Название: SoKo Heidefieber
Автор: Gerhard Henschel
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783455008340
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Ute Fischer hätte gern einige Worte mit Frank Schulz gewechselt, aber als sie auf ihn zuging, schob sich Erwin Zapp dazwischen und strahlte sie an.
»Ah«, sagte sie. »Der Mann mit der Wimper.«
»Die Freude ist ganz meinerseits«, sagte Zapp. »Ja, das Reich des Bösen wird zusammenbrechen. Not with a bang, but – falls Sie mir dieses kleine Wortspiel gestatten – with a Wimper! Meine Verehrung, Frau Kollegin. Wenn ich korrekt unterrichtet bin, untersuchen Sie den Fall in Bad Bevensen …«
»Richtig.«
»Aber eine Wimper haben Sie noch nicht gefunden. Am I right?«
Die Kommissarin sandte einen hilfesuchenden Blick nach links, wo Gerold Gerold sich mit Henning Riesenbusch und einem Ballistiker vom Kieler Institut für Rechtsmedizin unterhielt.
»Of course I’m right«, sagte Zapp. »Aber seien Sie nicht traurig. Ich lasse jeden gern an meinem Wissen teilhaben. Mein Lebensmotto lautet: Ich teile gern aus, aber ich teile auch sonst gern. Zum Beispiel meine Freizeit. Darf ich Sie zum Essen einladen? Ich kenne ein spanisches Restaurant, das Sie lieben werden …«
»Oh, sehr freundlich, aber ich bin schon verabredet.«
»Hätte ich mir denken können. Bei einer so charmanten Dame wie Ihnen. Darf ich mich vielleicht anschließen? Sie würden es nicht bereuen. Meine Qualitäten als Unterhalter werden allgemein gerühmt.«
Kein Zweifel: Ute Fischer mußte dieses Spielchen schleunigst beenden. »Das ist eine reizende Idee«, sagte sie, »aber es ist ein Treffen mit meinem Verlobten in einer Liebeszelle der JVA Butzbach. Da würden Sie sich wie das fünfte Rad am Wagen fühlen. Mein Verlobter sitzt ein, weil er einen Nebenbuhler niedergestochen hat. Er ist Sizilianer, müssen Sie wissen. Ziemlich heißblütig. Un he nümmt geen Blatt vöör’t Muul. Nächsten Montag kommt er allerdings frei. Dann können wir ja vielleicht mal zu dritt um die Häuser ziehen …«
Um diesen Input zu verarbeiten, benötigte Zapp einige Sekunden. Als er seine Fassade wieder unter Kontrolle hatte, drohte er der Kommissarin schelmisch mit dem Zeigefinger und sagte: »Böses Mädchen! Böses, böses Mädchen …«
Weil er weder Hotelzimmer noch dienstliche Unterkünfte leiden konnte, logierte Gerold Gerold im Haus seiner Schwester Karin Gerold in Bad Soden am Taunus, und dort war auch ein Gästezimmer für Ute Fischer frei. Mit der er sich duzte, seit sie auf der Taxifahrt nach Bad Soden festgestellt hatten, daß sie beide an einer unheilbaren Erwin-Zapp-Allergie litten.
»Heute gibt’s Bœuf Stroganoff mit Kroketten und grünen Bohnen«, sagte die Gastgeberin, die mit einer dampfenden Schüssel aus der Küche kam. »Und ab morgen müßt ihr euch selbst bekochen. Ich hab eine Woche lang geschäftlich in Montreal zu tun.«
»Meine Schwester ist Risikomanagerin bei der Deutschen Bank«, sagte Gerold Gerold. »Jettet das ganze Jahr in der Welt herum und kommt fast nie dazu, das Leben in ihrem Traumhaus hier zu genießen. Zweihundertzwanzig Quadratmeter in Bestlage mit Fußbodenheizung und Kachelkamin und im Garten ein Schwimmteich, und das alles für eine alleinstehende Lady, die fast permanent außer Haus ist! Kannst du dir das vorstellen, Ute?«
»Vorstellen schon. Ich hab in Uelzen ’ne Dreizimmerwohnung mit kaputtem Warmwasserboiler und vier Heizkörpern, in denen Poltergeister wohnen …«
Karin Gerold reichte ihrem Bruder eine Flasche Sauvignon Blanc. »Mach die mal bitte auf. Und wie geht’s Fabian?«
»Schwer zu sagen. Wenn er nicht schläft, ist er entweder in der Schule oder mit seinen Ballerspielen beschäftigt, und wenn er mal mit mir zu sprechen geruht, dann nur, um mir sein Taschengeld aus den Rippen zu leiern.«
»Wer kümmert sich denn jetzt um ihn?«
»Na, wer schon? Meine Ex.« Er schenkte ein und sprach einen Toast aus: »Auf meine große Schwester, die beste Köchin zwischen Kapstadt und Spitzbergen! Danke, Karin, daß du uns hier so vorzüglich beköstigst!«
Über den Fall redeten sie erst, als auch der Nachtisch vertilgt war, ein Schokoladensoufflé, nach dessen Konsum Utes gefühltes Eigengewicht neunzig Kilo betrug.
Gerold öffnete die zweite Flasche Wein. Er habe selten eine solche Ansammlung von Volltrotteln gesehen wie in dieser Sonderkommission, sagte er. »Allen voran Meister Zapp. Ein Ölprinz erster Güte. Als ob er sich in einem Kostümgeschäft ausstaffiert hätte, um möglichst behämmert rüberzukommen. Hat sich sogar einen Brilli ins Ohr geschossen, damit auch ja alle merken, daß er ein Blindgänger ist …«
»Über diese Mordserie wird heute abend bei Maybrit Illner getalkt«, sagte Karin. »Wollen wir mal reinschauen?«
Sie nahmen ihre Gläser mit und machten es sich auf der Ledercouch vor dem Fernseher gemütlich. In der Sendung, die bereits in vollem Gange war, ereiferte sich ein ehemaliger Personenschützer über das unzulängliche Gefahrenbewußtsein von Prominenten: »Die geben Autogramme in Möbelmärkten, wo jeder mit einem Revolver reinspazieren kann, wenn ihm der Sinn danach steht. Oder sie mischen sich auf dem Oktoberfest unters Volk und lassen jeden Durchgeknallten an sich ran …«
Ein evangelischer Bischof meinte dann, daß die Kriminalromanautoren sich vielleicht einmal selbstkritisch fragen sollten, ob sie mit ihren teils recht blutrünstigen Werken nicht auch ihrerseits etwas zum »Klima der Gewalt« beigetragen hätten, das in Deutschland vorherrsche, doch da fuhr dem Bischof ein alter Bekannter von Ute Fischer und Gerold Gerold in die Parade: Waldemar König, der die Gunst der Stunde dazu nutzte, seinen spektakulären Bart einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Es könne doch nicht angehen, stieß König hervor, daß die Schuld an den Morden hier den Opfern in die Schuhe geschoben werde. »Wir Schriftsteller stehen an vorderster Front im Kampf um die Freiheit des Geistes! In den letzten Tagen habe ich aber am eigenen Leibe erfahren müssen, wie gering die Wertschätzung ist, die man uns entgegenbringt. Ich habe Personenschutz für mich beantragt und bin dafür von einem deutschen Kommissar ausgelacht worden, obwohl der Mörder bereits vier meiner Kollegen hingemeuchelt hat! Und in allen vier Fällen tappt die Polizei im Dunkeln. Ich frage mich, wie lange die Schlafmützen von der Kripo diesen Mann eigentlich noch gewähren lassen wollen, bevor sie den Hintern hochkriegen und die Arbeit tun, für die wir sie bezahlen!«
Das Studiopublikum spendete dafür einen rauschenden Beifall, und die Zuschauer konnten im Anblick von Königs Bartgeweih schwelgen.
»Wenn er so sehr um sein Leben bangt, ist es ja wohl das Dümmste, was er tun kann, sich im Fernsehen zu zeigen, und das auch noch mit so ’ner Brezel im Gesicht«, sagte Karin und stand auf, um etwas Knabberzeug zu holen. »Möchte außer mir noch jemand Pringles? Oder Nachos?«
Gerold schüttelte den Kopf, und auch Ute winkte ab.
Er habe sich jetzt schriftlich an den Bundesinnenminister gewandt und ihn um Beistand ersucht, erklärte König feierlich. »Seine Antwort steht noch aus. Wenn morgen oder übermorgen auch ich zu den Opfern gehören sollte, dann wird der Minister das mit seinem Gewissen auszumachen haben!«
»Ob ihr es glaubt oder nicht«, sagte Gerold, »ich verspüre gerade selbst einen Anflug von Mordlust …«
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