Название: Der Kolonialismus
Автор: Ludolf Pelizaeus
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: marixwissen
isbn: 9783843800389
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Dem Leser soll ein Überblick über ein globales Phänomen verschafft werden, was zu Schwerpunktsetzungen zwingt und weswegen nicht alle Aspekte des Themas ausgeleuchtet werden können. Die weltweite Vernetzung führt dazu, dass gleiche Themen in verschiedenen Kapiteln erwähnt werden, damit die Kapitel auch einzeln gelesen werden können.
Im Sommersemester 2008 habe ich an der Universität Mainz eine Vorlesung mit dem Titel »Europäische Kolonialgeschichte« gehalten. Ich danke allen Studierenden für ihre Anregungen, besonders auch die umfangreiche Wunschliste, auf der sie die für sie interessanten Themen des Kolonialismus eintragen konnten. Ich habe versucht, sie bei der Darstellung vollständig zu berücksichtigen.
Für die Entstehung des Buches möchte ich meinem Kollegen Dr. Lars Hoffmann danken, der den ersten Kontakt zum Verlag herstellte. Ebenso danke ich dem Marix Verlag und Frau Miriam Zöller für die Aufnahme in die Reihe »Marix Wissen«. Herrn Daniel Schröder sei für das Abtippen der Quellenzitate und die Korrekturlese der Bibliographie gedankt, Dr. Lenelotte Möller für das Lektorat, Annette Reese und Dr. Julia Schmidt Funke für die Anregungen. Die Hauptlast hat aber wieder einmal meine Frau Anette getragen, die das Buch Korrektur gelesen hat, wofür ich ihr herzlich danken möchte.
Einleitung
Nicht erst plötzlich im 16. Jahrhundert, sondern bereits seit dem 13. Jahrhundert änderten sich die Bedingungen des Zusammenlebens in Europa. Das Bevölkerungswachstum führte zu einer steigenden wirtschaftlichen Nachfrage, die auch die kulturelle Entwicklung bedingte. Es kam zu einer Veränderung der eigenen Sichtweise, zu einer neuen Sicht von Religion, dem Sein und der Umwelt. Vieles wurde hinterfragt, so auch die bekannten und gewohnten Mythen. Man glaubte nicht mehr einfach, dass die Erde eine Scheibe sei, was jedem erfahrenen Seefahrer schon als Unsinn aufgefallen sein musste. Man wollte Neues und Unbekanntes erfahren, reisen, zu neuen Ufern aufbrechen und expandieren. Doch da man nicht wusste, was hinter dem bekannten Land kam und was es zu »entdecken« galt, blieb jede Fahrt eine Gefahr. Dabei ging die Expansion von Europa aus, als dauerhafte und bleibende, während die Mongolen oder Chinesen zwar ebenfalls Weltreiche aufbauten, diese aber nicht in ähnlicher Weise zu einem weltumspannenden Faktor wurden.
Neben dieser Neugier und dem Wunsch nach Expansion entwickelte sich vom 15. bis zum 18. Jahrhundert eine umfangreiche europäische Verwaltung. Schrift und Briefverkehr ermöglichten weitreichende Kommunikation und Verwaltung auch über große Distanzen hinweg. Die Beamten mit ihren Anordnungen reisten jedoch nicht allein nach Übersee, sondern wurden von Militärs und Siedlern begleitet, die unterschiedlich stark diejenigen Gebiete, in denen sie landeten, prägten. Je nach Gesellschaft wurde also die Expansion von unterschiedlichen Gruppen getragen. Dabei können die Länder Spanien und die Niederlande als gegensätzliche Modelle gesehen werden, wie noch aufgezeigt werden wird.
Für die Europäer spielte besonders ein religiöses Sendungsbewusstsein eine herausragende Rolle, war es doch dieses, was zunächst dominant wirkte. Eigentliches Ziel der Fahrten aber war die Bereicherung: Man hoffte Gewürze oder andere wertvolle Handelsware zu finden oder, als höchstes Gut, das Gold.
So kamen europäische Sprachen, Institutionen, Rechts- und Staatsvorstellungen, Religion und schließlich Techniken und Produktionsweisen in andere Teile der Welt, genauso wie die außereuropäischen Gebiete in vielfacher Hinsicht Europa beeinflussten.
1. Grundlagen, Definition und Epochengrenzen
Grundlagen, Verständnis und Grenzen des Kolonialismusbegriffs
Globalisierung ist keineswegs eine Erscheinung, die erst im 21. Jahrhundert beginnt, sondern lässt sich vielmehr auf das frühe 16. Jahrhundert zurückführen. Seit dieser Zeit führten Entdeckungsreisen zu immer neuen Gebieten, wurden regelmäßige Handelskontakte von Europa nach Afrika, Asien und Amerika entwickelt, umfassten also erstmals die ganze Welt. Es sollte die ganze frühe Neuzeit dauern, bis durch die Veränderungen der Aufklärung, besonders aber der Napoleonischen Zeit eine neue Periode begann, an deren Anfang die amerikanischen Unabhängigkeitsbewegungen einerseits und der festere Griff der Europäer auf Afrika und Teile Asiens andererseits standen. Immer stärker wurden nun die Kolonien an das Mutterland gebunden, was gravierende und irreversible Einflüsse auf Gesellschaft, Kirchen, Kleidung, besonders aber auch auf die Beziehungen von Gruppen und Völkern zu einander haben sollte. Es ist also nach der »gemeinsamen Geschichte« zu fragen, wenngleich dies aus einem eurozentrischen Blickwinkel geschehen wird, aus welchem unsere Sicht meistens erfolgt. Mit dieser Perspektive verbunden ist die Erkenntnis, dass die Beziehungen durch Ungleichheit zwischen Herrschern und Beherrschten geprägt wurden, die Macht ausübten, vielfach auch repressiv. Globalisierung bzw. auch die Ressentiments gegenüber einer Zusammenarbeit mit Europa hat vielfach mit den tief sitzenden negativen Erfahrungen aus der Kolonialzeit zu tun.
Im 15. Jahrhundert vollzog sich in allen Bereichen der europäischen Gesellschaft ein tiefgreifender Wandel, der die Grundlage des umfassenden Ausgriffs in die außereuropäische Welt sein sollte. Mythen und Legenden wurden kritischer hinterfragt und nun auch geprüft. Hieraus erwuchs der Wunsch, die kartographischen Kenntnisse nicht nur zu vergrößern, sondern durch systematische Überprüfung den Horizont durch Fahrten zu erweitern. Damit begann die Globalisierung unter »europäischen Vorzeichen« (Horst Gründer), weil die europäischen Kolonialherren noch konsequenter und damit auch dauerhafter ihre Vorstellungen und Wertesysteme in anderen Erdteilen durchsetzten. Die Expansion, die Schaffung großer Reiche, die eine Benachteilung der unterworfenen Völker einschloss, war kein europäisches Phänomen, sondern findet sich auch bei der Expansion Chinas oder der islamischen Reiche. Jedoch ist die europäische Kolonisierung zu einem weltumspannenden Netz geworden, das alle Kontinente einschloss und damit auch zu einem Weltsystem wurde.
Dieses Weltsystem der Eroberung führte zu einem Weltsystem des Handels, welches freilich sehr unterschiedlich strukturiert war. Auf der einen Seite gab es jene Regionen, in welche sich die Europäer anfangs nur als Juniorpartner eingliedern durften. Dies gilt für den gesamten asiatischen Raum, wo es nicht nur sehr viel alte Handelskontakte mit Europa gab, sondern die verschiedenen asiatischen Staaten miteinander umfangreich Handel trieben und den Europäern allenfalls Nischen in dem Handelssystem einzuräumen bereit waren. Anders hingegen verhält es sich in Afrika, besonders aber in Amerika und ab dem Ende des 18. Jahrhunderts auch mit Australien. Diese Kontinente hatten kein inner- oder gar transkontinentales Handelsnetz aufgebaut und wurden mit dem Kolonialismus in ein auf Europa ausgerichteten Handelsnetz zwangsweise integriert.
Neben dem Handel sollte aber auch der Möglichkeit der Wissens- und Informationsweitergabe eine zentrale Funktion zukommen. Da den Europäern zudem keine religiöse Beschränkung bei der bildlichen Wiedergabe von Lebewesen, wie im Islam, auferlegt war, konnte man in Bild und Text zu einer wahren »Überseebegeisterung« gelangen, die bis in das 20. Jahrhundert alle europäische Staaten ergriff. Grundlage für diesen »Orientalismus« war der in der Mitte des 15. Jahrhunderts von Johannes Gutenberg erfundene Buchdruck mit beweglichen Lettern. Damit war es möglich, die in Übersee gesammelten Eindrücke medienwirksam in Europa zu verbreiten. Medienwirksamkeit bedeutete freilich in vielen Fällen alles andere als wahrhafte und allein am Angetroffenen orientierte Beschreibungen, sondern vielmehr ein wirtschaftliches Interesse und die Frage, was sich in Europa gut verkaufen ließ, wobei die europäische Öffentlichkeit auch an bestimmten Geschichten, Erdteilen und besonders Kuriositäten sehr interessiert war.
Es trafen die Handelsinteressen und die europäische medialen Sensationslust mit Heilsungewissheit und einem christlichen Missionsimpetus zusammen. Es gab in Europa kein Jahr, in dem kein Krieg tobte. Viele Regionen kamen kaum zur Ruhe. Missernten, eine steigende Bevölkerungszahl nach dem großen Bevölkerungseinbruch durch СКАЧАТЬ