Der Kolonialismus. Ludolf Pelizaeus
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Kolonialismus - Ludolf Pelizaeus страница 5

Название: Der Kolonialismus

Автор: Ludolf Pelizaeus

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: marixwissen

isbn: 9783843800389

isbn:

СКАЧАТЬ Deutschland die Frage nach dem gerechten Gott stellte, sondern überall in Europa traten Prediger auf, die vor dem Weltende mahnten. Die Menschen waren ergriffen und verbanden die Expansion immer mit einer Bekehrung zu einem nicht in Frage gestellten Christentum. Diese Sendungsidee brachte aber gleichzeitig die Legitimation für die rücksichtslose Expansion der europäischen Mächte mit sich. Erst mit dem Ende der Frühen Neuzeit und dem Beginn der Aufklärung kam es zu einem Wechsel der Vorzeichen. Ab 1750 ist nicht mehr die Bekehrung der »Heiden« offiziell einziges oder zumindest vorrangiges Ziel als Begründung, sondern nun kommen neue Faktoren ins Spiel, die freilich für die betroffenen Völker außerhalb Europas die Lage keinesfalls besser machten. Die europäischen Staaten wurden sich ihrer »Nationalität« bewusst. Sie versuchten daher, im außereuropäischen Bereich verstärkt auch der Kolonie die Identität des eigenen Landes aufzuzwingen. Zudem dienten Rassentheorien zur »wissenschaftlichen« Begründungen der Minderwertigkeit der indigenen Bevölkerung. Man verstand sich jetzt also nicht mehr durch die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft, sondern durch die Zugehörigkeit zu einer Nation als etwas Besseres.

      Der Kolonialismus lief aber nicht nur in eine Richtung. So nämlich, wie Europa durch seine Expansion unterschiedlichen Einfluss auf die übrigen Kontinente nahm, so wurde umgekehrt auch Europa durch das Zeitalter des Kolonialismus und die auf Europa zurückwirkenden Einflüsse umfassend geprägt. Tomaten, Kartoffeln, Zucker auf dem Speiseplan, »Kajak«, »Samba«, »Iglo« im Sprachgebrauch sind nur wenige Beispiele von prägenden Einflüssen. Aber auch die Sicht von Völkern im außereuropäischen Bereich wurde nicht nur von den Kolonialherren, sondern durchaus auch von den Betroffenen selbst mitgestaltet. Eine wichtige und sehr prägende Rolle nahm hierbei die Druckgraphik und später die Fotografie ein. Besonders seit dem Ende des 19. Jahrhundert überschwemmten Postkarten mit Motiven aus den Kolonien oder aus Übersee den europäischen Markt. Die meisten Postkarten wurden in Deutschland gedruckt, allein 1907 mehr als 300 Millionen, also fast eine Million pro Tag! Doch nicht nur die Kolonialmächte, sondern gerade auch Nationen in Asien ließen mit solchen Postkarten einen bestimmten Eindruck verbreiten, der uns bis heute prägt. So tauchen erst auf diesen Postkarten Hawaiimädchen im Bastrock auf, obwohl dieser auf Hawaii gar nicht zu finden war und erst von Fotografen eingeführt wurde.

      Der Kolonialismus ist also ein sehr weites, ja die gesamte Erde umspannendes Phänomen, welches aufgrund der sehr unterschiedlichen Art nicht einfach zu erfassen ist, wie von Jürgen Osterhammel und Ania Loomba betont worden ist, zunächst allein schon aufgrund der schieren geographischen Größe und der sich damit ergebenden Uneinheitlichkeit und Unterschiedlichkeit. Nach dem Ersten Weltkrieg war mehr als die Hälfte der Erde europäischer Kolonialbesitz und zwei fünftel der Weltbevölkerung unterstanden kolonialer Herrschaft.

      Daher gibt es auch unterschiedliche Auffassungen über den Terminus »Postkolonialismus«. Für die einen bezeichnet er die nachkoloniale Zeit, andere lehnen den Begriff deswegen ab, weil er im Rahmen von Literatur gerne verwandt wird, nicht aber für die koloniale Ausbeutung im Zusammenhang mit ökonomischen Maßnahmen.

      Kolonialismus und Postkolonialismus dürfen aber nicht nur als Begrifflichkeiten für politische Vorgänge gesehen werden, sondern ebenso für geistesgeschichtliche Strömungen, wie beispielsweise in der Literatur, wenngleich, wie Peter Hulme hervorhebt, selten eine wirkliche eigenständige Auseinandersetzung mit dem Thema des »Postkolonialismus« stattfindet. Eher könne man von einem Vergleich zwischen vorher und nachher sprechen. Dies aber sei eher ein Reflex aus kolonialen Zeiten, nicht jedoch eine neue Auseinandersetzung.

      Zudem ist der Begriff des Kolonialismus umstritten. Die Debatte um »Kolonialismus« fand unter dem Stichwort des »Orientalismus« neue Nahrung mit dem Buch von Edward Said in den achtziger Jahren. Seine Kritik führte zu einer umfangreichen Diskussion über die Auswirkungen des Kolonialismus und das Fortdauern eines Überlegenheitsbildes in den westlichen Medien bis in die heutige Zeit. Hatte Said noch die Position vertreten, dass sich der Kolonialismus bis heute ungebrochen fortsetze, weil sowohl die westlichen Medien als auch die großen Konzerne, besonders aber das Bewusstsein der Bewohner des westlichen Welt immer noch auf die früheren »Kolonialvölker« herabsähen, so ist diese Sicht mittlerweile abgeschwächt worden. Es herrscht Einigkeit darüber, dass koloniale Abhängigkeiten bis heute nachwirken, dass wir von einer Gleichwertigkeit der Erdteile noch weit entfernt sind, allerdings wird das Pauschalurteil einer weitgehend ungebrochenen weiterhin kolonialen Sichtweise der Welt im Westen kaum noch geteilt.

      Was aber hat, so muss man sich fragen, der Kolonialismus für Konsequenzen, was sind die Ausformungen und Ursachen? Es ist auch hier kaum eine alle Erdteile und Ausprägungen des Kolonialismus berücksichtigende Antwort möglich. Zu Recht ist darauf verwiesen worden, dass die Entwicklung des Kapitalismus eine entscheidende Rolle für den Kolonialismus gespielt hat. Denn es handelt sich beim Kolonialismus seit der Frühen Neuzeit, also seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert, der in Italien aufgrund der Entwicklung der Geldwirtschaft jedoch schon früher einsetzte, um eine Einbindung der Kolonie in das Metropolitansystem. Nicht Tribute galten mehr als ausreichend, sondern man erwartete eine Handelsbeziehung, die beide Seiten, wenngleich mit unterschiedlichem Rechtsstatus, einbeziehen sollte. Daraus sollten sich dann durch Siedlung Kolonien entwickeln. Damit aber dort trotz der Entfernung zum Mutterland zu günstigen Kosten produziert werden konnte, erhielten die Kolonien Sklaven oder durch lange Verträge verpflichtete Arbeiter (indenturered labour). Diese Arbeitskraft erlaubte den Kolonien Rohstoffe und Plantagenprodukte zu exportieren, was wiederum für den Fortschritt des Mutterlandes von großer Wichtigkeit war. In umgekehrter Richtung waren die Kolonien ein Absatzmarkt für die entstandenen Fertigprodukte. In diesem Sinne kann der Kolonialismus als Hebamme des Kapitalismus angesehen werden.

      Zentraler Begriff war also die Siedlung, wobei es verschiedene Siedlungsformen gab. Einmal Siedlungsstützpunkte (plantations) in Amerika oder Wirtschaftsstützpunkte in Indien. Das System Mutterland-Kolonie verlangte, zumindest von einer Schicht hohe Flexibilität und Mobilität, galt es doch, Verwaltungsbeamte und ranghohe Militärs nur im Mutterland zu rekrutieren, sie dann aber überall einzusetzen.

      Die Spätphase des Kolonialismus wird meist als Imperialismus bezeichnet, wobei man sich in diesem Zusammenhang auf Lenins Schrift von 1916/17 »Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus« als Meilenstein in der Entwicklung bezieht. Mit seiner Definition des »Imperialismus als höchste Stufe des Kapitalismus« war jedoch eine gleichsam lineare Entwicklung in diesem Deutungsmuster vorgegeben. Diese Position wird heute nicht mehr geteilt. Einmal lehnt man die Sicht der Geschichte als lineare Entwicklung zu einer höheren Stufe des »Seins« ab, zudem wird die dahinter stehende Position, durch eine vollständige Kapitalkonzentration habe der Kolonialismus eine fortgeschrittenere Ausprägung erreicht, nicht mehr geteilt. In der heutigen Forschung wird betont, dass es Imperien und die damit verbundene Expansion seit der Antike gegeben habe, dass also nicht das »Imperiale«, sondern vielmehr die sozialen und wirtschaftlichen Verschiebungen die Charakteristik der Zeit am Ende des 19. Jahrhunderts ausmachen.

      Es gab beim Auftreten der Kolonialherren eine weite Palette von Reaktionen, die von Widerstand bis zu Anpassung und Kooperation reichten. Gerade aber letzteres war der entscheidende Baustein für die Errichtung einer Kolonialherrschaft, weil nur dank der Kooperation unter Nutzung von existierenden Rivalitäten, den Kolonialherren die Dominierung bestimmter Gebiete möglich war. Dennoch bleibt ein Wesensmerkmal des Kolonialismus die Gewalt der Kolonialherren, die sich aus einem Gefühl der Schwäche als Minderheit heraus, ihre Herrschaft sicherten. Hinzu kam, dass die koloniale Hegemonie auf Distanz ausgelegt war. Die Verwaltungs- und Militärzentren lagen weit entfernt und vieles blieb schon von daher der Willkür überlassen. Alle schriftlichen Anordnungen sind daher auch in diesem Licht zu sehen. Die oberste Ebene des kolonialen Staates war europäisch. Paternalismus und europäische Herablassung, besonders seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, als man glaubte, einen »Erziehungsauftrag« zu haben, waren gang und gäbe. Kenntnis über Kulturen erwarben die Kolonialherren meist lediglich aus Utilitarismus, um die Herrschaft zu sichern, besonders aber um die Möglichkeiten der Ausbeutung des Landes zu steigern, weil ihnen nur so die Nutzung der Bodenschätze und der landwirtschaftlichen Güter möglich war. Auf der anderen Seite СКАЧАТЬ