Der Kolonialismus. Ludolf Pelizaeus
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Название: Der Kolonialismus

Автор: Ludolf Pelizaeus

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: marixwissen

isbn: 9783843800389

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СКАЧАТЬ Einmal gab es die Thomaschristen, die um 300 n. Chr. nach Indien gelangt waren, dann die so genannten Nestorianer, die einer verurteilten christlichen Lehre anhingen und teilweise nach China gezogen waren und schließlich in Afrika die Äthiopier, die man mit dem sagenhaften Priesterkönig »Johannes« in Verbindung brachte, was vermutlich lediglich eine Verballhornung des Titels »Negus« des äthiopischen Königs darstellte.

      Diese Ideenwelt gab sich aber mit den verschiedenen Reiseberichten zufrieden. Zu einer Expansion im großen Stil kam es hingegen noch nicht. Über die geistesgeschichtlichen Gründe, warum am Ende des 15. Jahrhunderts so konzentriert der Ausgriff nach Außereuropa stattfand, ist viel spekuliert worden, so dass sich auch hier nur einzelne Erklärungsansätze nachzeichnen lassen.

      Als 1346 -1349 eine aus Asien eingeschleppte Pestwelle über Europa hinweg zog, führte dies zu einem erheblichen Bevölkerungsverlust. Dies war das erste Mal, das eine Krankheit aus einem anderen Kontinent zu einem nie da gewesenen demographischen Einbruch führte. Der Tod von Millionen Menschen hatte zunächst den Verlust der Wirtschaftskontakte mit Asien durch die gesunkene Nachfrage zur Folge. Andererseits entwickelte sich aus der Krise eine neue Sicht des Menschen.

      Als Kaiser Karl IV. aus dem Haus der Luxemburger im Jahr 1347 eine Reise nach Paris unternahm, war dies nicht nur ein Besuch eines Hofes, welcher schon bei der Namensgebung für ihn wichtig gewesen war, sondern auch der eines Hofes, welcher in kultureller Hinsicht Standards setzte. Frankreichs Hofkultur litt zwar unter den Folgen des noch zu spürenden Hundertjährigen Krieges gegen England, allein man hatte umfangreiche Anstrengungen unternommen, um zu neuen Ufern aufzubrechen. Gerade in dieser Zeit entstanden prächtige Chroniken und herausragende Kodizes, die Tres riches heures des Herzogs von Berry seien hier nur als ein Beispiel genannt. Diese Werke stellten nicht allein künstlerische Meisterleistungen dar, sondern waren gleichsam eine Verherrlichung ihrer Auftraggeber, die sich nicht zu Füßen von Heiligen, nicht in Anbetungspose, sondern vielmehr selbstbewusst darstellen ließen. Aus diesen noch kleinen ersten Porträts erwuchs schnell der Wunsch, sich auch größer darstellen zu lassen. So entstanden die ersten Porträts, die in Paris hingen. Sie sind zwar heute verloren, doch verdanken wir eben jener Reise Kaiser Karls nach Paris die Kenntnis ihrer Existenz.

      Zunächst vornehmlich als Profilansichten gestaltet, nahm Kaiser Karl die Idee, sich selbst abbilden zu lassen, mit nach Prag und fand hier ihren Niederschlag in den Büsten der Parler (verzweigte Baumeister- und Bildhauerfamilie) im Veitsdom. In Prag blieb diese Innovation genauso wenig isoliert wie in Frankreich, sondern gelangte in einem niederländisch-portugiesisch-italienischen Austausch auch in weitere Länder, die aber ihrerseits auch die Entwicklungen in Zentraleuropa beeinflussten. In den Niederlanden und Italien können die vielfältigen Darstellungen des »Selbst« ein Zeugnis dafür ablegen, wie der Mensch sich selbst »entdeckt« hatte, wie man sich als herausragend wahr nahm und eben diese Wahrnehmung zur Grundlage einer neuen Weltsicht wurde. Diese »Entdeckung« des »Ich« ist für den Aufbruch in außereuropäische Gebiete von herausragender Bedeutung.

      Hinzu kam die Bedeutung des länderübergreifenden Handels, bei denen neben den Mittelmeeranrainern auch die Niederlande eine wichtige Rolle spielten. Für die italienischen Kaufleute, die ja seit dem 13. Jahrhundert bis weit in den russischen und arabischen Raum Handel trieben, schien eine weitere Expansion, besonders aber auch die Bereitschaft, einen gewissen Betrag als Risikokapital in der Aussicht auf große Einnahmen einzusetzen, verlockend. In diesem Zusammenhang wurde wichtig, dass man auch für den Kontinentalhandel mit der Arabischen Welt über die Seidenstraße mehr Gold brauchte. Da nämlich die islamische Welt ab dem 15. Jahrhundert Gold dem bisher im innereuropäischen Handel vorherrschenden Silber vorzog, wurde es nötig, die Goldreserven aufzustocken.

      Ebenso wichtig war schließlich die in der Renaissance einsetzende Neuentdeckung der Antike. Besonders im Umkreis der Eroberung von Konstantinopel 1453 kam es zu einer umfassenden Rezeption antiker lateinischer wie griechischer Schriftsteller. Diese Neugierde und die Fragen, die man hatte, experimentell zu beantworten, kann als ein weiterer Punkt für das Aufkommen der Entdeckungsfahrten ausgemacht werden. Es ist bekannt, dass Christoph Columbus, Lacelotto Maloncello oder Giovanni Caboto viele Ideen aus der Rezeption antiker Texte zogen oder aus Werken, die auf der Antikenrezeption beruhten, wie die Imago Mundi des Pierre d’Ailly oder die Historia Rerum Ubique Gestarum des Enea Silvio Piccolomini.

      Neben diesen geistesgeschichtlichen Grundlagen ist aber ebenso ein Blick auf die Entwicklung der Geldwirtschaft zu werfen. Seit dem 13. Jahrhundert war es im Zusammenhang mit der Ketzerbewegung der Katharer, die in Südfrankreich und in der Lombardei Schwerpunkte hatten und den Geldverleih gegen Zinsen nicht ablehnten, zu einem Anwachsen des Kreditgeschäftes, besonders in Norditalien, gekommen. Damit war die Grundlage für umfangreichere Wertschöpfungen, die auch auf Krediten beruhen konnten, gegeben. Deren Aktionsradius erhöhte sich, als man bargeldlose Wechsel einführte, die man in Italien ausstellen und bei einen Repräsentanten oder Geschäftspartner einlösen konnte. Damit wurde es aber zudem möglich, das Geschäftsrisiko auf mehrere Schultern zu verteilen und ein Risikogeschäft einzugehen, das im Falle eines Misserfolges nicht sofort zum Bankrott führen musste. Besonders die jetzt entstehenden Handelsgesellschaften, bei denen es zu einer Kapitalzusammenführung für eine bestimmte Dauer kam, erlaubten die Erweiterung des Aktionsradius.

      Diese wirtschaftlichen Entwicklungen lassen sich zunächst besonders in den Städten, wo es aufgrund der Versorgungssituation immer einen Handel geben musste, festmachen. In der Stadt gab es einerseits einen sehr regen geistigen Austausch, sei es an den Universitäten oder durch die konkurrierenden geistlichen Orden, andererseits trafen hier soziale Gruppen und Schichten zusammen. Während es auf dem Land fast ausgeschlossen war, durch Reichtum einen Sozialaufstieg zu schaffen, war dies in der Stadt möglich, weshalb dies auch dazu führte, dass Einzelpersonen ein oft erhebliches Risiko auf sich nahmen, um die Sozialleiter nach oben zu klimmen. Bei Profiten von 300 bis 1000 Prozent konnte dies durchaus gelingen, allerdings konnte es beispielsweise durch den Verlust der Flotte ebenso leicht zum plötzlichen Bankrott kommen.

      Die italienischen Seerepubliken Genua, Pisa und Venedig konnten indes nur dann große Gewinne machen, wenn sie ihre Flotten in gutem Zustand hielten, stets um die Umsetzungen von Innovationen im Schiffbau bemüht waren und schließlich die Sicherung der Handelswege durch Stützpunkte aufrecht erhielten. Die Konkurrenz dieser drei Republiken förderte die Entwicklung eines Handelsnetzes erheblich, welches später von den großen Nationen gewinnbringend genutzt werden konnte.

      Die ersten Fahrten der Wikinger nach Amerika waren noch reine »Entdeckungen«, gewesen, die allein auf Erfahrung beruhten, über Karten, welche die Welt außerhalb des Mittelmeers zeigten, verfügte man nicht. Die Seeexpeditionen des 13. Jahrhunderts hingegen fußten bereits auf einem umfangreicheren kartographischem wie astronomischen Kenntnisschatz. Hier ist besonders der damals von China über die Araber nach Europa gelangte Kompass zu nennen. Damit konnte man den durch Erfahrung bekannten Raum verlassen und auch in bisher unbekannten Gewässern navigieren. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte traten weitere Instrumente, so Log, Sanduhr und schließlich Tafeln zur Errechnung der Abweichung vom errechneten Kurs hinzu. Mindest ebenso wichtig war aber, dass sich über die Iberische Halbinsel die Kartographie im Mittelmeerraum verbreitete, die auf antiken Vorbildern aufbauend von den Arabern weiter gepflegt und entwickelt worden war. Es darf bei diesen Neuerungen aber nicht vergessen werden, dass den navigierenden Kapitänen alle Reisen enorme Kenntnisse abverlangten. Selbst noch als im 15. Jahrhundert der Seequadrant und das Seeastrolabium hinzukamen, blieben erhebliche Ungenauigkeiten, wobei ein (Breiten)grad in der Berechnung bereits 111 Kilometer Unterschied in der Wirklichkeit ausmacht.

      Es bedurfte, wie gezeigt wurde, einer bestimmten menschlichen Wahrnehmung gleichermaßen wie einer an einem solchen Ausgriff interessierten Gesellschaft und Wirtschaft, dass die Atlantikfahrten Folgen haben konnten. So zeigen dann auch die Entstehungsdaten von Bildern der Maler der italienischen Renaissance eine zeitliche Nähe zu den ersten portugiesischen Fahrten, welche den Raum des geschützten СКАЧАТЬ