Jesus war kein Europäer. Kenneth E. Bailey
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Название: Jesus war kein Europäer

Автор: Kenneth E. Bailey

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783417228694

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СКАЧАТЬ Nahrung und Wasser, verschwendet werden. Im Gegensatz dazu kannten viele Menschen in Jesu Welt sowohl erbarmungslosen Hunger als auch lebensbedrohlichen Durst.

      Einmal wäre ich fast verdurstet. Während ich im Süden von Ägypten lebte, reiste ich einmal mit einer Gruppe von Freunden tief in die Sahara hinein. Als unsere Kamelkarawane loszog, stieg die Temperatur auf über vierzig Grad im Schatten; nur, dass es keinen Schatten gab. Unterwegs verlor ein undichter Wasserschlauch aus Ziegenleder all seinen kostbaren Inhalt.

      Da wir in der Hitze viel Wasser brauchten, ging es bald zur Neige, und eineinhalb Tage lang reisten wir unter schrecklichem Durst weiter. Das Ziel unserer Exkursion war Bir Shaytun, eine berühmte Quelle tief in der Wüste. Unser Guide versprach uns, dass sie niemals austrocknete – aber konnten wir lange genug überleben, um das lebensspendende Nass zu erreichen? Mein Mund trocknete völlig aus und essen war unmöglich, denn beim Schlucken fühlte sich mein Hals an, als würden zwei Stücke Sandpapier aneinanderreiben. Ich konnte nur noch verschwommen sehen und es kostete mit jedem Schritt größere Überwindung, weiterzugehen. Wir wussten: Wenn die Quelle ausgetrocknet wäre, hätten unsere bewaffneten Wachposten uns wahrscheinlich unsere drei Lastkamele gewaltsam abgenommen und wären mit ihnen zurück ins Tal gezogen, während sie den Rest von uns dem sicheren Tod in der Einöde überlassen hätten. Während ich vorwärtsstolperte, fiel mir dieser Vers ein und ich wusste, dass ich mich nie mit der gleichen unbeirrbaren Leidenschaft um Gerechtigkeit bemüht hatte, wie ich jetzt dem Wasser nachjagte.

      Ja, wir schafften es, uns zur Quelle zu schleppen, und sie war voller „Wein Gottes“, wie Wasser von den Wüstenstämmen des Nahen Ostens genannt wird. Dabei lernte ich etwas über die Sprache Jesu. In einer Welt, in der Wasser rar und Reisen beschwerlich war, wussten seine Zuhörer, was es bedeutete, nach Nahrung und Wasser zu „hungern und dürsten“. Sie konnten verstehen, was Jesus über die verzehrende Leidenschaft nach Gerechtigkeit sagte.

      Doch Jesus sagte nicht: „Glückselig, die ein gerechtes Leben führen“, sondern vielmehr: „Glückselig, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten“. Diese Aussage setzt voraus, dass Gläubige ständig nach Gerechtigkeit trachten. Glückselig sind nicht diejenigen, die Gerechtigkeit umsetzen, sondern diejenigen, die um jeden Preis nach einer vollkommeneren Gerechtigkeit streben. Dieses beständige, unermüdliche Streben nach Gerechtigkeit zeichnet die Menschen aus, denen Jesu Seligpreisung gilt.

      In Matthäus 13,44-46 finden wir zwei zusammengehörende Gleichnisse, die Licht auf diese Seligpreisung werfen. Das erste vergleicht das Himmelreich mit einem Mann, der einen Schatz in seinem Acker findet und alles verkauft, um diesen Acker zu erwerben. Das zweite Gleichnis vergleicht das Himmelreich mit einem Kaufmann, der nach einer sehr wertvollen Perle sucht. Entgegen dem weitverbreiteten Verständnis wird das Himmelreich im zweiten Gleichnis nicht mit der Perle verglichen, sondern mit dem Kaufmann, der danach sucht. Die Seligpreisung, die wir gerade betrachten, entspricht dem zweiten Gleichnis. Die Gläubigen, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, werden in ihrem Streben als glückselig bezeichnet. Doch was genau ist Gerechtigkeit?

      Die großen Worte ṣědāqâh (hebräisch) und dikaiosynē (griechisch) sind in der Bibel theologische Schwergewichte. Der Artikel im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament zu diesen und den damit verwandten Begriffen erstreckt sich über 53 dicht gefüllte Seiten.77 Der Schlüssel zu alledem liegt darin, dass ṣědāqâ nicht eine „absolute ideelle ethische Norm“78 bezeichnet, sondern „durchaus ein Verhältnisbegriff ist und eine Beziehung bezeichnender Begriff“ ist. „Jedes Verhältnis bringt bestimmte Ansprüche an das Verhalten mit sich, und die Befriedigung dieser Ansprüche, welche sich aus dem Verhältnis ergeben und bei welcher allein das Verhältnis bestehen kann, wird mit unserem Begriff

[ṣædæq] bezeichnet.“79

      Angesichts eines so fundamentalen Begriffes ist klar, dass Gerechtigkeit wie ein Diamant mit vielen Facetten ist. Vier davon wollen wir kurz näher betrachten.

      Erstens bezieht sich Gerechtigkeit in der biblischen Literatur häufig auf die mächtigen Heilstaten Gottes. Auch hier ist von Rads Einsicht hilfreich: „Von den ältesten Zeiten an hat Israel Jahwe als den gefeiert, der seinem Volk die universelle Gabe seiner Gerechtigkeit zuwendet. Und diese Israel zugewandte

[ṣědāqâ] ist immer Heilsgabe.“80 Eine der Stellen, an denen dies deutlich zum Ausdruck kommt, findet sich in Micha 6,3-5:

      „Mein Volk, was habe ich dir angetan,

      und womit habe ich dich ermüdet? Sage aus gegen mich!

      Ja, ich habe dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt

      und aus dem Haus der Sklaverei erlöst;

      und ich habe Mose,

      Aaron und Mirjam vor dir hergesandt.

      Mein Volk, denk doch daran, was Balak, der König von Moab, beratschlagt,

      und was Bileam, der Sohn des Beor, ihm antwortete,

      denk an den Übergang von Schittim bis Gilgal,

      damit du die gerechten Taten [wörtlich: die Gerechtigkeiten] des HERRN erkennst!“

      In diesem Text erinnert Gott noch einmal an seine mächtigen Taten zur Rettung Israels und ruft das Volk dazu auf, sich an diese zu erinnern. Das erklärte Ziel dieser Erinnerung ist, „damit du die ṣědāqôt [‚Gerechtigkeiten‘] des HERRN erkennst“. Die Einheitsübersetzung schreibt für ṣědāqôt richtigerweise „die rettenden Taten“. Genau das ist in diesem Text gemeint. Denn diese rettenden Heilstaten brachten Israel nicht nur in Sicherheit, sondern verliehen ihm auch einen neuen Stand.

      Gerechtigkeit hat zweitens die Bedeutung, „für gerecht erklärt“ zu werden. Rudolf Bultmann schreibt:

      Er [der Gerechtigkeitsbegriff] meint nicht die ethische Qualität, überhaupt nicht eine Qualität der Person, sondern eine Relation; d. h. δικαιοσύνη hat die Person nicht für sich, sondern vor dem Forum, vor dem sie verantwortlich ist.

      Weiter schreibt er:

      Mit […] Mt 5,6 sind offenbar nicht diejenigen gemeint, die sich „immer strebend“ um sittliche Vollkommenheit „bemühen“, sondern diejenigen, die sich danach sehnen, dass Gottes Spruch im Gericht über sie das Urteil „gerecht“ fällt.81

      Dieses Verständnis von Gerechtigkeit als „gerecht gesprochen zu sein“ taucht auch in Jesaja 54,10-17 auf, wo es heißt (V. 10.14.17):

      Aber meine Gnade wird nicht von dir weichen

      und mein Friedensbund nicht wanken […]

      Durch Gerechtigkeit [ṣědāqâ] wirst du fest gegründet sein. […]

      Das ist das Erbteil der Knechte des HERRN

      und ihre Gerechtigkeit [ṣědāqâ] von mir her, spricht der HERR.

      Schrenk schreibt: „Gottes Gerechtigkeit nimmt als sein richterliches Walten die Gestalt an, dass sie in Bundes- und Vertragstreue seinem Volke Recht schafft und dadurch Heil.“82

      Wenn Gott also in Gerechtigkeit handelt, um seinem Volk einen neuen Stand zu geben, wie muss es dann darauf antworten? Wie bereits angemerkt, stellt jede Beziehung Ansprüche an das Verhalten. Wenn Gottes Heilstaten seine Gerechtigkeit СКАЧАТЬ