Название: Marie Grubbe
Автор: Jens Peter Jacobsen
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Große verfilmte Geschichten
isbn: 9783955012120
isbn:
»Na, na,« fuhr Ulrik Frederik fort, »ich verlasse mich auf Ihn; aber Er kann doch auch nicht verlangen, daß man Ihm trauen soll, als hält Er ein adlig Wort zu vergeben; – und bedenke Er: seine eigenen Leute haben Ihn zuerst verworfen und ... pst!«
Es donnerte ein Schuß draußen von einer der Stationen am Ostertor, der erste, der in diesem Krieg gelöst wurde.
Ulrik Frederik richtete sich auf, das Blut schoß ihm in die Wangen, sein Auge starrte begehrlich und gefesselt nach dem weißen Rauch, und als er sprach, klang ein seltsames Beben in seiner Stimme.
»Daniel!« sagte er, »im Laufe des Vormittags kann Er sich bei mir melden, und scher Er sich nicht an das, was ich gesagt hab.« Dann schritt er hastig den Wall entlang.
Daniel sah ihm bewundernd nach, dann seufzte er tief, setzte sich ins Gras und weinte, wie ein unglückliches Kind weint.
--------------------------------------------------------------------------------
Es war um die Nachmittagszeit. Ein starker, stoßweiser Wind wehte durch die Straßen der Stadt und wirbelte Wolken von Spänen, Strohhalmen und Staub von einer Stelle weg und nach der andern hin. Er riß Dachziegel los, drängte den Rauch in die Schornsteine hinab und verfuhr übel mit den Schildern.
Die langen, dunkelblauen Fahnen der Färber schleuderte er in dunklen Bogen in die Höhe, klatschte sie in schwarzen Windungen hinaus und wickelte sie rund um die schwankenden Stangen herum. Die Räder der Rockendreher schaukelten rastlos hin und her, die Kürschnerschilder schlugen mit den zottigen Schwänzen, und die prachtvollen Glassonnen der Glaser schwangen und blitzten in wirrer Unruhe um die Wette mit den blankgeputzten Becken der Bartscherer.
In den Hinterhöfen klappten Luken und Läden, die Hühner mußten sich hinter Tonnen und Schuppen verkriechen, und selbst die Schweine wurden unruhig in ihren Koben, wenn der Wind durch sonnenhelle Ritzen und Fugen zu ihnen hineinpfiff.
Trotz des Windes war es drückend heiß; es wehte Wärme herab.
Drinnen in den Häusern saßen die Leute und schnappten vor Hitze; nur die Fliegen summten lebhaft umher in der schwülen Luft.
Auf der Straße war es nicht zum Aushalten, und in den Beischlägen zog es; deswegen flüchteten auch alle, die Gärten hatten, da hinaus. In dem großen Garten, der hinter Christoffer Urnes Haus in der Vingaardsträde lag, saß ein junges Mädchen im Schatten einer der großen Ahornbäume.
Sie saß und nähte.
Es war eine große, schlanke Gestalt; fast schmächtig war sie, aber der Busen war breit und voll. Ihr Teint war bleich und ward noch bleicher durch das reiche, schwarze, gelockte Haar und die ängstlich großen, schwarzen Augen. Die Nase war scharf, aber fein, der Mund groß, aber nicht voll, und mit einer krankhaften Süße im Lächeln. Die Lippen waren sehr rot und das Kinn ein wenig spitz, dabei aber stark und kräftig geformt. Ihre Kleidung war nicht sehr ordentlich: eine alte schwarze Sammetrobe mit verblichener Goldstickerei, ein neuer, grüner Filzhut mit großen, schneeweißen Straußenfedern und Lederschuhe mit rotgeschliffenen Spitzen. Sie hatte Daunen im Haar, und weder ihr Halskragen noch ihre langen, weißen Hände waren ganz rein.
Es war Christoffer Urnes Brudertochter Sofie. Ihr Vater, der Reichsrat und Marschall Jürgen Urne zu Alslev, Ritter des Elefantenordens, war schon in ihrer Kindheit gestorben, die Mutter, Frau Margrete Marsvin, vor einigen Jahren. Sie hatte daher ihren Aufenthalt jetzt bei dem alten Oheim, und da er Witwer war, so war sie, jedenfalls dem Namen nach, die Lenkerin des Hauses.
Sie saß da und nähte und summte dazu, während sie im Takt den einen ihrer Schuhe auf der Spitze des Fußes schaukelte.
Über ihrem Kopf rauschten und schwankten die dichtbelaubten Kronen in dem starken Winde mit einem Geräusch wie von brausendem Wasser. Die hohen Stockrosen schwenkten ihre blütenknopsigen Spitzen hin und her in unbeständigen Bogen, wie von unruhigem Wahnsinn ergriffen; und das Himbeergestrüpp duckte sich verzagt und kehrte die helle Rückseite der Blätter nach außen, so daß es bei jedem Windhauch die Farbe wechselte. Dürre Blätter segelten durch die Luft, das Gras legte sich platt an die Erde, und auf den hellen Laubwellen der Spiräenstauden wiegte der weiße Blütenschaum auf und nieder in ewigem Wechsel.
Dann wurde eine Weile alles still, alles richtete sich auf, noch gleichsam zitternd vor Angst und in atemloser Erwartung, und im nächsten Augenblick kreischte der Wind wieder herab, und die Unruhwelle mit ihrem Brausen und ihrem Glitzern, ihrem wilden Wogen und rastlosen Wechseln breitete sich wieder über den Garten aus.
»Phyllis saß in ihrem Kahn,
Als sich Charidon tät nahn,
Laut er seine Flöte blies,
Sie die Ruder sinken ließ,
Und der Kahn trieb auf den Sand,
Und der Kahn trieb...«
Unten von der Pforte am andern Ende des Gartens her kam Ulrik Frederik gegangen. Sofie sah einen Augenblick verwundert da hinab, dann beugte sie sich wieder über ihr Nähzeug und summte weiter.
Ulrik Frederik schlenderte langsam den Steig hinauf, stand hin und wieder still und betrachtete die Blumen und tat überhaupt so, als habe er nicht gesehen, daß jemand im Garten war. Er bog dann in einen Seitenpfad ein, blieb hinter einem großen Jasminbusch stehen und richtete an seiner Uniform und seinem Gürtel, nahm den Hut ab und fuhr sich durchs Haar und ging dann weiter.
Der Steig beschrieb einen Bogen und mündete gerade vor Sofie.
»Ah, guten Tag, Jungfrau Sofie!« rief er ganz überrascht aus.
»Guten Tag«, sagte sie ruhig und freundlich, befestigte nachdenklich ihre Nadel im Nähzeug, glättete es mit der Hand, sah dann lächelnd auf und nickte. »Willkommen, Herr Gyldenlöve.«
»Das nenn ich blindes Glück,« sagte er und verneigte sich; »ich erwartete, nur den Herrn Cousin der Jungfrau hier draußen zu finden.«
Sofie sah ihn schnell an und lächelte. »Er ist nicht hier«, sagte sie und schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte Ulrik Frederik und sah vor sich nieder.
Nach einer kleinen Pause seufzte Sofie und sagte: »Was für eine schwüle Wärme es doch heut auch ist!«
»Ja, es zieht sich sicherlich zu einem Gewitter zusammen, wenn der Wind sich legt.«
»Ja–a«, sagte Sofie und starrte gedankenvoll zum Hause hinauf.
»Hörtet Ihr den Schuß heute morgen?« fragte Ulrik Frederik und richtete sich auf, wie um anzudeuten, daß er gehen wolle.
»Ja; es sind herzlich schwere Zeiten, denen wir diesen Sommer entgegengehen. Es könnt einem flugs schwach zumute werden, wenn man an die Fährlichkeiten für Menschen wie für Habseligkeiten denkt und wenn man so viele liebe Verwandte und gute Freunde hat wie ich, die allesamt in dieser unglücklichen Affäre mit dabei sind, und ausgesetzet, Leben oder Gesundheit, oder was sie sonst besitzen, zu verlieren, so ist da auch mehr als Ursach genug, auf allerhand trübe und СКАЧАТЬ