie ein verläßlicher Freund.
»Du machst jetzt Folgendes«, sagte Hübner. »Du twitterst dein Bedauern und entschuldigst dich bei allen, die sich verletzt fühlen, und heute abend stehst du im Fernsehen Rede und Antwort. Ich stiele das ein. Und du putzt dich raus. In einer Stunde wirst du abgeholt.«
Zum Kochen fühlten Gerold Gerold СКАЧАТЬ