Marie Grubbe. Jens Peter Jacobsen
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Название: Marie Grubbe

Автор: Jens Peter Jacobsen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Große verfilmte Geschichten

isbn: 9783955012120

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СКАЧАТЬ ›Die leibhaftige Kürze‹? Was tausend Seuchen macht Er da?«

      Der Mann sah betrübt vor sich nieder.

      »Daniel, Daniel!« sagte Ulrik Frederik und lächelte, »Er ist diese Nacht nicht ungeschädigt aus dem »feurigen Ofen« hervorgegangen; der deutsche Brauer hat Ihm wohl zu stark eingeheizt.«

      Der Gichtbrüchige schickte sich an, den Wallabhang hinaufzuklimmen. Daniel Knopf, auf Grund seiner Natur auch ›die leibhaftige Kürze‹ genannt, war ein reicher Großkaufmann von einigen zwanzig Jahren und war ebenso bekannt wegen seines Reichtums wie seiner scharfen Zunge und seiner Fechtkunst halber. Er pflegte viel Umgang mit dem jungen Adel, das heißt mit einem bestimmten Kreis, der unter dem Namen »le cercle des mourants« bekannt war und insonderheit aus jüngeren, dem Hofe zunächststehenden Leuten bestand. Ulrik Frederik war die Seele in diesem Kreis, der mehr lebenslustig als intelligent, mehr berüchtigt als beliebt, aber eigentlich ebenso bewundert und beneidet wie berüchtigt war.

      Halb als Hofmeister, halb als Hofnarr lebte Daniel mit diesen Menschen. Er verkehrte nicht mit ihnen auf öffentlicher Straße oder in adeligen Häusern, aber auf dem Fechtboden, in Weinhäusern und in Herbergen war er ihnen ganz unentbehrlich. Keiner konnte so wissenschaftlich über Ballspiel und Hundedressur oder so salbungsvoll über Finten und Paraden reden. Keiner kannte den Wein wie er. Er hatte tiefsinnige Theorien über Würfelspiel und Liebeskunst und konnte lange und gelehrt über das Verwerfliche reden, die inländischen Stuten mit Salzburger Hengsten zu kreuzen. Er wußte endlich Anekdoten über alles, und was den andern jungen Leuten außerordentlich imponierte, er hatte seine bestimmten Ansichten über alles.

      Dann war er in hohem Grade fügsam und dienstwillig, vergaß niemals den Unterschied zwischen sich und dem Adel und hatte ein so fabelhaft lächerliches Aussehen, wenn sie ihn aus Übermut und Trunkenheit auf irgendeine tolle Art ausstaffierten. Er ließ sich uzen und ausschelten, ohne böse zu werden, und war überhaupt so gutmütig, daß er sich manch liebes Mal selber preisgab, wenn er dadurch einem Gespräch Einhalt tun konnte, das für den Frieden in der Gesellschaft eine gefährliche Wendung zu nehmen begann.

      Das war es auch, was es ihm möglich machte, mit diesen Leuten Umgang zu pflegen, und er mußte mit ihnen umgehen; für ihn, den bürgerlichen Krüppel, waren die Adeligen Halbgötter; nur sie lebten, nur ihre Freimaurersprache war menschliche Rede; über ihrem Dasein lag ein Tag von Licht und ein Meer von Luft, während die anderen Stände das Leben in farbenarmem Dunkel und qualmiger Luft verbrachten. Er verwünschte, daß er bürgerlich geboren war, als ein weit größeres Unglück denn seine Mißgestalt und grämte sich darüber, wenn er allein war, mit einer Bitterkeit und Heftigkeit, die dem Wahnwitz ziemlich nahe kam.

      »Nun, Daniel,« sagte Ulrik Frederik, als der Kleine zu ihm heraufgekommen war, »es ist keineswegs ein geringer Nebel gewesen, so Er heute nacht vor den Augen gehabt hat, sintemal Er sich hier auf dem Westerwall festgesegelt hat; oder stieg der Kräuterwein gestern abend so hoch, sintemal ich Ihn hier sicher und trocken liegend antreffe, wie die Arche Noä auf dem Berge Ararat?«

      »Prinz von Kanarien, Ihr redet irre, wenn Ihr meinet, ich sei heut nacht mit Euch beim Gelage gewesen!«

      »Aber was zu allen Teufeln ist es denn mit Ihm?« rief Ulrik Frederik ungeduldig.

      »Herr Gyldenleu,« antwortete Daniel ernsthaft und sah mit Tränen in den Augen zu ihm auf, »ich bin ein elendiger Mensch!«

      »Er ist ein Krämerhund, das ist Er! Ist Ihm bange um eine Heringsschute, daß der Schwed Ihm die wegnimmt? Oder jammert Er darüber, daß ein Stillstand in Seinem Handel eintreten kann, und meint Er, daß Sein Safran die Kraft verliere und der Schimmel in Seinen Pfeffer und Sein Paradieskorn fallen könnt? Krämerseele, die Er ist! Als hätt ein guter Bürger sich nichts weiter zu Herzen zu nehmen, wie daß Sein schäbiger Kram zum Teufel geht, jetzt, wo es für König und Reich nach Untergang aussieht!«

      »Herr Gyldenleu!«

      »Ach, scher Er sich zum Teufel mit Seinem Geflenn!«

      »Nein, Herr Gyldenleu,« sagte Daniel feierlich und trat einen Schritt zurück; »denn weder klage ich um Geschäftsabbruch noch über den Verlust von Geld oder Geldeswert; ich scher mich den Düwel und ein Deut um Heringe und Safran, aber weggeschickt werden wie ein Aussätziger oder Landes-Unehrlicher von Offizieren und Gemeinen, das ist ein Sündenunrecht wider mich, Herr Gyldenleu; – deswegen hab ich heut nacht im Gras gelegen und gewinselt wie ein räudiger Hund, der ausgeschlossen ist; deswegen hab ich mich gekrümmt und gewunden wie das elendigste kriechende Tier und zu dem Gott des Himmelreichs geschrien in meiner Kümmernis und Ohnmacht, und bin mit ihm ins Gericht gegangen, warum ich allein soll platterdings verworfen sein, warum mein Arm für verdorret und untauglich gelten soll, Waffen und Gewehr zu führen, alldieweil Diener und Handwerksburschen ausgerüstet werden ...«

      »Aber wer, zum Teufel auch, hat Ihn denn abgewiesen?«

      »Ja, Herr Gyldenleu, ich lief zu den Wällen so wie die anderen, die liefen; aber kam ich zu der einen Abteilung, so sagten sie, sie könnten mitnichten mehr sein, und kam ich zu der nächsten, so sagten sie spöttischerweis, sie seien nur geringe Bürgersleut, dies sei kein Platz für Adelspersonen und vornehmes Volk, und mehr dergleichen Gewäsch; aber es gab auch Abteilungen, wo sie sagten, sie wollten nichts mit Gebrechlichen zu schaffen haben, sintemal sie Unglück brächten und die Kugeln nach sich zögen, und sie wären mitnichten gewillt, ihr Leben und ihre Glieder zu hazardieren, indem sie solch einen Menschen unter sich hätten, den Gott der Herr gezeichnet hält. Da supplizierte ich an Generalmajor Ahlefeld, daß mir ein Platz möcht angewiesen werden, aber der schüttelt bloß den Kopf und lacht: so verzweifelt arg sei es denn doch auch noch nicht, daß sie die Reihen mit so verkrüppelten Stümpfen ausfüllen müßten, die ihnen mehr zu Ungelegenheit denn zu Hilfe sein würden.«

      »Aber warum ging Er nicht zu einigen der Offiziere, mit denen Er bekannt ist?«

      »Das tat ich auch, Herr Gyldenleu, ich dachte gleich an den Zirkel und kam denn auch mit zwei Mourants in Rede, mit des Königs Unterrock und dem Ritter Bergylt.«

      »Nun, und die halfen Ihm?«

      »Ja, Herr Gyldenleu, die halfen mir. – Herr Gyldenleu, die halfen mir, so daß Gott sie dafür heimsuchen mög! Daniel, sagten sie, Daniel, geh Er nach Haus und laus er seine Zwetschen! Sie hätten geglaubt, sagten sie, ich hätt so viel Konduite, daß ich nicht hierher kommen würd mit meinen Affenstreichen. Ein ander Ding sei es, daß ich ihnen gut genug wär als Komödiantenspieler und Possenreißer bei einer lustigen Pokulage, aber wenn sie in ihrem Amt wären, sollt ich ihnen aus den Augen bleiben. War das nun recht geredet, Herr Gyldenleu, nein, es war sündhaft, sündhaft war es! Daß sie sich mit mir in den Weinstuben gemein gemacht hätten, bedeute mitnichten, daß sie mich für ihresgleichen ansähen, so daß ich hierher kommen dürft und mir einbilden, ich könnt ihren Umgang und ihre Gesellschaft haben, jetzt, wo sie in ihrer Bestallung wären. Ich sei ihnen zu aufdringlich, Herr Gyldenleu! ich solle nicht glauben, daß ich mich könnt in ihre Kompagnie eindrängen hier an diesem Ort, hier brauchten sie keinen Lustmajor! Das sagten sie zu mir, Herr Gyldenleu! Und ich verlangte ja doch nur, mein Leben Seite an Seite mit den andern Bürgern der Stadt aufs Spiel zu setzen.«

      »Na ja,« sagte Ulrik Frederik und gähnte, »ich begreife wohl, daß es Ihn kränkt, daß Er von dem Ganzen ausgeschlossen sein soll. Und es wird Ihm ja auch ziemlich schwer fallen, an Seinem Pult still zu sitzen und zu schwitzen, dieweil die Zukunft des Reiches hier auf den Wällen entschieden wird. Na, Er soll mit dabei sein. Denn...« er blickte mißtrauisch auf Daniel nieder, »es steckt doch wohl keine Heimtücke dahinter, Mosjö?«

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