Ende offen. Peter Strauß
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Название: Ende offen

Автор: Peter Strauß

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Зарубежная публицистика

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isbn: 9783347020290

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СКАЧАТЬ für Pflanzen. Was dem einen Leben dient, steht anderem Leben nicht mehr zur Verfügung. Das gilt universell, außer für einige Bakterienarten, die sich am Meeresgrund von Mineralien ernähren und dabei auch keinem anderen Leben Nahrung oder Raum wegnehmen.

      Da unser Wert nicht definierbar ist und damit nicht in ein Verhältnis zum ebenso nicht definierbaren Wert von Tieren gesetzt werden kann, müssen wir logischerweise Tieren dieselben Existenzrechte einräumen. Die Begründung, Tiere und Pflanzen zu essen, kann demnach nicht darin liegen, dass wir mehr wert wären, sondern dass es unsere Natur und derzeit zumindest teilweise unvermeidlich ist.28

       Alle leben auf Kosten anderer

      Die Lösung des Dilemmas kann darin liegen, zu akzeptieren, dass nicht nur unser Leben, sondern jedes Leben auf der Erde immer auf Kosten anderen Lebens stattfindet. Dabei sollten wir uns unserer selbst, der Tiere und allen anderen Lebens bewusst sein. Diesen Gedanken gibt es ebenfalls im Buddhismus. Essenz der Lehre des bedingten Entstehens ist: „Dieses ist, weil jenes ist“. Die Ausscheidung des Einen ist Nahrung oder Dung für den Anderen. Karma meint, dass jede Tat eine Wirkung in der Welt hat. Ziel der buddhistischen Lebensweise ist es daher, dass die eigenen Handlungen möglichst keine Spuren mehr in der Welt hinterlassen. Nur diese Haltung, die Auswirkungen des eigenen Lebens auf die Umgebung zu minimieren, berücksichtigt angemessen die Existenzrechte anderen Lebens. Wir sollten daher nichts verschwenden und achtsam mit allem Leben umgehen, Leiden vermeiden und nur nutzen, was wir wirklich brauchen, Tiere artgerecht halten, keine Lebensmittel wegwerfen, nicht sinnlos konsumieren, uns nicht beliebig weiter vermehren usw.

      Heute zeigt sich die Ausbreitung dieses Denkens darin, dass immer mehr Menschen versuchen, ihren eigenen ökologischen Fußabdruck zu minimieren und dass diese Idee in den Medien erörtert wird. Sich beispielsweise beim Essen oder bei jedem anderen Konsum bewusst zu sein, dass das eigene Leben auf anderem Leben beruht, das geendet hat, ist hilfreich. Mir ist klar, dass eine solche Forderung nach Demut immer noch unpopulär ist. Sie ist das Gegenteil der heute von den meisten empfundenen Selbstverständlichkeit unserer Lebensweise, die sich in Überheblichkeit gegenüber Tieren und Pflanzen ausdrückt. Vielen fällt es schwer, den selbstverständlichen, überheblichen Umgang mit der Welt abzulegen, und es ist unbequem. Mehr Demut und mehr Vorsicht würden nicht nur unserer Umwelt, sondern auch uns und unseren Nachfahren langfristig mehr nützen als unser bisheriges, recht grobes und kurzsichtiges Verhalten.

      Setzen wir diese Gedanken in die Tat um, so führt das in direkter Konsequenz zu höheren Preisen für die meisten Produkte. Daraus zu schließen, dass wir dann doch lieber so weitermachen sollten wie bisher, wäre voreilig, denn die höheren Preise kämen dadurch zustande, dass zum ersten Mal alle Umweltschäden, die durch die Produktion eintreten, in diesen Preisen berücksichtigt wären. Ein bisher ungerechtfertigt billiger Lebensunterhalt würde zum ersten Mal das angemessene Niveau erreichen. In der Vergangenheit haben wir unzulässig über unsere Verhältnisse gelebt.

      Es ergibt sich das Problem, dass diese höheren Lebenshaltungskosten nicht von jedem Deutschen und noch weniger von Bewohnern ärmerer Länder aufgebracht werden können. Dieses Problem der Finanzierung muss selbstverständlich gelöst werden. In Teil 3 finden sich einige Ansätze dazu.

       2.2 Menschliche Eigenschaften aus der Steinzeit und ihre heutige Wirkung

      Vor der Entwicklung von Werkzeugen, Sprache, Sesshaftigkeit, Häusern, Ackerbau, Viehzucht und Zivilisation, als Menschen noch in abgegrenzten Gruppen lebten, bestand der Lebensinhalt im Wesentlichen aus gemeinsamem Jagen und Sammeln. Der Aufwand, der zum Überleben nötig war, beschränkte sich meist auf zwei Stunden „Arbeit“ pro Tag.29 Die längste Zeit des Tages war „Freizeit“. Wolfgang Schmidbauer schreibt dazu: „Genauere, unter ökologischen Gesichtspunkten durchgeführte Feldforschung hat gezeigt, daß die früheren Anthropologen stets dazu neigten, den Reichtum dieser ‚marginalen Existenz’ zu unterschätzen. Durchweg stellte sich heraus, daß die Nahrungsquellen der Jäger und Sammler in der Regel sicher und zuverlässig sind; oft sogar von erstaunlicher Fülle.“30 Im Gegensatz dazu stieg der Arbeitsaufwand für die Ernährung beim Wechsel auf Ackerbau und Viehzucht zunächst an.31

      Menschen sind von Natur aus schon immer gierig und streben nach Mehr.

      In Bezug auf Nahrung konnte man in der Steinzeit nicht mehr Besitz erlangen, als man sich in den Bauch stopfen konnte. Schmidbauer weiter: „Im Paläolithikum, der Altsteinzeit, die auch die Zeit der Jäger schlechthin ist, gab es keine Überschüsse an Nahrung. Man kannte kaum Methoden, Fleisch zu konservieren. Noch heute erjagen und sammeln Buschmänner und Pygmäen nicht mehr, als sie für einige Tage brauchen.“32 Der im Menschen angelegten Gier nach Mehr stand beständig das Sättigungsgefühl gegenüber, das sie aufhören ließ, nach Nahrung zu suchen, wenn es befriedigt war. In der Steinzeit galt: Wer zu gierig war und sich den Bauch zu voll stopfte, bekam Bauchweh – viel mehr Anwendungsfälle für Gier gab es nicht.

      Die meiste Nahrung verdarb schnell, weshalb man sie nicht horten konnte. Darüber hinaus bestand persönlicher Besitz aus wenigen Gegenständen, vielleicht einem Fell als Kleidung und einem Knüppel oder Speer für die Jagd. Damals gab es also nur wenige Objekte, auf die sich dieses Streben beziehen konnte. Ein Mensch konnte zwar mehr Knüppel oder Felle besitzen als ein anderer, aber dies nützte ihm wenig. Solange man kein Haus besaß, gab es auch keinen Ort, an dem man Vorräte sicher hätte lagern können. Für Nomaden war Besitz nicht Vorteil, sondern Ballast.

      Erst die Möglichkeit, Lebensmittel zu lagern, in Geld zu wandeln und dieses anzuhäufen, schuf die Grundlage für vielfältigen Besitz. Dieser wurde auch durch die Einführung der Erbschaft gefördert. In frühen Kulturen wurden persönliche Habseligkeiten beim Tod ihres Eigentümers verbrannt oder auf seinem Grab zerstört.33 Ohne Erbschaft bedeutet jeder Tod eines Mächtigen einen Ausgleich der Machtverhältnisse. Auf den Zusammenhang von Besitz und Macht werde ich im nächsten Kapitel detaillierter eingehen.

      Heute gibt es unendlich viel mehr Objekte, auf die sich unser Besitzstreben beziehen kann. Die heutigen Konsummöglichkeiten führen zu einer ständigen Aktivierung unserer Gier, die nie vorgesehen war.

       Gewalt

      Vor Beginn der Zivilisation wurde die Stellung einer Person innerhalb der Gruppe durch Körperkraft, Geschicklichkeit sowie den sozialen Status bestimmt, wobei das Sozialverhalten eine maßgebliche Rolle spielte. Auch dies hat sich bis heute deutlich verändert. Zunächst bewirkte die Entwicklung von Waffen, dass die Bedeutung von Körperkraft und Kampftechnik hinter die der Waffentechnologie zurücktrat. Die Skala, auf der sich Macht bewegen kann, ist durch die Entwicklung von Waffen erheblich gewachsen. Durch diese Möglichkeit, Macht zu gewinnen, ist für den Einzelnen auch die Bedeutung des Sozialverhaltens für seine Stellung in der Gruppe zurückgegangen.

      Ausgelebte Aggressivität führte vor der Zivilisation in Form einer Prügelei zu Schrammen und Beulen und nur selten zu einem gebrochenen Knochen. Das wäre je nach Situation für den Betroffenen lebensbedrohlich geworden – und damit im Sinne der Arterhaltung nachteilig.

      Zur damaligen Zeit war der Entwicklungsstand aller Gruppen von Menschen und ihren Vorläufern recht ähnlich. Heute gibt es nur noch in entlegenen Regionen Stämme, die nahezu auf Steinzeitniveau leben. Ein stark unterschiedlicher Entwicklungsstand ist Voraussetzung dafür, dass sich eine Gruppe über eine andere erheben kann.

      Durch die Zivilisation hat also die Bandbreite der Auswirkungen von Gier, von Macht durch Besitz oder Macht durch Waffen und damit auch von Aggressivität erheblich zugenommen. Ausbeutung oder Vernichtung anderer waren in der Steinzeit zwar ebenso möglich – eventuell wurde auf diese Weise das Schicksal der Neandertaler besiegelt. Heute sind unsere Möglichkeiten zur Ausbeutung oder Vernichtung anderer jedoch ungleich größer. Auch haben wir nun die Macht, Ressourcen zu verbrauchen und zu verschwenden. СКАЧАТЬ