Marie Grubbe. Jens Peter Jacobsen
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Marie Grubbe - Jens Peter Jacobsen страница 6

Название: Marie Grubbe

Автор: Jens Peter Jacobsen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Große verfilmte Geschichten

isbn: 9783955012120

isbn:

СКАЧАТЬ Sie, deren Sinnen und Denken auf der einen Seite fast verkrüppelt war aus Mangel an wachsamer und fester Aufsicht, und auf der anderen Seite halbwegs verstümmelt infolge von unverständiger und launenhafter Grausamkeit, müßte es fast als Frieden und Linderung empfunden haben, sicher und harthändig den Weg geführt zu werden, den sie gehen sollte, von jemand, der vernünftigerweise nichts anderes als Gutes mit ihr im Sinne haben konnte.

      Aber sie wurde nicht auf diese Weise geführt.

      Frau Rigitze hatte so viel auf Händen an Politik und Intrigen, lebte so viel mit den Hofkreisen, daß sie ganze und halbe Tage vom Hause fern oder daheim so beschäftigt war, daß Marie mit sich und ihrer Zeit machen konnte, was sie wollte. Hatte Frau Rigitze endlich einen Augenblick für das Kind übrig, so machte ihre eigene Versäumnis sie doppelt ungeduldig und doppelt strenge. Das ganze Verhältnis mußte Marie daher als die reine, pure Ungereimtheit erscheinen und war nahe daran, ihr die Vorstellung beizubringen, daß sie ein Aschenbrödel sei, das alle haßten und niemand liebte.

      Wie sie nun dort am Fenster stand und über die Stadt hinaussah, überkam sie dies Gefühl der Verlassenheit und Einsamkeit; sie lehnte den Kopf gegen den Fensterrahmen und starrte versunken zu den langsam dahinziehenden Wolken hinauf.

      Sie verstand so gut das Traurige, das Lucie von der Sehnsucht gesagt hatte; es war, als brenne es in einem, und es war nichts anderes dabei zu machen, als es brennen zu lassen, wie es wollte, – sie kannte das ja so gut. – Was sollte daraus werden? – Der eine Tag so wie der andere. – Nichts, nichts – nie etwas, worüber man sich freuen durfte; konnte es so weitergehen? – Ja! noch lange; – auch noch, wenn man sechzehn Jahre alt geworden war? – Es ging doch nicht für alle Menschen so weiter; – es war doch unmöglich, daß sie noch immer mit der Kindermütze gehen sollte, wenn sie sechzehn Jahre alt war! – Das hatte Schwester Ane Marie doch nicht getan; – die war jetzt verheiratet. – Sie konnte sich so deutlich all des Lärms und der Lustbarkeit erinnern, die es bei der Hochzeit gegeben, noch lange, nachdem sie schon zu Bett geschickt worden war, – und der Musik. – Sie könnte sich ja doch auch gern verheiraten. – Aber mit wem wohl nur? vielleicht mit dem Bruder ihres Schwagers? – Der war ja freilich schrecklich häßlich; aber wenn es sein mußte ... darauf konnte sie sich unmöglich freuen. Was gab es eigentlich in der Welt, worauf man sich freuen konnte? Gab es überhaupt irgend etwas? – nichts, soviel sie sehen konnte.

      Sie trat von dem Fenster zurück, setzte sich nachdenklich an den Tisch und begann zu schreiben:

      »Meinen gar freundlichen Gruß vorerst im Namen des Herrn, liebe Ane Marie, gute Schwester und Freundin, Gott bewahre Dich allzeit und sei bedankt für alles Gute. Ich habe beschlossen, Dir zu schreiben pour vous congratuler, alldieweil Deine Niederkunft glücklich gewesen ist und Du nun munter und bei guter Gesundheit bist. Liebe Schwester, mir geht es gut, und ich bin sowohl munter als auch gesund. Die Muhme lebt ja in viel Größe, und hier sind oft zahlreiche Gäste, die meisten sind Kavaliers vom Hofe, und außer einigen alten Frauen kommen nur Mannsleute hierher. Es sind viele unter ihnen, die unsere Mutter sel. gekannt haben und sie ob ihrer Schönheit und mancherlei mehr rühmen. Ich sitze immer mit den Fremden zu Tisch, aber niemand spricht mit mir, außer Ulrik Frederik, wovon ich am liebsten verschont wäre, sintemal er immer mehr für Schikane und Raillerie als für vernünftige Konversation ist. Er ist noch sehr jung und hat nicht das beste Lob und besucht wohl Herbergen als auch Bierstuben und dergleichen. Nun weiß ich kaum weiter etwas Neues, als daß wir heute Assemblee haben und daß er auch mit dabei ist. Jedesmal, so ich Französisch spreche, lacht er und sagt: es sei hundert Jahre alt, was ja wohl auch der Fall sein kann, sintemal Herr Jens noch ganz jung war, als er auf Reisen ging; im übrigen erteilt er mir viel Lob, dieweil ich es so gut zusammensetzen kann, er sagt, keine Hofdame könne es besser, aber das sind, glaube ich, Komplimente und ich mache mir nichts daraus. Seit geraumer Zeit habe ich von Tjele nichts vernommen. Die Muhme schimpft und wird jedesmal böse, wenn sie von der Enormität spricht, nämlich, daß unser lieber Vater mit der lebt, mit der er lebt, mit einem Frauenzimmer von so niedriger Extraktion. Ich kränke mich oft darüber, was jedoch nichts nützt. Lasse Du nun Stycho diesen Brief nicht sehen, aber grüße ihn von Herzen.

      September 1657.

      Deine liebe Schwester

      Marie Grubbe.

      Der wohlgeborenen Frau, Frau Ane Marie Grubbe, Stycho Höeghs auf Gjordslev Gemahlin, meiner guten Freundin und Schwester freundlichst zugeschrieben.«

      --------------------------------------------------------------------------------

      Man hatte sich von Tische erhoben und war in den Saal gegangen, wo Lucie das Goldwasser herumreichte. Marie war in eine Fensternische geflüchtet und wurde von der faltigen Gardine halb versteckt. Ulrik Frederik ging zu ihr hin, verneigte sich übertrieben ehrerbietig vor ihr und sagte mit einem äußerst ernsthaften Gesicht, es tue ihm leid, daß er bei Tische so entfernt von Mademoiselle gesessen habe. Wie er so sprach, legte er seine kleine, braune Hand auf das Fensterbrett. Marie sah ihn an und wurde rot wie tropfendes Blut.

      »Pardon, Mademoiselle, ich sehe, Ihr werdet ganz rot vor Zorn, daß ich mir erlaube, Euch meine schuldigst untertänige Reverenz zu machen. Es ist nun wohl auch zu dreist, zu fragen, womit ich so jämmerlich gewesen bin, Euch zu erzürnen?«

      »Ich bin fürwahr weder erzürnt noch rot.«

      »Es gefällt Euch, diese Couleur weiß zu nennen? Bien? Es sollte mich nur verlangen zu wissen, wie Ihr die Couleur benennet, die die sogenannte rote Rose hat?«

      »Aber könnet Ihr denn nie ein vernünftiges Wort sagen?«

      »Ja – laßt mich sehen! – ja, ich muß bekennen, daß es mir wirklich schon vorgekommen ist – aber nur selten.

      Doch Chloë, Chloë zürne nicht!

      Toll brennet deiner Augen Licht

      Mich, wie das Hundsgestirn die Hunde,

      Und Worte schäumen mir vom Munde,

      Dem Geifer gleich der Wasserscheu ...«

      »Ja, das könnt Ihr wohl sagen!«

      »Ach, Mademoiselle, Ihr kennt nur wenig von Amors Macht! – Werdet Ihr es glauben? es gibt Nächte, wo ich mich liebeskrank nach dem Silkegaard hinabschleiche, mich über die Mauer von Christen Skeels Garten schwinge, und da stehe ich wie eine Statue zwischen duftenden Rosen und starre zum Fenster in Eurer Kammer hinauf, bis die schmächtige Aurora ihre rosigen Finger durch meine Locken gleiten läßt.«

      »Ah, Monsieur! ich vermeine, Ihr hättet im Namen fehlgegriffen, als Ihr Amor nanntet; Evan hättet Ihr füglich sagen sollen – und mag sein, daß man leichtiglich irregeht, wenn man bei nächtlicher Weile umherschwärmet; mitnichten seid Ihr in Skeels Garten gewesen, Ihr waret bei »Mogens in Cappadocia« unter Römern und Bouteillen; und habet Ihr Euch nicht regen können und waret still wie eine Statue, da sind es nimmermehr Liebesgedanken gewesen, so bewirket haben, daß Ihr Eure Beine nicht vom Fleck bewegen konntet.«

      »Ihr tut mir schweres Unrecht; geschiehet es hin und wieder einmal, daß ich in die Häuser der Weinküper komme, da ist es nicht des Pläsiers oder der Lustigkeit halber, es ist ganz allein, um den nagenden Kummer zu vergessen, der mich erstickt.«

      »Ah!«

      »Ihr trauet mir nicht, Ihr habet keinen Glauben an die Beständigkeit meiner Amour – Himmel! sehet Ihr das östliche Schalloch auf St. Nikolaj? Drei СКАЧАТЬ