Название: Die bedeutendsten Maler der Alten Zeit
Автор: Norbert Wolf
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная прикладная и научно-популярная литература
Серия: marixwissen
isbn: 9783843802352
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Die »Wiederentdeckung« der Antike ist als Stilkriterium zunächst problematisch, da ja auch frühere Epochen dieses Phänomen kannten. Es gilt also, das Spezifische der »Antikennachahmung« in der »eigentlichen« Renaissance zu verstehen. Man neigt heute dazu, nicht die Rückbesinnung auf antike Vorbilder als den Motor der Entwicklung anzusehen, sondern umgekehrt den Naturalismus als Ausgangspunkt zu nehmen, der dann den Künstlern erneut die Augen für die Antike öffnete.
Intellektuelle und Künstler sahen diese Antike erstmals auch im Rahmen eines neuartigen Geschichtsbewusstseins, weswegen sie sie historisch möglichst angemessen kennenlernen wollten: Quellenstudium und »archäologische« Recherchen waren deshalb für jeden, der sich seriös mit der Antike auseinandersetzte, eine unerlässliche Vorbedingung. Da die Kunst und die geistige Strömung im Italien des 14. Jahrhunderts schon entscheidend vorgearbeitet hatten, ist es nicht abwegig, dieses Trecento in die Vorgeschichte der Renaissance hereinzunehmen. Die Verwissenschaftlichung des Altertums ging parallel mit einer umfassenderen Intellektualisierung. Zunehmend stiegen nämlich die Anforderungen an die Bildung des Künstlers, der Auftraggeber und Mäzene, nicht zuletzt, um so die Kunst aus der früheren Bindung ans »einfache« Handwerk herauszulösen. Dementsprechend entstand eine reiche Literatur, in der die Künstler begannen, den Stellenwert der Kunst als eigenes Medium zu überdenken – was sich bis zum Wettstreit der Künste, dem »Paragone«, steigerte.
Die Kunsttheorie suchte quasi wissenschaftliche Regeln und Normen aufzustellen, nach denen Kunst lehr- und lernbar wurde, ein Lehrsystem, das die nun entstehenden Akademien praktizierten und an die nächsten Jahrhunderte weitergaben. Dieser Regelapparat lag oft auch dem Aufbau der immer zahlreicher werdenden Privatsammlungen zugrunde, die vom Kunsthandel, den Kennern und Mäzenen aufgebaut wurden.
Es wäre indes falsch, die an der Natur, der Antike, an der antiken Mythologie ebenso wie am wissenschaftlichen Denken des Humanismus ausgerichtete Renaissance als ein im Vergleich zum Mittelalter ganz und gar verweltlichtes Zeitalter zu begreifen. Zum einen bildete ja die religiöse Kunst weiterhin einen Schwerpunkt, zum anderen sollte die Natur nicht einfach nachgeahmt, sondern in ihrer Vollkommenheit gezeigt werden. Sie wurde zum »Buch«, aus dem man die göttliche Schönheit herauslesen konnte. In der Natur ist immer auch das Transzendente gespeichert, das man mit einer Idealisierung des Naturvorbildes (und genau dieses Verhalten ist es, das man an der antiken Kunst so schätzte) zum Ausdruck bringen wollte: deshalb auch die immense Bedeutung von Harmonie- und Proportionslehren sowie des »Ordnungssystems« der Zentralperspektive, das geradezu zum Leitmotiv der Renaissance wurde.
Dass die etwa 1400–90 zu datierende Frührenaissance in Italien ihren Fokus in der Stadtrepublik Florenz besaß, verweist auf durchaus noch andere Entstehungsbedingungen des Stils: auf das Selbstbewusstsein des städtischen Bürgertums zum Beispiel, das sich eigene Ausdrucksformen schuf, an der antikrömischen Baukunst zunächst nur die Vorbilder der republikanischen Zeit bewunderte und den Individualismus propagierte. Dass jedoch auch der Adel – etwa an den Höfen in Mailand, Urbino, Mantua, Ferrara und Neapel – zu den engagiertesten Förderern der Renaissance zählte, beweist, dass man die Frührenaissance nicht einfach als »bürgerliches Produkt« begreifen kann. Ihre im Antikenmodell zusammentreffende Kombination aus Naturalismus und Idealismus machte sie vielmehr über alle sozialen Grenzen hinweg zum kulturellen Ziel, das seinen Mittelpunkt zur Zeit der Hochrenaissance (um 1490–1520) dann auch in einem neuen Umfeld, im Rom der Päpste, fand; eine Kombination, die der Renaissance aber auch außerhalb Italiens eine ungeheure Propagandawirkung verlieh und sie bald zum herrschenden Stil in ganz Europa machte. Das Jahr 1527, als die Truppen Kaiser Karls V. Rom plünderten (»Sacco di Roma«), gilt als Ende der Hoch- und als ungefährer Beginn der bis gegen 1600 reichenden Spätrenaissance: Der seit dem 20. Jahrhundert dafür auch eingebürgerte Begriff »Manierismus« deutet auf eine Krisenzeit hin, in der das Manierierte die klassische Harmonie verdrängte. Man kann den Vorgang freilich auch positiv als eine revolutionäre Periode des Experimentierens fassen, die vielfach schon den Barockstil vorbereitete.
FRÜHRENAISSANCE (UM 1400–1490)
Der Übergang von der Spätgotik in die Frührenaissance ist äußerst komplex. Eine Art Bindeglied stellt etwa die Internationale Gotik um 1400 dar, der man in Italien Künstler wie Pisanello, Gentile da Fabriano, Benozzo Gozzoli zurechnen oder als von ihr beeinflusst klassifizieren darf.
Ausgangspunkt der Frührenaissance ist Florenz, das Burckhardt seiner damaligen Bedeutung nach mit dem perikleischen Athen verglich. Die Skulptur, die aufgrund ihrer Dreidimensionalität und ihrer antiken Tradition privilegiert schien, machte mit dem Wettbewerb um die zweite Bronzetür des Florentiner Baptisteriums (1401) den epochalen Anfang. Nanni di Banco und Donatello schufen die Statue der Neuzeit, die nicht mehr so sehr von der Gewandoberfläche, die vielmehr von den organischen Funktionen des Körpers her begriffen ist. Lorenzo Ghiberti reihte sich hier ein.
Das wiedererwachte Interesse am menschlichen Körper und seiner Bewegungsmotive machte den Akt erstmals wieder zu einem wichtigen Thema der Skulptur. Bildnisbüsten und –medaillen, figürliche Grab- und monumentale Denkmäler zeugen vom hohen Stellenwert des Individuums, dessen Erinnerung der Nachwelt erhalten bleiben sollte.
Die Architektur der Frührenaissance bediente sich im Detail römisch-antiker Formen (die griechische Antike war so gut wie unbekannt) wie Rundbogen, Säulen, noch wenig monumentaler, vielmehr zartgliedriger Blendarkaden usw., und suchte im Ganzen nach harmonischen Verhältnissen, die sich an einem als ideal empfundenen Zahlenkanon oder am Maßstab des menschlichen Körpers orientierten. Die Grundlagen zu dieser Architektur schuf Filippo Brunelleschi. Die Architektur und die Architekturtheorien der Frührenaissance – zum Beispiel Leon Battista Albertis »De re aedificatoria« von 1443 – 52 – betrachteten zunehmend den Zentralbau als ideale Form und beschäftigten sich mit Idealstadt-Entwürfen als dem erträumtem harmonisch-utopischen Lebensraum des »neuen« Menschen.
Den Auftakt zur Malerei der Frührenaissance machte im 3. Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts das Werk Masaccios, dessen Figurenstil von der zeitgenössischen Skulptur und von Giotto geprägt ist – nach antiken Zeugnissen der Malerei konnte er sich nicht richten, waren diese damals doch nur aus der Literatur bekannt. Sein Trinitäts-Fresko in S. Maria Novella in Florenz (um 1425) gilt als das erste erhaltene Dokument einer systematisch angewandten mathematischen Zentralperspektive. In den Fresken der Brancacci-Kapelle an S. Maria del Carmine in Florenz (seit ca. 1424) verlieh er der Wiedergabe des menschlichen Körpers und des Aktes eine neue souveräne Freiheit im Raum. Maler wie Uccello, Castagno, Fra Angelico und Piero della Francesca intensivierten das Bemühen um perspektivische Probleme, und Andrea Mantegna löste in seinem 1474 vollendeten Decken-Fresko in der »Camera degli Sposi« des Herzogspalastes in Mantua die Grenzen zwischen Bild- und Betrachterraum so weit auf, dass man hier vom Beginn der illusionistischen Deckenmalerei sprechen kann.
HOCHRENAISSANCE (UM 1490–1520/30)
Alle künstlerischen Ideen und Ideale gipfelten in der relativ kurzen Zeitspanne der Hochrenaissance, einer der großen »klassischen« Phasen der abendländischen Kunst. Florenz, das vorher, im Quattrocento, das künstlerische Zentrum gewesen war, erlebte mit dem Sturz der Medici-Herrschaft 1494 und dem anschließenden »fundamentalistischen« Regiment des Dominikanermöchs Girolamo Savonarola eine Zäsur der künstlerischen Blüte, die sich zunächst auch nach 1512, als die Medici zurückgekehrt waren, fortsetzte. Dagegen zog nun das wieder erstarkte Papsttum die künstlerisch fortschrittlichsten und die wahrhaft genialen Kräfte in die Ewige Stadt. Julius II. ernannte Donato Bramante zum Architekten des 1505 einsetzenden gigantischen Neubaus der Peterskirche, beauftragte 1505 Michelangelo mit der Ausführung seines (erst lange Zeit später und wesentlich verkleinert ausgeführten) СКАЧАТЬ