Название: Lebensbilder
Автор: Оноре де Бальзак
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783955014735
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Diese Auseinandersetzung (weniger mit Immermann als mit der ganzen poetischen Richtung seiner Zeit) beweist, wie sehr sich Schiff über die gesamte, völliger Dekadenz stark zustrebende Literatur der ausgehenden Dreißigerjahre klar war. Mit einem der angesehensten Wortführer hatte er in der Immermann-Rezension abgerechnet; nun ging er noch um einen Schritt weiter und legte mit rücksichtsloser Schärfe die Schäden bloß, die Heine, der Tonangebendste dieser Periode, verschuldet hatte. Sein Gelegenheitswerk »Shakespeares Mädchen und Frauen« lieferte ihn den willkommenen Anlaß dazu. Wie sehr Schiff Shakespeare verehrte, hatte er bereits im »Elendsfell« dargelegt; in einer Rezension der von Philipp Kaufmann besorgten Übersetzung der dramatischen Werke (»Gesellschafter«, 1834, Nr. 20) und in »Glück und Geld«, der drei Jahre vor der Heinerezension erschienenen Novelle, hatte er seiner schwärmerischen Verehrung für den englischen Dichter ausführlichen Ausdruck gegeben. Schon in »Glück und Geld« geht er vom »Kaufmann von Venedig« aus, den er außerordentlich fein analysiert. Um so abstoßender mußte ihn Heines oberflächlicher Kommentar berühren, gegen den er mit erbarmungslosester Rücksichtslosigkeit ankämpft. (»Hallische Jahrbücher«, 1839, Nr. 160–161).
Er nennt Heines Erläuterungen eine der originellsten Literaturtorheiten, die es irgend gebe. Wenigstens seit langer Zeit habe sich keine Torheit so dreist und großartig hingestellt wie Heines jüdischer Kosmopolitismus und die abgedroschene Hohlheit dieser Erläuterungen, die nur Heines ausgepumpten Wißborn, keineswegs aber Shakespeare erläuterten. Ja, diesmal sei Heine redlich gewesen. »Er gibt sich, wie er ist, und sagt mit aller Unwahrheit nur die Wahrheit: daß er nichts mehr zu sagen hat.«
Die scharfe Stellungnahme Schiffs gegen Heine erklärt sich aus verschiedenen Ursachen, vor allem aus der, daß dieser den »Kaufmann von Venedig« gegen des Rezensenten Überzeugung als Tragödie aufgefaßt hatte. Von Christenhaß wollte Schiff in dem Stück nichts sehen, weil Shakespeare ebensogut als Türkenfeind angesehen werden müßte, wenn man die Gestalt des Prinzen von Marokko betrachte. Heine lasse Shakespeare das angebliche Wagnis, Juden auf die Bühne zu bringen, entgelten. Darin wollte Schiff keinen Frevel sehen; er sträubte sich mit aller Macht dagegen, in Shakespeare Shylocks wegen einen Judenhasser zu erkennen. Heine habe nur sein jüdischer Kosmopolitismus, der Schiff höchst verächtlich erscheint, verleitet, so sehr die tiefen dichterischen Absichten Shakespeares zu verkennen, dessen Shylock übrigens auch kein Schreier für jüdisches Menschenrecht sei, als den ihn die Schauspieler meistens auffaßten.
Aus dem heftigen Angriff Schiffs ergeben sich wichtige Schlußfolgerungen für seine Stellung zum Judentum. Er hatte noch immer nichts dafür übrig, obwohl er sich gerade in dieser Zeit mit der Sammlung jüdischer Volkssagen lebhaft beschäftigte. Aber sein Herz hing fest am Christentum, das warm zu preisen, er nimmermüde war. Noch zweimal kam er auf den »Kaufmann von Venedig« zurück, immer aber blieb er sich in der Darlegung seiner Anschauungen über das Stück gleich. In einem Aufsatze des »Komet« (Literaturblatt, 1844, Nr. 20) »Thema mit Variationen aus Shakespeares Kaufmann von Venedig« und in »Heinrich Heine und der Neuisraelitismus« (Seite 68 ff., wo er übrigens nur eine weitläufige Paraphrase seines Jahrbücheraufsatzes gab) betonte er ebenfalls offen seine Abneigung, das Stück im antijüdischen Sinne auszudeuten, was Shakespeare, »dessen Größe eine mythische sei, dessen Werke auf dem Gipfel des Menschenmöglichen stünden«, niemand zutrauen dürfe. Dagegen hat er für Heine auch hier nur Worte tiefster Gegnerschaft; seine Berühmtheit sei eine zweifelhafte und dürfte leicht eine Berüchtigtheit sein.
Der redlich gemeinte Jahrbücher-Aufsatz, der über Veranlassung Arnold Ruges geschrieben worden war und Schiff ein Dankschreiben des Herausgebers der »Jahrbücher« eintrug, hatte die bösesten Folgen. Die Rezension wurde übel aufgenommen und machte Schiff und die Jahrbücher mißliebig. »Ihr Artikel hat den Jahrbüchern mehr Schaden getan als Nutzen gebracht«, meinte Ruge und gestattete eine weitere Mitarbeit Schiffs nicht.
So war ihm also wieder eine Türe verschlossen worden. Mit vollem Unrecht, kann man heute wohl sagen. Gewiß war der Angriff auf Heine sehr stark und vielleicht manchmal sogar übertrieben streng. Aber Schiff konnte nicht lügen, und als Rezensent am allerwenigsten. Hier kam noch dazu, daß er in jüdischen Fragen seine unantastbaren Grundsätze hatte, an denen er nicht rütteln ließ. Er war kein blinder Anbeter und Bewunderer des Judentums und verargte es Heine immer, daß dieser trotz seiner Taufe innerlich Jude geblieben war. Gewiß war Schiff (wie dies »Johann Faust in Paris« bewiesen hat) damals kein rückhaltsloser Verehrer des Christentums mehr; aber sein Haß, wo sich dieser offenbarte, war immer ein Haß der Liebe; er fühlte, daß er trotz eventueller Konversion niemals als vollwertiger Christ angesehen werden würde, und das allein rief gelegentliche Ausfälle auf das Christentum hervor, dem Schiff immer noch wohlwollender gegenüberstand als seiner eigenen Religion. Er war kein Judenfeind, wie etwa im 16. Jahrhundert der getaufte Jude Pfefferkorn, der gegen seine früheren Glaubensgenossen in seinen Schriften mit Feuer und Schwert wütete. Aber er übersah niemals die schweren Gebrechen, die dem Judentum seiner Zeit anhafteten, das zwischen Assimilation und Aufrechterhaltung der angeborenen Stammeseigenart haltlos einherging. Namentlich gegen die jüdische Orthodoxie, die er für weit unduldsamer hielt als die christliche, wandte er sich immer wieder in der auffallendsten Weise. Ihm war jede Spur einer spezifisch jüdischen Sentimentalität, wie sie etwa Leopold Kompert eigen ist, völlig fremd. Er scheute sich nicht, auf Wunden im Leben seiner jüdischen Zeitgenossen unbarmherzig die Finger zu legen, aber bloß deshalb, um den Weg zur Heilung zu weisen. Natürlich konnte dieser nach Schiffs Auffassung nur der des vollständigen Aufgehens im deutschen Volke sein, dem er selbst seinen köstlichsten intellektuellen Besitz verdankte, und dem zu dienen, er sich mit seinen leider zu schwachen Kräften emsig bemühte. Deshalb war ihm jede Verherrlichung des Judentums, die notwendigerweise zu dessen dauernder Erhaltung führen mußte, gründlich verhaßt. Denn er sah nur zu gut, daß damit von selbst auch der feste Bestand seiner schlimmen Eigenschaften – vor allem seiner zelotischen Unduldsamkeit – gegeben war. Von diesem Standpunkte aus betrachtete er denn auch das Shakespearebuch Heines, der aus blindem Glaubenseifer eine Ehrenrettung des Judentums dadurch zu vollbringen glaubte, daß er Schiffs Abgott, wenn auch nur in der Kommentierung der einzigen Gestalt des Shylock, nahetrat.
Folgerichtig ergab sich aus diesen Grundsätzen Schiffs auch seine eigene Darstellung jüdischen Lebens und jüdischer Charaktere. Immer wieder begegnet man bei ihm fanatischen Juden, die noch immer in dem Wahne, die Verehrer der alleinigen wahren Religion zu sein, dahinlebten, denen jeder Blick für die Fortschritte der Zeit und Kultur fehlte, und die in einem erstarrten religiösen Konservativismus den Pferch des Ghettos jeder anderen freieren und freundlicheren Behausung vorzogen. Für solche Selbsterniedrigung und Selbstzurücksetzung fehlte Schiff der Sinn. Er kämpfte eigentlich für dasselbe, wofür sich die Zunz, in dessen Haus er in Berlin auch verkehrt hatte, Moses Moser, Immanuel Wolf vergeblich exponiert hatten. Von Bestrebungen für eine Reform des Kults erwartete er ebensowenig wie Heine, nur daß sich bei Schiff niemals eine so ausgesprochen christenfeindliche Tendenz, wie etwa im »Almansor«, findet. Denn er war zu sehr in den Segnungen der deutschen Kultur und Literatur aufgewachsen, als daß er die Vorteile übersehen hätte, die sich für die Juden durch das unbedingte Aufgehen in der deutschen Nation ergeben mußten. Wer die Juden ob ihrer Besonderheiten, die er niemals als Vorzüge anerkannte, verherrlichte, gegen den trat er in die Schranken. So tadelte er es an Herder in seiner ersten Sammlung, die jüdische Sujets enthält, in »Hundert und ein Sabbath oder Geschichten und Sagen des jüdischen Volkes« (Leipzig 1842)[* Eine Geschichte daraus »Simon Abeles« ist bereits 1840 in der »Zeitung für die elegante Welt« (Nr. 24ff.) veröffentlicht und erschien noch einmal, 1851 im Hamburger »Freischütz« (Nr. 144–152; hier aus »Hundert und ein Sabbath« auch »Die Geschichte von dem Fisch des Josef СКАЧАТЬ