Jesus war kein Europäer. Kenneth E. Bailey
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Название: Jesus war kein Europäer

Автор: Kenneth E. Bailey

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783417228694

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СКАЧАТЬ ihn anzusprechen?

      1. Jesus läutete eine neue Zeit ein, indem er auf Aramäisch betete. Damit legte er das kostbare Erbe einer heiligen Sprache und Kultur beiseite und machte jede Sprache zu einer angemessenen „Krippe“, in die das Wort Gottes gelegt werden konnte.

      2. Seine Anrede für Gott war Abba, was sowohl „Vater“ als auch „unser Vater“ bedeutet. Diese außergewöhnliche Anrede drückt einerseits eine persönliche Beziehung aus, andererseits die Hochachtung, die man einem Höhergestellten entgegenbringt.

      3. Das Anhäufen von Anreden und Phrasen wird nicht gutgeheißen. Worte, die wir vor Gott bringen, sind kostbar, müssen aufrichtig sein und es ist nicht notwendig, viele Worte zu machen.

      4. Jesus lehrte seine Jünger, zu einem Gott zu beten, der nah und doch fern ist. Er ist „unser Vater“ und gleichzeitig „im Himmel“.

      5. Feste Gebetszeiten werden weder festgelegt noch abgelehnt. Jesus wollte offenbar, dass seine Nachfolger über das Muster dreier täglicher Gebete hinausgehen, die zu seiner Zeit die übliche Praxis waren.

      6. Die Anrede „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“ wurde zugunsten des einfachen „unser Vater“ (abba) aufgegeben. Diese neue Formulierung stellte alle Gläubigen auf die gleiche Stufe, unabhängig von ihrer ethnischen oder gesellschaftlichen Herkunft.

      7. Die Anrede Abba wurde von der griechischsprachigen Gemeinde beibehalten. Es war ein kostbares Wort, das von einer besonderen Beziehung zwischen dem Gläubigen und Gott zeugte. Diese Anrede war ungewöhnlich und gewagt, wenn auch nicht einzigartig.

      8. „Unser Vater“ wird von Jesus im Gleichnis vom verlorenen Sohn näher bestimmt. Eine andere Definition ist nicht legitim. Menschliche Väter und Mütter (in der orientalischen wie in der westlichen Kultur) können die Bedeutung dieses Wortes niemals angemessen ausfüllen. Bilder für Gott bergen die Gefahr, in eine „Bilderverehrung“ zu verfallen. Dies lässt sich nur vermeiden, wenn wir Jesus gestatten, seine Begrifflichkeiten selbst zu definieren.

      9. Gott ist „unser Vater“. Das Persönliche findet seine tiefste Bedeutung im Gemeinschaftlichen. Gott ist „mein Vater“, weil er „unser Vater“ ist.

      8

      Das Vaterunser: Gottes Heiligkeit

      MATTHÄUS 6,9

      Im siebten Kapitel haben wir festgestellt, dass am Anfang des Vaterunsers mit den Worten „Unser Vater“ ein liebevoller Gott angerufen wird, der sowohl nah als auch „im Himmel“ ist. Er ist der Schöpfergott, der uns in der Menschwerdung Jesu nahekommt. Mit dem gleichen Ausdruck bekräftigt Jesus auch, dass Gott unabhängig davon existiert, ob wir ihn und sein Wirken wahrnehmen. Die Bibel geht schlichtweg von der Existenz Gottes aus und begründet sie nirgendwo. Gebet beruht auf der Voraussetzung, dass der Schöpfergott uns hören kann, wenn wir ihn ansprechen.

      Nachdem geklärt ist, zu wem wir beten, nämlich zu „unserem Vater im Himmel“, richtet das Gebet sechs bzw. sieben Bitten an Gott; da die letzten beiden Bitten thematisch eng zusammenhängen, fasse ich sie zusammen:

      1. Geheiligt werde dein Name;

      2. dein Reich komme;

      3. dein Wille geschehe,

      wie im Himmel, so auch auf Erden!

      4. Unser tägliches Brot gib uns heute;

      5. und vergib uns unsere Schulden,

      wie auch wir unseren Schuldnern vergeben haben;

      6. und führe uns nicht in Versuchung,

      sondern rette uns von dem Bösen!

      Die ersten drei werden oft „Du-Bitten“ genannt, weil sie sich auf die „Vogelperspektive“ konzentrieren, auf die Meta-Erzählung, und den Beter daran erinnern, dass er Teil der großen Menschheitsgeschichte ist. Sie berühren folgende zentrale Themen:

      – die Heiligung von Gottes Namen,

      – das Kommen von Gottes Königreich und

      – die Erfüllung von Gottes Willen.

      Danach richtet das Gebet seinen Blick auf die aktuelle Welt des Beters und seine konkreten Bedürfnisse. Diese Bitten werden auch „Wir-Bitten“ genannt und konzentrieren sich auf:

      – das tägliche Brot,

      – Vergebung in der Gemeinschaft und

      – Befreiung vom Bösen.

      Jede dieser sechs Bitten erfordert ein Eingreifen Gottes und nennt – direkt oder indirekt – eine Beteiligung durch den Glaubenden. Das heißt, zu jeder Bitte gehört die Souveränität Gottes und die Freiheit und Verantwortung des Menschen:

      1. Gott selbst macht seinen Namen heilig,

      und von mir wird erwartet, ein heiliges Leben zu führen.

      2. Gott bringt sein Königreich herbei,

      und ich soll auf das Ziel seines Kommens hinarbeiten.

      3. Gott erfüllt seinen Willen,

      und ich soll diesen Willen im Alltag entdecken und ihm gehorchen.

      4. Gott schenkt das tägliche Brot,

      und ich soll arbeiten, um es zu verdienen.

      5. Gott vergibt,

      und ich soll ebenso vergeben.

      6. Gott führt mich fort vom Bösen,

      und ich soll ein gerechtes Leben führen.

      Den allumfassenden Charakter dieser sechs Bitten und der Anrede erwähnt auch Jeremias: „In der Tat ist das Vaterunser die klarste und trotz seiner Knappheit umfassendste Zusammenfassung der Verkündigung Jesu, die wir besitzen.“101 Offensichtlich stiftet dieses Gebet einerseits Gemeinschaft und fördert andererseits das persönliche Wachstum des Einzelnen.

      Jede der drei monotheistischen Religionen hat solch ein Gebet. Das zentrale Gebet des Islam heißt Fatiha (Die Eröffnung) und enthält eine einzige Bitte: „Führe uns den geraden Weg […]“. Dieser Weg wird dann im Gebet folgendermaßen näher beschrieben:

      […] den Weg derer, denen du Gnade erwiesen hast,

      nicht [den Weg] derer, die d[ein]em Zorn verfallen sind

      und irregehen!102

      Im Islam wird der gerade Weg vom islamischen Gesetz vorgegeben. Der Inhalt der einzigen Bitte der Fatiha deckt sich mit der wichtigen Rolle, die das islamische Gesetz im Islam innehat.

      Die Segenssprüche der Tefilla СКАЧАТЬ