Jesus war kein Europäer. Kenneth E. Bailey
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Название: Jesus war kein Europäer

Автор: Kenneth E. Bailey

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783417228694

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СКАЧАТЬ ist Gerechtigkeit ebenfalls eine Reaktion des Menschen auf das Urteil „unschuldig/gerecht“, das als unverdiente Gnade Gottes angenommen wird. Dieses überwältigende Geschenk der Annahme durch Gott erfordert von den Gläubigen eine Antwort. In Erinnerung an die Bedeutungsüberschneidung zwischen Recht und Gerechtigkeit ist klar: Ein gerechter Mensch ist jemand, der sich recht verhält. Dieses rechte Verhalten erschöpft sich wiederum ebenfalls nicht darin, jedem zu geben, was ihm zusteht, sondern begegnet den Ausgestoßenen, Unterdrückten, Schwachen, Witwen und Waisen barmherzig und mitfühlend.

      Hiob ist ein klassisches Beispiel für einen gerechten Menschen. Als er angegriffen wird, verteidigt er sich mit den Worten:

      Ich kleidete mich in Gerechtigkeit,

      mich bekleidete wie ein Oberkleid und Kopfbund mein Recht.

      Auge wurde ich dem Blinden,

      und Fuß dem Lahmen war ich!

      Ein Vater war ich für die Armen,

      und den Rechtsstreit dessen, den ich nicht kannte, untersuchte ich.

      Hiob 29,14-16

      Hier, wie auch an anderer Stelle, greifen Recht und Gerechtigkeit ineinander; manchmal tragen sie sogar die gleiche Bedeutung. Und die Gerechtigkeit, die Hiob für sich in Anspruch nimmt, besteht in barmherzigem Handeln den Schwachen und Verletzlichen gegenüber, nicht in der objektiven Anwendung des Gesetzes. Jesaja beschreibt den leidenden Gottesknecht folgendermaßen:

      Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen,

      und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.

      In Treue bringt er das Recht hinaus.

      Jesaja 42,3

      Das Wesen der Gerechtigkeit, die dieser einzigartige Knecht Gottes an den Tag legt, besteht in barmherzigem Verhalten gegenüber Zerbrochenen und Erschöpften. Micha erläutert diese Definition eingehender, indem er an Gottes „Gerechtigkeiten“ bei der Befreiung seines Volkes aus Ägypten erinnert. Der Prophet fragt, wie Gottes Volk nun reagieren solle?

      Womit soll ich vor den HERRN treten,

      mich beugen vor dem Gott der Höhe?

      Micha 6,6

      Das personifizierte Israel will wissen, ob Gott Brandopfer, Tausende von Widdern, Zehntausende von Bächen Öls oder sogar das Opfer seines Erstgeborenen fordert. Die unausgesprochene Antwort lautet Nein! Dann spricht der Prophet Israel an: „Man hat dir mitgeteilt, Mensch, was gut ist“ (Mi 6,8). Wo hat Gott gezeigt, welche Reaktion er von Israel erwartet? Wo hat er ihnen mitgeteilt, „was gut ist“? Die Antwort liegt auf der Hand: in den Heilstaten Gottes gegenüber seinem Volk (die in den vorangegangenen Versen noch einmal aufgeführt wurden). Gottes große Barmherzigkeit gegenüber Israel beim Auszug aus Ägypten und in der Folgezeit bildet das Muster für barmherziges Verhalten, das er auch von ihnen erwartet. Ein „Konzentrat“ dieser Erwartungen erscheint dann in den letzten Zeilen des Abschnitts, in denen es heißt:

      Und was fordert der HERR von dir,

      als Recht zu üben und Güte zu lieben

      und einsichtig zu gehen mit deinem Gott? (V. 8)

      Wie Gott mit Israel umging in seiner Not wird zum Vorbild für Israels Verhalten gegenüber anderen.

      Schließlich ist Gerechtigkeit auch mit Frieden verbunden. Diesen Gedanken finden wir in Jesaja 32, wo es heißt (V. 17-18.20):

      Und das Werk der Gerechtigkeit wird Friede sein

      und der Ertrag der Gerechtigkeit Ruhe und Sicherheit für ewig.

      Dann wird mein Volk wohnen an einer Wohnstätte des Friedens

      und in sicheren Wohnungen und an sorgenfreien Ruheplätzen […]

      Glücklich [’ašrêkem] ihr, die ihr an allen Wassern sät

      und Rind und Esel freien Lauf lasst!

      Wo Gerechtigkeit und Friede walten, sind sogar die Haustiere frei.

      Zusammenfassend lässt sich sagen: Glückselig ist, wer ebenso intensiv nach Gerechtigkeit strebt wie Hungrige und Durstige nach Essen und Trinken suchen. Gottes Gerechtigkeit zeigt sich in seinen rettenden Taten. Diese Rettung schenkt seinem Volk die Möglichkeit, als Angenommene vor ihm zu stehen. Sie wiederum bemühen sich unermüdlich um einen Lebensstil, der dieser ihnen geschenkten Beziehung entspricht. Ihre Antwort auf Gottes Geschenk gestalten sie so, wie Gott in seinen mächtigen Taten mit ihnen umgegangen ist. Zu dieser Antwort gehören auch Gerechtigkeit und Barmherzigkeit für die Schwachen.

      Unsere Seligpreisung schließt mit den Worten: „denn sie werden gesättigt werden“. Dies ist ein weiterer Fall des „göttlichen Passivs“. Gott ist derjenige, der sie „sättigen“ oder zufriedenstellen wird. Für viele ist das ein seltsamer Gedanke. Landläufig versteht man unter Gerechtigkeit nichts weiter als die Einhaltung einer ethischen Norm. Wer das Gesetz hält, den allgemein akzeptierten Maßstäben der Gesellschaft folgt und ein vorbildliches persönliches Leben führt, wird von der Gesellschaft respektiert und damit zufriedengestellt. Doch wenn Gerechtigkeit eine von Gott geschenkte Beziehung beschreibt, die Frieden bringt, dann kann nur Gott die Sehnsucht nach dieser Gerechtigkeit stillen und die Anerkennung oder Missbilligung der Gesellschaft ist irrelevant. Wir sind nicht gerecht, um unsere Mitmenschen zufriedenzustellen, sondern um Gott unsere Dankbarkeit zu zeigen und unsere Beziehung zu ihm zu pflegen.

      Weil alle Menschen hungrig und durstig werden, suchen sie jeden Tag nach Nahrung und Wasser in der Hoffnung, dass ihre Bedürfnisse gestillt werden. Doch für wie lange? Nach einigen Stunden kehrt das Bedürfnis zurück. Unsere Seligpreisung macht deutlich, dass die, die glückselig genannt werden, sich so sehr und immer wieder nach Gerechtigkeit verzehren wie die tägliche Sehnsucht nach Essen und Trinken. Der Hunger und Durst nach dieser Gerechtigkeit kann nur von Gott gestillt werden.

      Wer abnehmen will, wird sich darum bemühen, das Verlangen nach Essen und Trinken im Zaum zu halten. Im Kampf gegen dieses Verlangen werden Tabletten, mentale Übungen, Sport, Selbstbeherrschung, Gruppenzwang und Ähnliches zu Hilfe gezogen. Bei den Seliggepriesenen kann das Verlangen nach Gerechtigkeit ebenso stark sein, doch dieses Begehren muss nicht gezügelt werden. Vielmehr darf man ihm nachgeben – und es wird von unserem gnädigen Gott befriedigt werden. In Gerechtigkeit kann man ohne negative Nebenwirkungen schwelgen!

      Von Rad fasst das Thema mit folgenden Worten zusammen: „

[ṣědāqâ] kann man ohne Weiteres als den höchsten Lebenswert bezeichnen, als das, worauf alles Leben, wenn es in Ordnung ist, ruht.“83

      Glückselig die Barmherzigen,

      denn ihnen wird Barmherzigkeit widerfahren.

      Barmherzig zu sein, hat zwei Grundbedeutungen. Die erste hat mit Barmherzigkeit zu tun, die aus Gefühlen und Taten besteht. Der Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn „hatte Erbarmen“ und „lief“ (rannte!) ihm entgegen (Lk 15,20; EÜ). Seine barmherzigen Gefühle führen ihn dazu, drastisch zu handeln. Über Jesus heißt es immer wieder, dass er Erbarmen mit den Notleidenden um ihn herum hatte (Mt 9,36; 14,14; 18,27; Mk 1,41; 6,34; Lk 7,13; 10,33). Manchmal werden die Gefühle gar nicht СКАЧАТЬ