Название: Zukunftsträume
Автор: Corinna Lindenmayr
Издательство: Автор
Жанр: Контркультура
isbn: 9783967526547
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Sie drehte sich um und lief an den Tisch von Tanja und Coco.
Vielleicht sollte sie doch einmal mit ihr reden. Nicht, dass sie eine Ahnung davon hatte, wie es sich anfühlte so plötzlich allein zu sein, aber bislang hatte Hannah sich zu diesem Thema immer ausgeschwiegen. Möglicherweise war jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem sie zumindest versuchen sollte, das zu ändern.
»Kann ich Euch noch etwas bringen?« fragte Julia als sie an dem Tisch angekommen war und verdrängte die weiteren Gedanken an Hannah. Ihre Freundin hatte ihr Leben im Griff. Sie sollte sich lieber um sich selbst kümmern. Schließlich war sie diejenige, die, anstelle ihres großen Traums von einem Kosmetikstudio, immer noch als Kellnerin arbeitete. Sie war es, die vor ihrem Leben davonlief, nicht ihre Freundin.
»Also ich muss los. Ich habe gleich noch einen Termin.« Coco schnappte sich ihre Handtasche und zog ihren Geldbeutel heraus. »Ich hatte zwei Latte Macchiato und einen Kirschmuffin.«
»Ich komme mit.« Tanja griff in ihre linke Hosentasche und verzog dann stirnrunzelnd das Gesicht. »Komisch, ich dachte eigentlich das ich mir vorhin noch einen 20,00 EUR-Schein eingesteckt habe.« Vorsorglich schob sie ihre Hand auch noch in die andere Hosentasche, aber auch diese schien leer zu sein.
»Schon gut. Ich lade dich ein.« erwiderte Coco und sah wieder zu Julia. »Sie hatte noch einen Kaffee. Mit extra Sahne.« Wobei Coco das letzte Wort merklich betonte.
Julia zog die Augenbrauen noch oben und grinste ihre Freundin an. »Was ist den mit deiner ach so tollen Diät geworden?«
»Ich habe beschlossen, dass ich es lieber mit Sport versuchen werde. Und schließlich sollte man es ja nicht übertreiben.«
Julia lachte. »Na da bin ich ja mal gespannt.« Schließlich war Tanja in etwa so sportlich wie ihr Vater nüchtern. Was in letzter Zeit vermutlich nur noch dann wirklich vorkam, wenn er schlief. Aber auch daran würde sie jetzt nicht denken.
»Ihr werdet schon noch sehen.« antwortete Tanja gespielt beleidigt. »Nicht weit von hier hat nämlich ein neues Fitnessstudio aufgemacht. Dort wimmelt es sicher nur so von netten, sexy Männern.«
»Ja stimmt. Schließlich gehst du ja auch genau deswegen dort hin.« zog Coco sie auf. »Aber ehrlich gesagt klingt das gar nicht so schlecht. Ein bisschen mehr Bewegung würde mir auch nicht schaden.« Sie sah an sich herunter. »Meine Oberschenkel würden es mir sicher danken.«
»Deine Oberschenkel sind vollkommen in Ordnung.« versicherte ihr Julia. Beide ihrer Freundinnen hatten eine traumhafte Figur. Keine hatte es nötig, Sport zu treiben oder Diät zu machen. Wenn dann schon eher sie. Nur konnte sie sich leider ein Fitnessstudio nicht leisten.
»Na ja, mal sehen. Vielleicht begleite ich dich.« sagte Coco zu Tanja und lief um den Tisch herum. Diese folgte ihr. »Wir sollten alle hingehen. Das wäre bestimmt lustig.« Julia zuckte leicht zusammen. »Ich stehe nicht so auf Fitnessstudios.« beeilte sie sich zu sagen.
»Du musst ja nicht wegen dem Sport hin. Zumindest nicht ausschließlich.« Coco zwinkerte ihr zu.
»Ja, ja. Schon klar.« Julia steckte das Geld, das Coco ihr gegeben hatte in den Geldbeutel. »Geht ihr mal schön ins Fitnessstudio. Ich werde versuchen mir meinen Kerl auf der Straße zu angeln. So schwer wird das schon nicht sein.«
Coco und Tanja sahen nicht sehr überzeugt aus.
»Zahlen bitte!« rief dann einer der Gäste und Julia drehte sich, erfreut über die Ablenkung, eilig zu ihm um. »Ich komme sofort.« versicherte sie ihm, warf Tanja und Coco noch einen entschuldigenden Blick zu, dann floh sie in Richtung des Mannes, der sie gerufen hatte.
Mit ein wenig Glück konnte sie an diesem Tag wieder ein schönes Sümmchen Trinkgeld verdienen, welches sie natürlich sofort in ihre Spardose stecken würde um endlich das Geld für die Kosmetikschule zusammen zu haben, die sie schon seit ihrem Schulabschluss besuchen wollte.
»Macht 14,80 EUR.« Sie reichte dem älteren Mann die Quittung, der ihr daraufhin fünfzehn Euro entgegenstreckte. »Stimmt so.« Julia nahm das Geld, bedankte sich und stopfte die kläglichen 20 Cent in ihre Schürzentasche. So würde sie ihr Leben lang hier schuften müssen.
Als Hannah ins Freie trat, spürte sie die unglaubliche Hitze dieses Tages.
Die Sonne schien mit voller Kraft und keine einzige Wolke war am Himmel zu sehen. Die Temperaturanzeige an der Haltestelle hatte 38 Grad angezeigt. Hannahs Kleid klebte an ihrer Haut während sich die Metallschnalle ihrer Handtasche brennend heiß auf ihren Oberschenkel drückte. Sie war jetzt schon über zwanzig Minuten zu spät und da sie heute morgen ihr Handy in dem vollen Spülwasser versenkt hatte, konnte sie noch nicht einmal Max anrufen um ihm Bescheid zu geben.
Es war doch zum verrückt werden. Sie schob sich eine widerspenstige Locke hinters Ohr und versuchte sich einzureden, dass es egal war. Das Max schon warten würde. Aber das war es nicht. Und das würde es vermutlich auch nie sein. Wie sollte sie auch jemals diese fürchterliche Angst ablegen? Es würde keine Rolle spielen, dass ihr Bruder älter wurde oder irgendwann sein eigenes Leben haben wollte. Sie würde sich immer Sorgen machen.
Als Hannah in die Straßenbahn einstieg erinnerte sie sich an damals. An jenen Tag vor drei Jahren, der ihr Leben erneut über den Haufen geworfen hatte. Es war ein genauso heißer und schwüler Septembertag gewesen wie heute. An diesem Tag hatte sie zum allerersten Mal die ganze verdammte Situation verflucht. Sie war wütend gewesen. Auf sich, auf ihre Eltern und auf ihr ganzes verkorkstes Leben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie immer versucht damit klarzukommen, hatte alles so akzeptiert wie es gekommen war. Es konnte nicht immer alles perfekt sein. Sie hatte gelernt das zu verstehen und nicht zu hinterfragen warum gerade ihr und ihrer Familie dieses schwere Schicksal wiederfahren war. Sie wusste, dass das nicht helfen würde, nichts an der Situation änderte, also warum sollte sie sich damit unnötig quälen? Manche Fragen blieben eben ein Leben lang unbeantwortet.
Aber dieser Schlag war einer zu viel gewesen. Mit einem Mal waren die wichtigsten Stützen in ihrem Leben verschwunden und sie hatte bis heute nichts von ihnen gehört.
Sie erreichten die nächste Haltestelle und ein warmer Windstoß kam durch die geöffnete Tür, während ein paar Fahrgäste ausstiegen und neue dazukamen.
Wo zum Teufel waren nur ihre Eltern?
Drei Jahre waren nun schon vergangen. Drei Jahre in denen sie versucht hatte, ein Dach über dem Kopf zu behalten, einen Job zu finden und ihrem kleinen Bruder vorzulügen, dass Mama und Papa bald zurückkämen. Das Schlimmste aber war, dass sie Max irgendwann die Wahrheit sagen musste. Eine Wahrheit, die sie selbst nicht verstand.
Die Türen schlossen sich und die Straßenbahn setzte sich wieder in Bewegung.
Hannah war spät dran. Die Kirchenuhr schlug bereits halb vier und noch immer keine Spur von seiner Schwester.
Ihm war heiß und er hatte keine Lust mehr in dieser Hitze zu warten. Aber er wusste, dass er sich nicht alleine auf den Weg nach Hause machen durfte. Das hatten ihm zuerst seine Eltern und dann auch Hannah konsequent beigebracht. Max seufzte. Seine Schwester СКАЧАТЬ