Название: Der Kolonialismus
Автор: Ludolf Pelizaeus
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: marixwissen
isbn: 9783843800389
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Doch die Entwicklungen in Europa warfen dann ihre Schatten auch auf die koloniale Welt. Spaniens Abtreten von der Bühne als Weltmacht durch die Aufteilung seiner Besitzungen nach dem Aussterben der regierenden Dynastie der Habsburger 1711-1714 veränderte die Gewichte, die sich erneut durch die Niederlage Frankreichs im Siebenjährigen Krieg zugunsten Englands verschoben. England, das bis 1702 in Personalunion mit den Niederlanden verbunden war, konnte sich von da an als die führende Kolonialmacht der Welt verstehen.
4. 1763-1830. (1760-1800): Die großen, besonders die finanziellen Anstrengungen, die England für das Erreichen der Vorherrschaft auf sich genommen hatte, ließen in London die Idee reifen, dass man die Kolonien, besonders in Amerika, stärker an den Kosten beteiligen könne. Allerdings hatten sich dort durch die Aufklärung kritische Positionen entwickelt, die in Nordamerika zur ersten Dekolonisationsbewegung führten, weil hier allein »weiße« Siedler die Macht inne hatten und sich mit der Formel »keine Gesetze ohne (parlamentarische) Repräsentation« (no taxation without representation) gegen das Mutterland wandten. Die enge Bindung an das aus Europa stammende Gedankengut lässt sich aber schon daran erkennen, dass die wichtigste Persönlichkeit bei der Formulierung der Unabhängigkeit der aus England stammende Thomas Paine war. Markierte die französische Deklaration der Sklavenbefreiung lediglich einen Einschnitt, so bedeutete der Kampf gegen Napoleon eine folgenreiche Zäsur, an deren Ende die Unabhängigkeit des größten Teils von Lateinamerika bis 1826 stand.
Es war auch Napoleon Bonaparte, der eine neue Richtung vorgab, als er 1798 die Engländer in Ägypten angriff. Zwar war die Expedition für die Franzosen militärisch ein Fiasko, doch brachten die mitgenommenen Wissenschaftler so viele interessante Ergebnisse aus Ägypten mit, dass eine Begeisterung für Nordafrika einsetze. Andererseits erkannte man in England, dass es für das Inselreich wichtig sein würde, die eigene Position auch auf diesem Kontinent auszubauen. Daraus erwuchs bis 1830 der Beginn der Expansion nach Afrika, der aber auch ideologisch ganz neue Wege beschritt. Die Französische Revolution hatte zwar die Trennung staatlicher und kirchlicher Einflusssphären hervorgebracht, doch dies hinderte die europäischen Mächte nicht, überseeische Gebiete mit der Rechtfertigung zu erobern, dass man sie »zivilisieren« wolle. Mehr noch als bisher wurden aus einer gefühlten europäischen Überlegenheit heraus die eigenen Maßstäbe an die übrige Welt angelegt. Mit der wirtschaftlichen Vergrößerung der Kapazitäten kam es zu immer engeren Wirtschaftsbeziehungen und zu einem alle Teile des Globus umfassenden Welthandel.
5. 1830-1914. (1880-1900) Während Frankreich vornehmlich in Nordafrika, beginnend in Algerien (1830), expandierte und sich schnell bis an die westafrikanische Küste mit einer geschlossenen Besitzdecke vorarbeitete, stand für England zunächst die vollständige Einnahme Indiens (1818, paramount power) und die Sicherung des Weges dorthin im Vordergrund. Als die zunehmende Expansion Frankreichs in Afrika aber zu einer Gefährdung der Verbindung mit Indien zu werden drohte, expandierte England, das sich seit 1802 als Teil Großbritanniens bezeichnete, auch nach Afrika und eroberte den Osten bis nach Südafrika. Damit hatte der internationale Wettlauf um Afrika und dann um die ganze Welt begonnen, der als Hochimperialismus (ab 1870/1880) auch zur Beteiligung Belgiens, Deutschlands und Italiens führte. Hinzu kam, dass auch in Asien zunächst der koloniale Eingriff in die Landnutzung, dann die Übernahme des ganzen Landes durch die Kolonialmächte, besonders durch die Niederlande und Frankreich erfolgte.
Fast alle Länder Asiens waren dabei als »Objekte« der europäischen Kolonialherren betroffen, außer Japan, das sich dank seiner strikten Isolierung von europäischem Einfluss bisher weitgehend freigehalten hatte und nun in eigener Initiative die Europäisierung durchführte und selbst zur asiatischen Kolonialmacht wurde.
6. 1918-1945 (1914-1930): Schon seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert kam es zunehmend zu Streitigkeiten und Krisen zwischen den Kolonialmächten, die auch zu verschiedenen Auseinandersetzungen führten. Eine profunde Erschütterung erlebte das System jedoch erst durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der die volle Konzentration der wirtschaftlichen wie humanen Ressourcen auf Europa erforderlich machte und damit den Druck auf und die Ausbeutung der Kolonien erhöhte. Da Deutschland durch seine Niederlage als Kolonialmacht wegfiel (Spanien hatte seine letzten Kolonien bereits 1898 verloren), blieben nun Frankreich und England als führende Kolonialmächte, hinter denen die »Kleinen«, so Belgien, Italien, Niederlande, Portugal und Japan, stark zurück fielen. Die wirtschaftliche Nutzung wurde weiter intensiviert, die Verwaltung ausgebaut und systematisiert, man stellte sich in Europa auf eine noch lange dauernde koloniale Herrschaft ein, in der Afrika und großen Teilen Asiens die Rolle der Rohstofflieferanten für die sich entwickelnde Industrie zugedacht war. Große Konzerne, wie Lever Brothers / Unilever teilten sich die lukrativen Förder- und Produktionsstätten für Öl, Metall, Gold und Diamanten, Kautschuk und andere Rohmaterialen für die Industrieproduktion. Während man in großem Stile Rohprodukte importierte, wurden die Kolonien mit Exportprodukten in großem Umfang beliefert, was einerseits der heimischen Wirtschaft half, andererseits die Kolonien in der Abhängigkeit vom Mutterland hielt.
7. ab 1945 (1945-1960): Bereits während des Ersten Weltkriegs war die Frage, warum man Soldaten im Ersten Weltkrieg hatte stellen müssen, ohne davon eine Besserung der eigenen Selbstständigkeit zu erleben, aufgekommen. Doch nur für die von »Weißen« besiedelten Staaten »neuenglischen Typs« wie Kanada, Australien, Neuseeland kam es mit dem Westminster Statut von 1931 zu einer fast vollständigen Unabhängigkeit vom Mutterland. So erfolgte in Afrika und Asien die Dekolonisierung gegen den Widerstand der Mutterländer, die mit unterschiedlich repressiven Maßnahmen den Prozess zu verhindern suchten. Dennoch ließ sich nach 1945 das schnelle Ende der Kolonialreiche nicht mehr aufhalten. 1946-1949 wurden die Völkerbund / UN Mandate im Nahen Osten aufgehoben und es gelang den meisten europäischen Kolonien in Asien, selbstständig zu werden, ein Prozess, der mit der Unabhängigkeit von Französisch-Indochina 1954 seinen weitgehenden Abschluss fand. In Afrika nahm die Unabhängigkeitsbewegung 1951 in Libyen ihren Ausgang und dauerte bis 1975, als auch Portugal seine Kolonien nach einem langen Krieg räumen musste.
Dennoch wirken bis heute viele Abhängigkeits- und Beziehungsmuster nach, ist das Problem der ungleichen Beziehungen immer noch sehr aktuell. Die Kolonien waren für die Kolonialmächte besonders nach dem Ersten Weltkrieg sehr wichtig gewesen. Daher hatten die Europäer überall ihre jeweiligen Ausbildungs-, Verwaltungs- und Siedlungssystem durchgesetzt, welche die Länder bis heute prägen. Dies macht verständlich, warum in vielen früheren Kolonien die, besonders wirtschaftliche Abhängigkeit, als imperiale oder neokoloniale Herrschaft verstanden wird.
Ein weltumspannendes Phänomen hat natürlich auch weltumspannend Literatur hervorgebracht. Wurde in diesem Zusammenhang zunächst der Schwerpunkt auf die politischen und besonders ökonomischen Effekte gelegt, so stehen heute mehr die kulturellen Austauschprozesse im Vordergrund, und zwar sowohl in den kolonialen Zentren, wie auch in den Metropolen der Kolonialmächte. Durch die Dominanz des englischen und französischen Kolonialsystems bleiben aber die Publikationen in diesen Sprachen vorherrschend, während über Lateinamerika das meiste in Spanisch und Portugiesisch, weniger jedoch in Englisch erscheint.
2. Die Vorläufer: Entwicklung des Kolonialismus in der Antike und im Mittelalter
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