Marie Grubbe. Jens Peter Jacobsen
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Название: Marie Grubbe

Автор: Jens Peter Jacobsen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Große verfilmte Geschichten

isbn: 9783955012120

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СКАЧАТЬ auf ihn herab. Er versuchte zu reden, aber da wurden die Rufe noch stärker, und die, so der Treppe zunächst waren, drängten drohend auf ihn ein. Ein weißhaariges Männchen ganz vorn, das die ganze Zeit während der Predigt geweint hatte, stach nun wütend nach ihm mit seinem langen, silberknopfigen Stock.

      »Nieder mit ihm!« schrie man, »nieder mit ihm! er soll widerrufen, was er gesagt hat; er soll gestehen, was er gekriegt hat, um uns zu verführen. Nieder mit ihm! Gebt ihn uns hierher zum Geständnis! Wir wollen es ihm schon abzwacken!«

      »Er soll in den Keller, das soll er,« riefen andere, »er soll in den Ratsstubenkeller! Langt ihn herab! langt ihn herab!«

      Ein paar starke Kerle hatten ihn schon gepackt. Der Unglückliche klammerte sich an das Holzgeländer der Treppe; da rissen sie dieses und auch ihn auf die Straße hinab, hinunter unter die Menge. Er wurde mit Fußtritten und Faustschlägen empfangen. Alle Weiber zerrten an seinem Haar und seinen Kleidern, so daß kleine Jungen, die an der Hand ihres Vaters dastanden und zusahen, vor Vergnügen hüpften.

      »Laßt Mette vorkommen!« wurde von hinten hergeschrien, »geht beiseite! beiseite! Mette soll ihn in Verhör nehmen.«

      Mette kam hervor. »Will Er seine Teufelspredigt wieder zurücknehmen? will Er das, Meister Lurifax?«

      »Nimmermehr, nimmermehr! Man soll Gott mehr gehorchen denn den Menschen, wie geschrieben stehet.«

      »Soll man das!« sagte Mette und zog ihren Holzpantoffel aus und bedrohte ihn damit, »aber die Menschen haben Holzpantoffel, das haben sie, und du bist ein Soldknecht des Satans und nicht Gottes des Herrn, ich werd dich schlagen, das werd ich, daß dein Gehirn da nebenan auf der Mauer sitzen soll!« und sie schlug ihn mit dem Pantoffel.

      »Versündiget Euch nicht, Mette«, stöhnte der Magister.

      »Da soll denn doch der Satan!« kreischte sie.

      »Still, still,« rief man, »nehmt euch in acht, nehmt euch in acht und dränget nicht so; da kommt Gyldenlöv, der Generalleutnant!«

      Eine hohe Gestalt ritt vorüber.

      »Lange lebe Gyldenlöv! der tapfere Gyldenlöv!« brüllte die Menge.

      Man schwenkte mit Hüten und Mützen, und die Rufe wollten kein Ende nehmen; dann ritt die Gestalt weiter, dem Walle zu.

      Es war der Generalleutnant der Miliz, Oberst zu Pferde und zu Fuß, Ulrik Christian Gyldenlöve, des Königs Halbbruder.

      Die Menge zerstreute sich, es wurden weniger und weniger, bald waren es nur noch ein paar einzelne.

      »Es ist gleichwohl kurios,« sagte Färber Gert, »da schlagen wir dem den Kopf entzwei, der von Friedfertigkeit redet, und rufen uns heiser für den, der am meisten schuld an dem Kriege ist.«

      »Gott befohlen, Gert Pyper, Gott befohlen und eine geruhsame gute Nacht!« sagte der Kaufmann abbrechend und eilte von ihm weg.

      »Der denkt an Mettes Pantoffel!« murmelte der Färber; dann ging auch er.

      Drüben auf der Treppe saß Jesper Kiim ganz allein und hielt sich den schmerzenden Kopf; und oben auf dem Wall gingen die Wächter auf und nieder und spähten über das dunkle Land hinaus, wo alles still war, ganz still, obwohl Tausende von Feinden da draußen lagen.

      Viertes Kapitel

      Gelbrote Lichtflecke schossen über der meergrauen Nebelbank am Horizont auf und entzündeten die Luft über sich, so daß sie in einer sanften, rosengüldenen Flamme brannte, die sich weiter und weiter ausbreitete, bleicher und bleicher, bis hinauf zu einer langen, schmalen Wolke; sie griff nach ihrem welligen Saum, machte ihn glühend, goldig, blendend. Über dem Kallebostrand war es hell von violettem und rötlichem Widerschein aus den Wolken der Sonnenecke. Der Tau zitterte auf dem hohen Gras des Westerwalles, und die Spatzen zwitscherten auf den Dächern dahinter und in den Gärten davor, so daß die Luft ein einziges bebendes Klingen war. Aus den Gärten trieb ein leichter, feiner Dunst in schmalen Streifen, und die Bäume neigten langsam die fruchtschweren Zweige vor dem Lufthauch draußen vom Sunde her.

      Ein langgezogenes, dreimal wiederholtes Hornsignal erscholl vom Westertor und ward aus den andern Stadtecken beantwortet. Die einsamen Schildwachen längs des Walles begannen schneller auf ihren Posten hin und her zu gehen, schüttelten die Mäntel und richteten an ihrer Kopfbedeckung: jetzt kam ja die Ablösung.

      Draußen auf der nördlichen Station vor dem Westertor stand Ulrik Frederik Gyldenlöve und sah den weißen Möwen nach, die in segelndem Fluge über der blanken Wasserfläche des Wallgrabens auf und nieder strichen.

      Flüchtig und leicht, bald matt, bald nebelhaft, bald farbenreich, stark, glühend, lebendig und klar jagten seine zwanzigjährigen Erinnerungen ihm an der Seele vorüber. Sie kamen im Duft starker Rosen und im Duft frischer, grüner Wälder; sie kamen im Klang von Jägerhallo, zum Ton von Geigen und im Rauschen knisternder Seide. Das Kindheitsleben da unten in der holsteinischen Stadt mit den roten Dächern zog fern, aber sonnenbeleuchtet vorüber; er sah die hohe Gestalt seiner Mutter, der Frau Margrete Pappen, ihr schwarzes Gesangbuch und ihre weißen Hände; die sommersprossige Kammerzofe mit den dünnen Knöcheln sah er, und den aufgedunsenen Fechtmeister mit dem rotblauen Gesicht und den schiefen Beinen. Der Garten von Gottorp zog vorüber und die Wiesen mit den frischen Heuschobern unten an der Förde, und da stand des Jägers täppischer Heinrich, der wie ein Hahn krähen und so prächtig flache Steine auf der Wasserfläche dahintanzen lassen konnte. Die Kirche kam mit ihrem wunderlichen Halbdunkel, ihrer stöhnenden Orgel, mit dem geheimnisvollen eisernen Gitter der Kapelle und dem mageren Christus, der die rote Fahne in der Hand hatte.

      Vom Westertor erscholl wieder ein Hornsignal, und im selben Augenblick brach das Sonnenlicht hervor, grell und warm, und verjagte alle Nebel und dunstigen Töne.

      Und dann war da die Jagd, wo er seinen ersten Hirsch schoß und der alte von Dettmer ihm die Stirn mit dem Blut des Tieres zeichnete, während die armen Jägerburschen wildschmetternde Fanfaren bliesen. Und dann war da der Blumenstrauß für des Schloßvogts Malene und die ernste Szene mit dem Hofmeister, und dann war da die Reise ins Ausland mit dem ersten Duell im taufrischen Morgen, mit Annettens Kaskaden von klingendem Gelächter, mit dem Ball beim Kurfürsten und der einsamen Wanderung vor die Tore der Stadt, da sein Kopf von dem ersten Rausch schmerzte. Dann kam ein goldener Nebel mit dem Klang von Bechern und dem Duft von Wein, und da war Lieschen, und da war Lotte, und da waren Marthas weißer Nacken und Adelaidens runde Arme. Endlich die Reise nach Kopenhagen, der gnädige Empfang seines königlichen Vaters, das geschäftig langweilige Hofleben der Tage und wilde Nächte, wo der Wein in Strömen floß und der Kuß raste, unterbrochen von dem lustigen Lärm prachtvoller Jagdfeste und dem zärtlichen Geflüster nächtlicher Stelldicheins im Jbstrupschen Garten oder in den goldenen Sälen des Hilleröder Schlosses.

      Aber weit klarer als dies alles sah er Sofie Urnes brennend-schwarze Augen, weit mehr hingerissen lauschte er in der Erinnerung ihrer wollustweichen, schönen Stimme, die einen gedämpft wie mit weichen Armen an sich lockte und erhoben entfloh wie ein Vogel, der aufsteigt und einen mit übermütigen Trillern verspottet, während er davonfliegt...

      Ein Rascheln unten im Buschwerk des Wallabhanges erweckte ihn aus seinen Träumen.

      »Wer da!« rief er.

      »Es СКАЧАТЬ