Название: Die bedeutendsten Maler der Alten Zeit
Автор: Norbert Wolf
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная прикладная и научно-популярная литература
Серия: marixwissen
isbn: 9783843802352
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Seit Pucelle fungierten Pariser Buchmalerei-Werkstätten als Drehkreuz künstlerischer Strömungen, als Ort der Harmonisierung heimischer und fremder Stilrichtungen. Die Synthese scheinbar kontroverser Elemente gedieh zum Hauptgenerator der internationalen Gotik. Pucelle nahm dabei einen enorm wichtigen Part ein – und das untermauert ein weiteres Mal seine kunsthistorische Ausnahmeposition. Dies sei kurz skizziert:
An der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert wurden bekanntlich in Italien die Fundamente eines neuen Welt- und Kulturverständnisses gelegt. Antiquarische Gelehrsamkeit, Belletristik sowie eine Pädagogik, die sich der praktischen Philosophie in Ethik, Politik und Ökonomie zuwandte, mündeten in intensive Naturbeobachtung, in eine bislang ungewohnte Freude an der sichtbaren Welt. Auf dem Schauplatz der bildenden Künste markiert den Epochenwandel am deutlichsten die Malerei. Federführend in der Summe der Neuerungen war zunächst die Wand- und Tafelmalerei. Selbst dort, wo die Bilder traditionelle, aus dem mittelalterlichen Denken überkommene Inhalte weitertransportierten, verliehen sie diesen eine radikal veränderte Physiognomie. Der geniale Bahnbrecher hieß Giotto.
Mit der italienischen Malerei um 1300 beginnt ferner ein neues Kapitel in der Geschichte des Erzählens in Bildern. Geschichten werden komponiert, die mit Hilfe von Haupt- und Nebenhandlungen, von Räumen, die zugleich Zeiträume sind, über die Rahmengrenzen hinaus gedanklich fortsetzbar erscheinen, die also auch an die Phantasie des Betrachters appelieren. Im Verlauf des Trecento reichern sich diese Raum- und Erzählstrukturen immer weiter an.
Die Sieneser Maler jenes Säkulums verhalten sich in ihrer Raumbildung sogar noch flexibler und im narrativen Detail erfindungsreicher als die Florentiner. In Siena brachte als erster Duccio di Buoninsegna das Erbe byzantinischer Malerei in eine veränderte Zeit ein und durchsetzte es mit gotischem, linienbetontem Formempfinden, mit kalligraphischer Raffinesse. Dank solcher Stilmittel, mit Hilfe einer sehr frei gehandhabten, gleichermaßen graphischen wie malerischen Sprache pointierte er das in Siena noch lange gültig bleibende Anliegen, religiöse Feierlichkeit und gefühlsbetonte lyrische Stimmung als Grundtenor der Bildproduktion zu lancieren; eine Haltung, die die Sieneser Schule für die Buchmaler nördlich der Alpen offenbar besonders attraktiv machte.
Von Avignon aus, dem damaligen Sitz des Papsttums, wirkte die elegante Malerei der Sienesen mit ihren kräftigen und delikaten Farben auf den Pariser, den künstlerisch verwöhntesten Hof des damaligen Europa. Und hier griff Jean Pucelle begierig all jene Innovationen auf und adaptierte sie kongenial seinen Absichten; ein Vermittler, wie man ihn sich effizienter nicht vorstellen kann.
14 Das Stundenbuch der Jeanne d’Evreux. Kommentarband der Faksimile-Ausgabe. Mit Beiträgen von Barbara Drake Boehm, Abigail Quandt und William D. Wixom. Luzern 2000
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