Ende offen. Peter Strauß
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Название: Ende offen

Автор: Peter Strauß

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Зарубежная публицистика

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isbn: 9783347020290

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СКАЧАТЬ angepasst und daher viel stärker verbreitet.

      Wachstum und wachstumsbremsende Mechanismen halten sich bei allen gut angepassten Arten die Waage. Die Menschheit hingegen hat die Vorteile, die sie gegenüber den anderen Tieren hat, bisher nur zur Steigerung ihres Wachstums genutzt und nicht zur Begrenzung ihrer Ausbreitung. Damit hat sie den Gleichgewichtszustand verlassen. Gefahr droht uns derzeit fast nur noch durch uns selbst. Wenn es in hunderttausend Jahren noch Menschen gibt, dann stammen sie nicht von denen ab, die sich immer weiter vermehren wollten.

       Gibt uns unsere Überlegenheit das Recht, uns die Erde untertan zu machen?

      Die Vorherrschaft des Menschen beruht ausschließlich auf seiner Macht. Archaische Völker haben sich die Frage nach der Begründung des eigenen Konsums nicht gestellt. Der Konsum ist zwar mit der Industrialisierung stark angewachsen, aber die dem zugrundeliegende Überzeugung, dass die Welt zu unserem Nutzen da sei und die Entscheidung darüber ausschließlich bei uns liege, ist seit Jahrtausenden unverändert. In früheren Zeiten hatten wir lediglich weniger Möglichkeiten, die Welt zu nutzen.

      Wenn wir uns ausdehnen, wie wir können und wollen, so ist das unserer Natur gemäß. Doch gerade die Tatsache, dass wir nicht mehr komplett durch unsere Instinkte gesteuert werden, gibt uns die Möglichkeit, auch anders zu handeln. Die Grenzenlosigkeit unserer Expansion beinhaltet immer auch die Möglichkeit, dass wir etwas verbrauchen, das wir später nicht mehr ersetzen können.

      Dass alles nach vorne strebt, unser System auf unserer Vorherrschaft aufgebaut ist, unsere Wirtschaft nicht anders funktionieren würde und wir das Geld schließlich brauchen, ist keine Rechtfertigung, sondern bestenfalls eine Erklärung. Wenn sich unsere heutige Kultur „zivilisiert“ nennt, sollte sie eine klare Antwort auf die Frage nach der Rechtfertigung unseres Handelns haben: Wie könnte eine Lebensweise und ihre moralisch plausible Begründung aussehen?

       Der Wert von Mensch und Tier

      Dass wir selbst der Ansicht sind, der Mensch sei mehr wert als das Tier oder die Pflanze oder ein Stein, hat wenig Bedeutung, denn auch ein Tier würde diese Frage wahrscheinlich in seinem Sinne beantworten, wenn es das könnte. Darin zeigt sich nur subjektiver Überlebenswille in Form von Egoismus oder Egozentrismus. Wenn wir uns ein Recht an der Natur oder den Tieren zusprechen wollten, so müsste dies – wie in unserer Demokratie auch – zum Beispiel von einer übergeordneten Macht zugeteilt werden, die sich dabei darum bemüht, alle Einzelinteressen zu berücksichtigen. Eine solche Instanz gibt es nicht.

      Tiere sind dem Menschen demnach objektiv nicht nachgeordnet, sie sind nicht weniger wert, ebenso wie Pflanzen. Sie sind weniger intelligent, weniger durchsetzungsfähig oder weniger flexibel, aber nicht weniger wert. Der Wertbegriff kann weder auf Menschen im Vergleich noch auf Leben im Allgemeinen angewendet werden. Ein Wert ist etwas, das wir einem Produkt beimessen, und er ist subjektiv, weil er von dem bewertenden Individuum, der Gesellschaft oder einer Zielsetzung abhängt. So gilt es nach deutschem Recht als Sachbeschädigung, wenn jemand einen Hund mit dem Auto überfährt. Hundebesitzer sehen das sicher anders.

      Wenn wir am vermeintlich hohen Wert des Menschen als Begründung für unsere Lebensweise festhalten – was wollten wir dann Außerirdischen erzählen, die unserer Entwicklung tausend Jahre voraus sind, uns für unterbelichtet halten, aber unser Fleisch sehr schmackhaft finden? Nach der von uns selbst geschaffenen Logik dürften sich solche Außerirdischen, wenn es sie denn gäbe, nach Herzenslust bedienen. Mit welchem Argument wollten wir uns darüber entrüsten?

      Bei Tieren stehen der Erhalt des Lebens und die durch sie angerichtete Zerstörung in einem für Arterhaltung und Umwelt akzeptablen Gleichgewicht. Wir aber sind durch unsere Denkfähigkeit in der Lage, die Folgen unseres Handelns vorwegzunehmen. Damit entscheiden wir bewusst, ob wir Mitmenschen und Ressourcen schützen oder unserer Gier freien Lauf lassen. Wir sind unmittelbar für das Ergebnis unseres Tuns verantwortlich. Die Evolution kann uns nicht mehr lenken.

      Von einer rechtmäßigen Vorherrschaft des Menschen kann man also nicht ausgehen. Andererseits können wir auch nicht leben, ohne dass wir und unsere Umgebung sich wechselseitig beeinflussen. Wollten wir unseren Einfluss auf unsere Umwelt auf Null reduzieren, so müssten wir uns selbst auslöschen.

       Dann ab jetzt vegan?

      In den Medien wird in letzter Zeit immer wieder die Forderung diskutiert, wir sollten kein Fleisch mehr essen. Dieser Lösungsansatz scheint klarer, als er ist. Es fängt damit an, dass manchen Menschen ein veganes Leben leichter fällt als anderen. Wir zertreten weiterhin Ameisen beim Wandern, wir beanspruchen Lebensraum, der vorher Tieren gehörte, wir essen Pflanzen, die dafür sterben und die anderen Lebewesen nicht mehr zur Verfügung stehen. Wir belegen Lebensraum, den zuvor Tiere und Pflanzen bewohnten.

      Wenn ich nach einer Mücke schlage, werden sehr pazifistische Menschen sagen, ich solle sie leben lassen, sie sei auch ein Lebewesen, und ich hätte nicht das Recht, sie zu töten. Für Fälle, in denen ich aus reiner Willkür oder Überheblichkeit handele, ist das sicherlich moralisch richtig. Jedes Lebewesen hat ein Recht auf seine Existenz, und ich sollte meine Überlegenheit nicht missbrauchen. Wenn mir das Insekt Schaden zuzufügen droht, sieht es anders aus. Auch Tiere wehren sich gegen Beeinträchtigungen durch andere Tiere. Kühe schlagen mit dem Schwanz nach Fliegen, manche Hunde zerbeißen Wespen, die sie umschwirren, und Affen lausen sich gegenseitig. Der Unterschied zu unserem Handeln ist, dass die Tiere das instinktiv tun und dazu keine bewusste Entscheidung getroffen haben. Sie sind nicht für die Folgen ihres Handelns „verantwortlich“. Dass ich die Möglichkeit zur Entscheidung und damit die Verantwortung und die Fähigkeit zur Schuld habe, nimmt mir indes nicht meine Rechte. Ich darf nach wie vor eine Mücke erschlagen, die mich stechen will. Toleranz kann man nur gegenüber Toleranten anwenden. Wer mich beeinträchtigen will, kann nicht von mir verlangen, dass ich mich stechen lasse, bloß, weil ich im Gegensatz zum Tier in der Lage bin, meinen Instinkt zu kontrollieren. Beim bewussten Handeln ergibt sich das Problem, dass man ständig beurteilen muss, ob es angemessen ist oder nicht.

      Andererseits ist es nicht notwendig, andere Tiere als minderwertig einzustufen, um sie essen zu können oder zu dürfen. Ein Löwe muss sich nicht als höherwertig gegenüber der Antilope fühlen, um sie zu jagen. Er hat Hunger und tut, wofür die Natur ihn geschaffen hat. Und genauso geht es dem Bakterienstamm, der anschließend den Löwen tötet. Auch dieser ist nicht höherwertig, weil er den Löwen töten kann. Er sorgt lediglich mit seinen Mitteln für sein Überleben. Wir müssen weder ein schlechtes Gewissen haben, weil wir Tiere essen, noch sollten wir uns ihnen gegenüber wie die Herrenrasse oder gleichgültig ob ihres Leidens verhalten. Es besteht keine Notwendigkeit, sich über oder unter die Tiere oder Pflanzen zu stellen, nicht einmal neben sie, denn der Vergleich ergibt keinen Sinn. Die dafür gültiger Kriterien müssten von allen Lebensformen der Erde gemeinsam und einvernehmlich definiert werden. Wer könnte wissen, welchen Maßstab eine Schildkröte für richtig halten würde?

      Die Einstellung, wir seien die wertvolleren Lebewesen, hat zu Massentierhaltung und Ausbeutung der Erde geführt – ein moralischer Irrtum, den wir korrigieren müssen.

      Vielleicht hat der Sinn des Universums mit den Bewegungen von Sternen und Planeten zu tun, und das Leben auf der Erde ist nur so etwas wie Pilzbewuchs auf einem Joghurt im Kühlschrank: unerwünscht und überflüssig. Das glaube ich zwar nicht, da Bewegung, Evolution und Intelligenz27 immanente Prinzipien des Universums sind. Ich kann aber auch nicht dafür garantieren, dass es falsch ist. Auf jeden Fall sind Wertmaßstäbe denkbar, in denen der Mensch keine Rolle spielt.

      Wie kann man nun zu einem moralischen und sinnvollen Handeln gelangen? Grundsätzlich halte ich alles für erlaubt, was keinem anderen Menschen, keinem, Tier, keiner Pflanze oder der Umwelt schadet, unabhängig davon, ob es heutzutage gesellschaftlich anerkannt oder geächtet ist. Da aber fast jede Handlung eines Lebewesens, vor allem aber die Ernährung, СКАЧАТЬ