Название: Zukunftsträume
Автор: Corinna Lindenmayr
Издательство: Автор
Жанр: Контркультура
isbn: 9783967526547
isbn:
Er wusste, dass das nicht stimmte und dass Hannah die Karten schrieb, aber das konnte er ihr nicht sagen. Er wollte ihr den Glauben nicht nehmen, dass sie ihm dadurch Hoffnung schenkte. Hoffnung darauf, dass sie irgendwann zurückkamen. Noch so ein Punkt, den er längst hätte klären sollen.
Er war sieben Jahre alt gewesen als er sie das letzte Mal gesehen hatte. Und wahrscheinlich würde es auch dabei bleiben. Er hatte aufgehört an Wunder zu glauben. Er war alt genug für die Wahrheit, Hannah würde das akzeptieren müssen.
Natürlich vermisste er seine Eltern. Das würde er immer tun. Aber auch wenn er jeden Tag trauern würde, konnte das nichts daran ändern, dass sie nicht mehr da waren. Er wollte seine Kindheit nicht damit verbringen, nur daran zu denken und darüber zu grübeln, warum seine Eltern verschwunden waren oder was mit ihnen passiert war. Er wollte mit seinen Freunden spielen, an Eishockeywettkämpfen teilnehmen und Spaß haben.
Sein Leben war gut so wie es war. Aber langsam war es an der Zeit
selbstständig zu werden. Er konnte nicht zulassen, dass Hannah immer alles für ihn stehen und liegen ließ nur um ihn irgendwo hinzubringen oder ihn abzuholen.
Es war Zeit erwachsen zu werden.
Er hinterließ ihr eine Nachricht auf der Mailbox und machte sich auf den Weg zur Haltestelle.
Es war gar nicht so schwer gewesen, unbemerkt in die Grundschule von Max Christensen einzudringen. Aber darin war er schon immer gut gewesen. Er war darauf ausgebildet worden, sich im Hintergrund zu halten und immer dort zu sein, wo niemand ihn vermutete. Und auch jetzt gelang es ihm mehr als mühelos das zu tun was er wollte. Er war kein Mann der sich leicht aufhalten lies, schon gar nicht, wenn er noch dazu ein persönliches Interesse hatte. Er war ein ausgebildeter Navy-Seal und Scharfschütze. Außerdem hatte er sich während seiner Dienstzeit als Bombenentschärfer ausbilden lassen. Er wusste, was er tun musste um einen Sprengsatz auszuschalten, aber auch was zu tun war um einen zu bauen. So viele Jahre waren vergangen, seit jenem Tag, der sein Leben zur Hölle gemacht hatte. Jahre in denen er immer nur ein Ziel gehabt hatte: Rache.
Und diese Rache würde er jetzt nehmen. Nach fast fünf Jahren hatte er es geschafft endlich das zu finden, wonach er seit dieser Zeit gesucht hatte. Er würde das Vollenden auf das er solange gewartet hatte. Vielleicht musste er hier und da etwas an dem ursprünglichen Plan verändern, aber das war ihm egal. Er war stets loyal gewesen, hatte die Aufgaben erledigt die ihm aufgetragen wurden und er würde auch diese erledigen, aber zu seinen Bedingungen.
Kurz bevor Hannahs Straßenbahn die Haltestelle der Schule endlich erreichte machte es einen fürchterlichen Knall und eine enorme Feuerbrunst explodierte am Himmel. Der Boden begann zu vibrieren. Erst leicht, dann immer stärker. Dann folgte ein dumpfer Schlag, die Straßenbahn wurde aus ihren Gleisen gerissen und donnerte mit starker Wucht hart auf den Boden zurück. Hannahs Kopf flog nach vorne und sie schlug gegen eine Haltestange.
Dann war alles wieder ruhig.
»Was zur Hölle war das denn?« Sie rieb sich erschrocken den Kopf und starrte aus den Fenstern der Straßenbahn. Vor ihnen lag die Kreuzung zur Rothenbaumchausseé, jener Straße in der sich der Eisplatz und Max Schule befanden und von dort schlugen ihnen riesige Flammen entgegen.
»Oh mein Gott!« Bestürzt starrte Hannah auf die riesige Feuerbrunst. Die Menschen um sie herum begannen wild durcheinander zu reden, versuchten die noch immer verschlossenen Türen zu öffnen oder ließen sich geschockt wieder auf die Sitze nieder.
Sirenen ertönten und kurz darauf fuhren zwei Krankenwagen und ein Polizeiauto um die Ecke, dicht gefolgt von drei Löschfahrzeugen der Feuerwehr.
Als dann endlich die Türen der Straßenbahn geöffnet wurden strömten die Leute einer nach dem anderen ins Freie. Auch Hannah packte ihr Tasche und rannte los. Sie rannte so lange bis sie fast direkt vor dem brennenden Gebäude stand und ruckartig stehen blieb.
Es war als würde jemand ihr Herz rausreißen und darauf herum Trampeln. Winzige kleine Füßchen die immer und immer wieder dagegen traten bis nichts mehr davon übrig war. Es war ein Albtraum.
Wie in Trance starrte sie auf den Feuerball vor ihr, der aus den Überresten des gesamten Eisplatzes und der Schule hervorquoll.
Panisch stürzte sie weiter auf das Feuer zu während sie immer wieder Max Namen rief. »Oh bitte lieber Gott, bitte …« Sie lief vorbei an Trümmerresten und Betonklumpen die überall verteilt auf der Straße lagen. Sie wusste nicht genau wo sie war, nur, dass hier nirgendwo mehr eine Schule stand und auch kein Eisplatz mehr zu sehen war. Menschen schrien um Hilfe während das Feuer weiter unaufhaltsam in den Himmel schlug. Kurz bevor sie die Flammen erreicht hatte packte sie jemand am Arm und zog sie unsanft zurück. »Sind Sie wahnsinnig?« fragte eine tiefe wütend klingende Männerstimme hinter ihr während ein kräftiger Arm sie zur der Stimme umdrehte. Ein Feuerwehrmann starrte sie böse an.
»Mein kleiner Bruder, er muss da noch drin sein.« Brachte sie nur mühsam hervor, während links neben ihr eine weitere Wand in sich zusammenfiel. »Oh Gott », verzweifelt schlug sie sich die Hände vors Gesicht.
»Hören Sie, meine Männer tun was sie können. Also bleiben sie bitte hinter der Absperrung und melden Sie sich bei meinen Kollegen dort hinten an der eingerichteten Hilfestation. Er wird die vermisste Person aufnehmen. Sie helfen niemanden wenn sie sich vorher umbringen.«
Er hatte recht. Natürlich hatte er das. Sie hätte nie auch nur den Hauch einer Chance diese Flammen zu durchqueren. Ihr Verstand wusste das, aber sollte sie zusehen wie das Feuer ihren kleinen Bruder unter sich begrub, sofern es das nicht schon längst getan hatte?
Sie wollte schreien. Den ganzen Frust und die unendliche Panik einfach herausbrüllen. So laut sie konnte. Aber wie so oft in ihrem Leben würde auch das nichts ändern. Es würde ihren Bruder nicht herbringen oder das Feuer löschen und alles rückgängig machen.
Wie immer war sie dem Schicksal hilflos ausgeliefert.
Er rang nach Luft, doch irgendetwas schnürte ihm seinen Hals zu und es würgte ihn zu einem erstickenden Husten. Die Kufe seines Schlittschuhes rammte sich widerlich schmerzend in seinen Bauch, aber nicht so schlimm wie sein Körper zu brennen begonnen hatte, als plötzlich harte, schwere Gesteinbrocken über ihm zusammengebrochen waren. Er wollte weglaufen, doch der Bändel seiner Sporttasche hatte sich an irgendetwas verfangen und er war sie nicht schnell genug losgeworden.
Mit einem Mal überkam ihn eine solch heftige Müdigkeit, dass er an Ort und Stelle einschlafen konnte. Doch das durfte er nicht. Er musste wach bleiben. Leise vernahm er die Stimme seiner Schwester die ihm zurief, dass er auf keinen Fall die Augen schließen sollte.
Als er sich mit der Zunge über den Mund fuhr schmeckte er Blut. Überall war Blut und es drehte sich alles. Sein Kopf pochte gegen die Schmerzen an, die seinen Körper durchfuhren, doch es war zwecklos. Krampfhaft hatte er versucht seine Augen offen zu halten, aber er war einfach so entsetzlich müde gewesen.
Es dauerte fast eine Stunde bis das Feuer einigermaßen wieder unter Kontrolle war. Eine Zeit in der sie nichts tun konnte als warten und hoffen.
СКАЧАТЬ