Jesus war kein Europäer. Kenneth E. Bailey
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Jesus war kein Europäer - Kenneth E. Bailey страница 30

Название: Jesus war kein Europäer

Автор: Kenneth E. Bailey

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783417228694

isbn:

СКАЧАТЬ Hintergedanken nur ein Ziel verfolgt.

      13. Ein Friedensstifter ist etwas anderes als ein Friedenswächter oder ein Pazifist. Friedensstifter arbeiten auf geheilte Beziehungen auf allen Ebenen hin und werden „Gottes Kinder“ genannt.

      14. Jesus ist das Vorbild für alle Seligpreisungen, und in der letzten Seligpreisung betritt er zum ersten Mal die „Bühne“, als es um die Verfolgung um seinetwillen geht. Die so Verfolgten können sich freuen, in Leidensgemeinschaft mit den Propheten zu stehen.

DRITTER TEIL
Das Vaterunser

      7

      Das Vaterunser: Gott, unser Vater

      MATTHÄUS 6,5-9

      Nach dem Zerbruch der Sowjetunion hatte ich das Vorrecht, in Riga Vorlesungen für die Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands zu halten. Die Mehrzahl der Teilnehmer an dem Seminar war zwischen 25 und 35 Jahren alt. Ihre gesamte Bildung hatten sie im kommunistischen Staatssystem erhalten, das gezielt auf eine atheistische Indoktrination der Schüler hinarbeitete. Ich fragte eine der jungen Frauen, wie sie zum Glauben gekommen war.

      „Gab es eine Kirche in Ihrem Heimatort?“, fragte ich sie.

      „Nein, die Kommunisten hatten alle Kirchen geschlossen“, lautete ihre Antwort.

      „Hatten Sie eine gläubige Großmutter, die Ihnen Gott nahegebracht hat?“

      „Nein. Alle aus unserer Familie waren Atheisten.“

      „Gab es irgendwo einen geheimen Bibelkreis, oder gab es eine Untergrundgemeinde in Ihrer Gegend?“

      „Nein, nichts von alledem.“

      „Wie kamen Sie dann zum Glauben?“

      Und sie erzählte mir die folgende Geschichte.

      Bei Beerdigungen war es erlaubt, das Vaterunser zu beten. Als Kind hörte ich diese seltsamen Worte und hatte keine Ahnung, mit wem wir da sprechen, was die Worte bedeuteten, woher sie kamen oder warum wir sie rezitierten. Als schließlich die Freiheit kam, hatte ich die Gelegenheit, nach ihrer Bedeutung zu suchen. Wenn man sich in völliger Dunkelheit befindet, leuchtete auch der kleinste Lichtpunkt sehr hell. Für mich war das Vaterunser solch ein Lichtpunkt. Bis ich zu seiner Bedeutung vorgedrungen war, war ich Christ geworden.

      In den nächsten vier Kapiteln soll versucht werden, die Bedeutung dieses hellen Lichtpunkts wenigstens teilweise zu entdecken. Wir werden uns mit dem Vaterunser beschäftigen, wie es im Matthäusevangelium überliefert ist. Schon seine bedeutungsvolle Einleitung ist eine nähere Betrachtung wert.

      Bevor Jesus seine Jünger dieses Gebet lehrt, gibt er ihnen einen Rat, wie sie beten sollen:

      Beim Beten

      sollt ihr nicht leere Worte aneinanderreihen

      wie die Heiden, die Gott nicht kennen.

      Sie meinen, sie werden erhört,

      wenn sie viele Worte machen.

      Matthäus 6,7 (NGÜ)

      Das ist ein wenig rätselhaft. Einerseits sind Jesu Gebete, die uns in den Evangelien überliefert sind, meist relativ kurz. Andererseits berichten die gleichen Evangelien, dass Jesus gelegentlich die ganze Nacht hindurch betete. Das wirft die Frage auf, was Gebet eigentlich ist. Gehörten für Jesus zum Gebet auch lange Zeiten stiller Gemeinschaft mit Gott im Heiligen Geist, in denen keine Worte nötig waren?

      Die Väter der Ostkirchen zumindest waren davon überzeugt. Im siebten Jahrhundert schrieb Isaak von Ninive über das „Stillesein“, das er in seinen Schriften folgendermaßen zusammenfasste: Man entsage „bewusst der Gabe der Worte, um innere Stille zu erreichen, inmitten derer ein Mensch die Gegenwart Gottes hören kann. Es [Stillesein] bedeutet, unermüdlich, schweigend und betend vor Gott zu stehen“.86

      Man geht oft davon aus, ein langes Gebet sei ein gutes Gebet und ein kurzes Gebet ein Zeugnis von Unreife. Die Evangelien widersprechen diesem Gedanken. In Matthäus 6,7-8 kritisiert Jesus die „Heiden, die Gott nicht kennen“, für ihre langen Gebete. Wenn sie ihre Götter anriefen (zu denen meist auch der aktuelle Herrscher zählte), gebrauchten sie lange Anredeformeln. Sie wollten sich sicher sein, alle korrekten Titel aufgezählt zu haben, damit ihr Gott (der Kaiser?) nicht beleidigt war. Wie umständlich sich das gestalten konnte, zeigt sich in den Titeln für Kaiser Galerius. Im frühen vierten Jahrhundert zitierte der christliche Geschichtsschreiber Eusebius ein Dekret von Galerius, das kurz vor der konstantinischen Epoche die Verfolgung der Christen beenden sollte. Es beginnt mit folgenden Worten:

      Imperator Cäsar Galerius Valerius Maximianus, der Unbesiegte, Augustus, oberster Priester, Besieger der Germanen, Besieger der Ägypter, Besieger der Thebais, fünfmal Besieger der Sarmaten, zweimal Besieger der Perser, sechsmal Besieger der Carpi, Besieger der Armenier, Besieger der Meder, Besieger der Adiabener, zwanzigmal Inhaber der tribunizischen Gewalt, neunmal Imperator, achtmal Konsul, Vater des Vaterlandes, Prokonsul …87

      So verstand der Kaiser sich, und so erwartete er zweifellos auch angesprochen zu werden. Eine solche Art der Anrede wurde als angemessen erachtet und war im Nahen Osten noch bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts verbreitet.

      Im Jahr 1891 schrieb ein persischer Gelehrter einen Brief an einen amerikanischen Missionar und Gelehrten, Dr. Cornelius van Dyke, der damals ein hoch angesehener Professor der Medizin in Beirut im Libanon war. Der Brief lag einem Geschenk zur Erinnerung an seinen Besuch bei dem Mediziner als Begleitschreiben bei:

      Ein Andenken, dem hochgeschätzten, geistlichen Arzt und Religionsphilosophen, Seiner Exzellenz, dem einzigen und höchst gelehrten, in seiner Generation ohne Seinesgleichen, Dr. Cornelius van Dyke, dem Amerikaner. Als Andenken, geschenkt seiner Erhabenheit und Güte, ihm, der das vorab Genannte verkörpert; einem Vermittler von Wissen und Begründer von Vollkommenheit und einem Besitzer hoher Auszeichnungen und Eigner eines rühmenswerten Charakters, die Säule des Firmaments der Tugenden und Angelpunkt des Kreises der Wissenschaften, Verfasser herrlicher Werke und verlässlicher Grundlagen, vertraut mit dem Verständnis der inneren Wirklichkeiten der Seele und Horizonte, der es verdient, dass sein Name mit Licht auf die Augen der Menschen geschrieben werde anstatt mit Gold auf Papier, in Beirut im Monat Rabia, im Jahr 1891, von [Ihrem] untertänigsten [Diener].88

      Ich gehe davon aus, dass Dr. van Dyke angemessen beeindruckt war. Jesus verkündet, dass Gott nichts davon braucht oder will. Wer betet, so lehrte Jesus, muss einfach und direkt mit Gott sprechen. Sie sollten nicht „leere Worte aneinanderreihen wie die Heiden, die Gott nicht kennen“.

      Der Prediger (Kohelet) streift in seinem Buch das gleiche Thema und gibt einen guten Rat, wie man beten soll, wenn man Gottes Haus betritt. Er schreibt: „Sei nicht vorschnell mit deinem Mund, und dein Herz eile nicht, ein Wort vor Gott hervorzubringen! Denn Gott ist im Himmel, und du bist auf der Erde; darum seien deine Worte wenige“ (Pred 5,1).

СКАЧАТЬ