Название: Der Malaiische Archipel
Автор: Alfred Russel Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Путеводители
Серия: Edition Erdmann
isbn: 9783843804233
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Nach fünf Wochen kamen seine beiden oberen Vorderzähne heraus, aber in der ganzen Zeit war er nicht im Geringsten gewachsen, sondern an Größe und Gewicht ganz wie zu Anfang geblieben. Dies kam zweifellos von dem Mangel an Milch oder anderer gleich nahrhafter Kost her. Reiswasser, Reis und Zwieback waren nur schwache Ersatzmittel, und die ausgepresste Milch der Kokosnuss, die ich ihm manchmal gab, vertrug sich nicht ganz mit seinem Magen. Dem schrieb ich auch einen Anfall von Diarrhö zu, durch den das arme kleine Geschöpf sehr litt; aber eine kleine Dosis Rizinusöl tat ihm gut und heilte ihn. Eine oder zwei Wochen später wurde er wieder krank, und dieses Mal ernstlicher. Die Symptome waren genau die des Wechselfiebers, begleitet von Anschwellungen der Füße und des Kopfes. Er verlor allen Appetit, und nachdem er in einer Woche höchst jämmerlich abgezehrt war, starb er; ich hatte ihn fast drei Monate besessen. Der Verlust meines kleinen Lieblings, den ich einst großzuziehen gehofft hatte und mit nach England heimnehmen wollte, tat mir sehr leid. Monate lang hatte er mir täglich durch seine drolligen Manieren und seine unnachahmlich possierlichen Grimassen sehr viel Vergnügen bereitet. Er wog drei Pfund neun Unzen, war vierzehn Zoll hoch und die Weite seiner ausgebreiteten Arme betrug dreiundzwanzig Zoll. Ich präparierte Haut und Skelett und fand dabei, dass er, als er vom Baum gefallen war, einen Arm und ein Bein gebrochen haben musste, was sich aber so schnell wieder vereinigt hatte, dass ich damals nur die harte Anschwellung an seinen Gliedern bemerkte, wo die unregelmäßige Vereinigung der Knochen stattgefunden.
Genau eine Woche nachdem ich dieses interessante kleine Tier gefangen hatte, gelang es mir, einen ausgewachsenen männlichen Orang zu schießen. Ich war gerade von einem entomologischen Ausflug nach Hause gekommen, als Charles9 vom Laufen und vor Aufregung atemlos ins Zimmer stürzte, und mir keuchend entgegenrief: »Nehmen Sie die Flinte, Herr, – schnell, – ein sehr großer Mias!« – »Wo ist er?«, fragte ich, während ich im Sprechen meine Flinte nahm, deren einer Lauf zum Glück mit einer Kugel geladen war. »Ganz in der Nähe, Herr – auf dem Wege nach den Minen –, er kann nicht fort.« Zwei Dajaks waren gerade im Haus, ich hieß sie mich begleiten und befahl Charles, mir so bald wie möglich alle Munition nachzubringen. Der Weg von unserer Lichtung bis zu den Minen zog sich längs der Seite des Hügels entlang ein Stückchen bergan, und parallel mit demselben am Fuß hatte man eine große Öffnung geschlagen für eine Straße, an welcher mehrere Chinesen arbeiteten, sodass das Tier nicht nach unten in den morastigen Wald entschlüpfen konnte, ohne hinabzusteigen und den Weg zu kreuzen oder hinaufzusteigen, um in die Lichtungen zu gelangen. Wir gingen vorsichtig entlang, ohne den geringsten Lärm zu machen, lauschten aufmerksam auf jeden Ton, der die Gegenwart des Mias verraten könnte, und hielten manchmal an, um hinaufzuschauen. Charles traf uns bald wieder an der Stelle, wo er das Tier gesehen hatte, und nachdem wir die Munition genommen und eine Kugel in den anderen Lauf gelegt hatten, zerstreuten wir uns ein wenig, in der sicheren Überzeugung, dass er in der Nähe sein müsse, da er wahrscheinlich den Hügel hinabgestiegen und wohl nicht zurückkommen würde. Nach kurzer Zeit hörte ich ein lautes Rauschen über mir, aber konnte beim Hinaufschauen nicht das Mindeste sehen. Ich ging überall herum, um in jeden Teil des Baumes, unter dem ich gestanden, ganz hineinblicken zu können, als ich wieder denselben Lärm, nur viel lauter, hörte und sah, dass die Blätter geschüttelt wurden, wie wenn ein schweres Tier sich von einem Baum zum anderen hinüber bewegte. Ich rief sie alle sofort her und ließ sie suchen, damit ich zum Schuss käme. Das war nicht leicht, da der Mias die List beobachtete, Plätze mit dichtem Laubwerk unter sich aufzusuchen. Bald jedoch rief mich einer der Dajaks, zeigte hinauf, und da erblickte ich denn einen großen rothaarigen Körper und ein riesiges schwarzes Gesicht aus einer großen Höhe herabstarrend, als ob es sehen wollte, was da unten solchen Lärm mache. Ich feuerte sofort, aber er machte sich gleich auf und davon, sodass ich nicht sagen konnte, ob er getroffen war.
Er bewegte sich nun sehr schnell und sehr geräuschlos für so ein großes Tier weiter und ich ließ die Dajaks ihm folgen und im Auge behalten, während ich lud. Der Dschungel lag hier voll von großen eckigen Felsstücken oben vom Berg und war dick mit hängenden und ineinandergeflochtenen Schlinggewächsen bestanden. Wir liefen, kletterten und krochen darin herum, und kamen so mit dem auf der Spitze eines hohen Baumes nahe der Landstraße befindlichen Mias zusammen, wo die Chinesen ihn entdeckt hatten und mit offenem Munde ihr Erstaunen kundgaben: »Ya, Ya, Tuan; Orang-utan, Tuan.« Als er sah, dass er hier nicht weiter konnte, ohne hinabzusteigen, wendete er sich wieder dem Hügel zu; ich schoss zweimal, folgte schnell und schoss noch zwei Mal in der Zeit, bis er den Weg wieder erreicht hatte; aber er war immer mehr oder weniger von Laubwerk verborgen und von einem großen Zweig, auf den er sich stützte, geschützt. Einmal, während ich lud, konnte ich ihn vortrefflich sehen, als er sich in einer halb aufrechten Stellung längs eines großen Zweiges an einem Baum fortbewegte; es war ein Tier vom größten Umfang. Er stieg nun auf einen der höchsten Bäume des Waldes dicht am Weg, und wir konnten sehen, dass ein Bein, von einer Kugel verletzt, schlaff herabhing. Hier setzte er sich in einem Gabelzweig fest, wo er von dichtem Laubwerk verborgen war und nicht geneigt schien fortzugehen. Ich fürchtete, dass er dort bleiben und in dieser Stellung sterben würde, und da es bald Abend war, so konnte ich den Baum an dem Tag nicht mehr fällen lassen. Darum feuerte ich nochmals, worauf er weiterging, den Hügel hinauf und auf niedrigere Bäume; dort setzte er sich auf ein paar Zweige, sodass er nicht fallen konnte, und lag dort zusammengekauert wie tot oder sterbend.
Ich verlangte nun von den Dajaks, dass sie hinaufsteigen und den Zweig, auf dem er ruhte, abhauen sollten, aber sie waren ängstlich und sagten, er wäre nicht tot und würde sie angreifen. Wir schüttelten dann den benachbarten Baum, zerrten an den daranhängenden Schlinggewächsen und taten alles Mögliche, um ihn aufzurütteln, aber ganz erfolglos, sodass ich es für das Beste erachtete, nach zwei Chinesen mit Äxten zu schicken, die den Baum fällen sollten. Als der Bote gegangen war, bekam jedoch einer der Dajaks Mut und kletterte hinauf; aber der Mias wartete nicht, bis er nahe war, sondern ging auf einen anderen Baum und kam dann unter eine dichte Masse von Zweigen und Schlingpflanzen, die ihn fast gänzlich unseren Blicken entzogen. Der Baum war zum Glück klein, sodass er bald mit den inzwischen angelangten Äxten gefällt werden konnte; aber er wurde so vom Dschungel und den Schlinggewächsen mit den Nachbarbäumen verkettet, dass er nur etwas schräg zur Seite fiel. Der Mias bewegte sich nicht, und ich fürchtete, dass wir ihn trotz alledem nicht bekommen würden, da es bald Abend wurde und noch ein halbes Dutzend anderer Bäume hätte gefällt werden müssen, damit der, auf dem er saß, stürzen könnte. Als letztes Mittel fingen wir alle an, an den Schlingpflanzen zu reißen, sodass der Baum sehr geschüttelt wurde, und nach wenigen Minuten, als wir fast schon alle Hoffnung aufgegeben hatten, stürzte er herab mit einem Krach und einem Luftgeräusch wie beim Fall eines Riesen. Und er war ein Riese; Kopf und Körper hatten volle Mannesgröße. Er gehörte zu der Art, die von den Dajaks »Mias Chappan« oder »Mias Pappan« genannt wird, und bei der die Haut des Gesichtes jederseits kamm- oder faltenartig verbreitert ist. Mit ausgestreckten Armen maß er sieben Fuß drei Zoll, und seine Höhe von der Spitze des Kopfes bis zur Hacke bequem gemessen betrug vier Fuß zwei Zoll. Der Körper gerade unter den Armen hatte einen Umfang von drei Fuß СКАЧАТЬ