Ende offen. Peter Strauß
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Название: Ende offen

Автор: Peter Strauß

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Зарубежная публицистика

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isbn: 9783347020290

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СКАЧАТЬ Fähigkeiten erlernen. Sie sind aber nicht mehr völlig von den Eltern abhängig und in ihrer damaligen Gesellschaft selbständiger als ihre heutigen Altersgenossen.

      Das Gruppenleben erleichtert die Weitergabe der Erfahrung von den Alten auf die Jungen und Heranwachsenden. Die alten Leute dienten als Speicher von Wissen und Erfahrung51 und sind es in Stammesgesellschaften noch heute. „Unter den Lebensbedingungen der Jäger und Sammler konnte der Wissensschatz einer einzigen Person von über 70 Jahren über das Überleben oder Verhungern bzw. die Niederlage des gesamten Clans entscheiden.“52

      Das Leben in solchen kleinen Gruppen fördert das Gemeinschaftsdenken. Die Gemeinschaft regelt vieles automatisch, was wir in unserer heutigen Massengesellschaft in Gesetze gießen müssen, damit wir nicht über die Stränge schlagen. Die heutige Unpersönlichkeit der Verhältnisse zu den uns täglich begegnenden Personen sorgt dafür, dass unsere Hemmschwelle so weit sinkt, als seien es Mitglieder fremder, rivalisierender Clans. Die Massengesellschaft fördert unsere Rivalität, die – wie in Kapitel 2.5 näher ausgeführt – ursprünglich dazu diente, eine optimale Ausnutzung des Lebensraums zu erreichen, und sie verhindert auf diese Art Mitgefühl und verstärkt Distanz und Egoismus gegenüber unseren Mitmenschen.

      Neugier, unser beständiges Streben, Gier, Neid und unser Gerechtigkeitssinn haben früher dazu gedient, möglichst viel Nahrung zu finden und diese möglichst gleichmäßig in der Gruppe zu verteilen, um das Überleben für möglichst viele zu sichern. Neid war der Motor unserer Weiterentwicklung und unseres Strebens.53 In unserer heutigen Marktwirtschaft befeuern diese Eigenschaften den Konsum und lassen uns danach streben, nicht weniger zu besitzen als unser Nachbar. Neid ist nicht nur ein negativ bewertetes Gefühl, das man sich der Volksmeinung folgend möglichst abgewöhnen sollte. Es ist auch eine Motivation für Leistung. Neid diente in archaischen Gesellschaften dazu, eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Nahrung zu erreichen.54 Andererseits hatte Neid eine natürliche Grenze: „Wenn sämtliche Rohmaterialien – Holz, Steine, Tierfelle – für die rudimentäre Technologie leicht verfügbar sind, werden Diebstähle so überflüssig wie der Versuch, andere durch den eigenen Reichtum zu übertrumpfen.“55

      Die Gemeinschaft bietet einen guten Schutz vor dem Egoismus Einzelner, sodass die Auswirkungen von Neid, Gier und Egoismus im Clan-Leben begrenzt sind und in erster Linie dazu dienen, dass alle ausreichend versorgt werden: Einzelne in einer neolithischen menschlichen Gemeinschaft, die andere unterwerfen, ausbeuten oder für sich arbeiten lassen wollen, werden damit nicht weit kommen. Gegenüber einem Außenseiter sind sie vielleicht noch erfolgreich, aber auch in dieser relativ eindeutigen Situation laufen sie schon Gefahr, dass der Außenseiter von anderen Gruppenmitgliedern in Schutz genommen wird. Immerhin haben Menschen auch einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, und das nicht ohne Grund.56

      Konstruiert man den Fall, dass sich mehrere zusammenschließen, um sich das Leben dadurch zu erleichtern, dass sie auf Kosten anderer leben, so ist die restliche Gruppe immer noch größer, und sie verlieren mehr, als sie gewinnen. Wenn eine ganze Gruppe (vor Erfindung der Waffen) beschlossen hätte, nur noch auf Kosten anderer durch Morden und Rauben zu leben, so wäre sie auf heftigen Widerstand gestoßen. Sie wäre wahrscheinlich schnell zu der Einsicht gelangt, dass es leichter ist, selbst zu jagen und zu sammeln, als ständig andere zu berauben, da bei jedem Überfall das Risiko besteht, dass eigene Gruppenmitglieder den Tod finden. Außerdem setzt ein Raubzug voraus, dass es etwas zu holen gibt – und dies war erst mit dem Anlegen von Vorräten, also der Entstehung von Besitz nach der Sesshaftwerdung des Menschen in größerem Maße gegeben. Davor gab es bei anderen Clans kaum mehr zu rauben als das Ergebnis des täglichen Jagens und Sammelns.

      Auch abtrünnige Steinzeitmenschen, die beschließen, durch Diebstahl und Raub bei anderen Clans ihre Nahrung zu beschaffen, haben ein größeres Verletzungsrisiko und haben fast nur Gegner und wenige Freunde, sodass es sich eher lohnt, den Lebensunterhalt selbst zu erarbeiten. In der damaligen Welt ergab sich aus den menschlichen Eigenschaften und der Lebensweise, dass der Versuch der Ausnutzung anderer relativ unergiebig war. Erst wenn die Waffen und die Kampftechnik der Räuber deutlich überlegen sind und es bei den potentiellen Opfern ausreichend Beute (Besitz) gibt, steigen ihre Chancen. Dies ist ein möglicher Grund, warum es Jahrtausende dauerte, bis das Rauben und das Leben auf Kosten anderer unter den Menschen zunahmen.

      Kropotkin schreibt, die Dorfmark (also die Gemeinschaft) sei die stärkste Waffe im Kampf gegen die Unterdrückung durch die Listigsten oder Stärksten gewesen. Das enge Zusammenleben habe dafür gesorgt, dass der Egoismus im Zaum gehalten wurde.57 Rache war der Sanktionsmechanismus für Fehlverhalten. „Eine Gemeinschaft ohne Sanktion hätte aber irgendwann dazu geführt, dass die Egoisten die Gutwilligen ungestraft ausnützen.“58 Die Rache war also der steinzeitliche Vorläufer der heutigen Gerichtsbarkeit.

      Ein weiterer Grund für die Stärke damaliger Gemeinschaften liegt aber nicht darin, dass Abtrünnige keine Chance hatten, sondern dass der Zusammenhalt so stark war, dass es kaum Abtrünnige gab. Es kam aufgrund des Verbundenheitsgefühls der Gruppenmitglieder untereinander, das damals viel stärker war als heute (siehe Kapitel 2.8), selten jemand auf die Idee, andere auszunutzen.

      Die Verbreitung von Ausbeutung, Rücksichtslosigkeit, Ignoranz, Egoismus, Umweltzerstörung, von Hunger als Gegensatz zu Überfluss, Armut als Gegensatz zu Reichtum usw. ist erst möglich geworden, als wir die Gemeinschaften der Clans verlassen haben und die Individualisierung zugenommen hat. Zuvor gab es keinen Besitz und keine solchen Missstände, die heute viele wahrnehmen und anprangern. In einer Clangemeinschaft war das Verhältnis zu den anderen Clanmitgliedern zu eng, als dass es Raum für Rücksichtslosigkeit oder Besitzanhäufung gegeben hätte. Dies entsprang keiner bewussten Entscheidung oder Abwägung. Man fühlte sich den anderen viel zu verbunden, als dass man auf diese Art gegen sie hätte handeln können – genauso wie kaum jemand seine Kinder oder Eltern bestehlen, ausbeuten oder bekämpfen würde. Wer heute an der Seite der anderen gejagt hat, gestern mit ihnen zusammen gehungert hat und morgen vielleicht ihre Unterstützung braucht, wenn man plötzlich einem Wolfsrudel gegenübersteht, kommt kaum auf die Idee, sie zu bestehlen oder zu betrügen, sich auf ihre Kosten zu bereichern oder sie sonstwie zu beeinträchtigen. Auch wird es kaum Raum für Ungerechtigkeiten oder Ungleichverteilung geben. Wer so eng mit den anderen zusammenlebt, sich ihnen so verbunden fühlt und so auf sie angewiesen ist, wird sich nicht satt essen, ohne an die anderen zu denken.59 Streitigkeiten werden selten vorgekommen sein, und wenn sie einmal in Gewalt ausgeartet waren, werden die Gewalttäter sich wahrscheinlich schnell für ihr Verhalten geschämt haben, wenn sie sich wieder daran erinnerten, wie nahe ihnen die anderen standen. Kein Mitglied der Gruppe würde einem anderen Faulheit und Egoismus unterstellen, denn niemand in der Gruppe würde durch solche Eigenschaften anderen schaden, und alle fühlten das. Darauf gründete sich ihre Verbundenheit.

      Wenn heutzutage einige Kinder auf einem Schulhof ein anderes hänseln oder wenn ein Manager einen Mitarbeiter entlässt, dann bleibt dieses Handeln aus zwei Gründen für die Handelnden folgenlos: Die Betroffenen können sich nur schwer dagegen wehren, und die Handelnden sind kaum auf sie oder ihre Meinung über sie angewiesen, weil sie zu den Leidtragenden in der Regel in keinem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Der Rest der Gesellschaft wird dieses Handeln selten sanktionieren, weil er in keinem persönlichen Verhältnis zu dem einen oder anderen steht. In einer steinzeitlichen Gruppe oder einem mittelalterlichen Dorf wäre so ein Verhalten unmöglich gewesen. Der enge Zusammenhalt verhinderte automatisch übergriffige Handlungen – ohne dass es den Betroffenen dazu bewusst werden musste, dass ein Fehlverhalten sich in einer Notsituation rächen kann. Der ständige Kampf gegeneinander (Wettbewerb) ist erst durch die Auflösung der Dorfgemeinschaften und die Schaffung einer großstädtischen Gesellschaft entfesselt worden. In steinzeitlichen Clans beschränkte sich Wettbewerb auf wenige Situationen, wie die Konkurrenz um Geschlechtspartner, war aber kein immer präsentes Element der Gesellschaft wie bei uns heute.

       Der Beginn der Zivilisation

      Die neolithische Revolution СКАЧАТЬ