Der Kolonialismus. Ludolf Pelizaeus
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Название: Der Kolonialismus

Автор: Ludolf Pelizaeus

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: marixwissen

isbn: 9783843800389

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СКАЧАТЬ stets die Publikationen, und damit aber auch das entstehende Bild kontrollierte. Demzufolge erschienen vielfach mit Spanien und seinen Kolonien verbundene illustrierte Publikationen nicht auf der Iberischen Halbinsel, sondern in England, den Niederlanden und dem Heiligen Römischen Reich, freilich um Spanien zu kritisieren. So prägten die in den Niederlanden entstandenen Illustrationen des Berichtes des spanischen Dominikaners Bartolomé de las Casas mehr das Bild von Amerika, als der zugehörige Text.

      Im Osmanischen Reich (von Ungarn, über den Balkan, Griechenland bis in Türkei) fehlte für die moslemische Mehrheit das Medium Druck. Christliche Minderheiten wie die Armenier betrieben Druckereien, so in Venedig, doch konnte hier kaum eine bildliche Verbreitung und wenn überhaupt nur durch Handschriften erfolgen.

      Die Durchsetzung der katholischen Konfession (Konfessionalisierung) in Spanien beruhte maßgeblich auf der Wirksamkeit der Inquisition als Kontrollorgan auf lokaler oder regionaler Ebene. Um dies Konfessionalisierung sicherzustellen, mussten »ketzerische« Schriften unterdrückt werden, weswegen eine massive Verfolgung der Buchdrucker, die meist aus den Niederlanden oder dem Hl. Römischen Reich gekommen waren, einsetze. Nach Lateinamerika schließlich gelangten, ausgenommen der für die Mission benötigten Bücher, zunächst auch nur wenige Druckerzeugnisse, da die Zensur des Indienrats erst den Inhalt prüfen musste. So war seit 1531 selbst die Einfuhr von »profanen« oder »sagenhaften« Büchern verboten. Doch kann man an der literarischen Produktion in Lateinamerika sehen, dass sich dies im 17. und 18. Jahrhundert änderte, als auf Schmuggelfaden viele Bücher ihren Weg über den Atlantik fanden und dort zur Entwicklung eigener Ideen und Stile anregte.

      So bedingte die Unterschiedlichkeit der Rezeptionsmöglichkeiten und die konstruierte Sicht des Anderen (»Alteritätskonstrukt«) das Bild, welches man sich in Europa von der übrigen Welt machte. Dieses wiederum beeinflusste natürlich auch die in Europa getroffenen Entscheidungen maßgeblich.

      Der Kulturkontakt mit dem »Anderen« kann sehr gut am Beispiel der Eroberung Perus dargestellt werden. Zum Verständnis ist wichtig, dass die Europäer, als Francisco Pizarro nach Peru von Panama aufbrach, keinerlei Kenntnisse von den Bewohnern besaßen und umgekehrt die Bevölkerung des Inkareiches nur vage Gerüchte von den Ankömmlingen erhalten hatte.

      Als 1533 der aus der spanischen Extremadura stammende Kleinadelige Francisco Pizarro mit wenigen Soldaten in Cuzco, der Hauptstadt des Inkareiches, anlangte, wurde er dort enthusiastisch begrüßt. Es herrschte Bürgerkrieg und Manco Inka glaubte, in Pizarro einen Verbündeten gegen seinen Bruder Atahualpa gefunden zu haben. Atahualpa war aber als erster kurz zuvor als Oberbefehlshaber der Nordarmee mit den Spaniern in Cajamarca zusammengetroffen. Doch wurde er festgesetzt und trotz der Sammlung von Lösegeld hingerichtet. Übrig blieb nach Beseitigung der Brüder Huascar und Atahualpa nur Manco Inka, den jedoch ein fehlgeschlagener Aufstand nicht mehr an die Macht brachte. Cajamarca stellt also einen entscheidenden Wendepunkt, ein Schlüsselereignis dar.

      So ist es umso verwunderlicher, dass über das Ereignis in Cajamarca so wenig bekannt ist. Wir kennen noch nicht einmal das Datum der ersten Begegnung zwischen Christen und Inka. Fand das Treffen am 16. November 1532 statt oder eher 1533, im August oder eher am 26. Juli? Auch das Schicksal des Leichnams von Atahualpa ist ungewiss. In Cajamarca begraben, wurde er von seinen Anhängern exhumiert und in einen anderen Teil des Landes gebracht. Doch wohin? Bis heute streitet man sich darüber, ob die erneute Bestattung in Peru oder in Quito stattfand.

      Es handelte sich um ein Zusammentreffen, ein encuentro zwischen zwei Kulturen, die sich erstmals offiziell begegneten. Von den Spaniern hatte man bisher nur gehört, wenngleich die ihnen vorauseilenden Krankheiten, deren prominentestes Opfer der letzte alleinregierende Inkaherrscher Huana Capac war, im Inkareich den Lauf der Geschichte bereits bestimmten. Es sollte nun zur europäischen Zerstörung des tradierten Systems kommen: des kollektiven Gedächtnisses.

      Die Illustrationen des »Kurzgefassten Berichtes von der Verwüstung der Westindischen Länder« aus der Feder von Bartolomé de las Casas sind als eine gedruckte Antwort auf das Vorgehen der Spanier in den Niederlanden ab 1572 zu verstehen. Hauptinteresse der protestantischen Niederlande war es, das Vorgehen der Spanier zu diskreditieren, ihre universale Grausamkeit nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Übersee bloß zu stellen. Daher eignete sich die Darstellung von Las Casas zur Publikation und Illustration in propagandistischer Hinsicht, weil die scharfe Kritik am grausamen Vorgehen der Spanier aus der Feder eines Spaniers stammte und daher von besonderer Legitimität schien. Die Schriften von Las Casas wurden also nicht in ihrem Ursprungsland Spanien, sondern vielmehr in den von Spanien unterdrückten Niederlanden gedruckt.

      Zentrale Intention des vorliegenden Stichs ist die Verurteilung der Handlung der Spanier. Dies geschieht durch eine Reihe von Hilfsmitteln, die wir besser mit dem Textpassagen, die dem Bild zugeordnet waren, verstehen.

      Zunächst wird die Wehrlosigkeit der Indianer mit der Brutalität der Spanier konfrontiert: »Atabaliba, nebst einer großen Menge Volks, das entweder ganz wehrlos war, oder doch nur zum Spaß bewaffnet« war, stand den »Spaniern … die, wenn die Teufel Gold besäßen, selbst diese angepackt und ihnen dasselbe geraubt haben würden«.

      Dann wird im Hauptteil aber darauf Wert gelegt, dass Atahualpa die Spanier treffen wollte: »…wo sind denn die Spanier? Laßt sie herkommen! Ich weiche nicht eher von der Stelle, bis sie mir wegen meiner Untertanen, die sie ermordeten, wegen der Örter, die sie verheerten und wegen der Schätze, die sie mir raubten, Genugtuung geben!« Doch nun wird er ergriffen und gefangen.

      Die verbale Kommunikation des Atahualpa kann ihr Ziel nicht erreichen. Die Aussagen von las Casas nimmt auch de Bry auf, spitzt sie jedoch in vielen Punkten noch erheblich zu. Die Darstellung, dies fällt auf, findet irgendwo im imaginierten Lateinamerika statt. Im Vordergrund sind die großen Kanonen und die mordenden Spanier zu sehen. Im Zentrum des Bildes befindet sich die Sänfte, wobei als Szene festgehalten ist, wie Pizarro den Inka Atahualpa vom Thron reißt, während ein Mönch mit großem Kreuz daneben steht. Während die Spanier als brutal aber mutig dargestellt werden, erscheinen die Indianer als feige und als Flüchtende.

      In dem Bild wird also der Kampf von nackten Wilden gegen die brutalen, aber zivilisierten Spanier gezeigt: Nicht inkaische Soldaten oder Herrscher treten ins Bild, sondern Spanier und wilde Indianer, die genauso dargestellt werden, wie die Indianer in der Karibik. Damit werden die Untaten der Spanier noch erhöht. Wie Todorov herausgearbeitet hat, hatte bereits Columbus immer wieder auf die Nacktheit ohne Scham verwiesen: Die Indianer, denen die biblische Scham über ihre Nacktheit abgeht, befinden sich in einem Zustand unmittelbar nach dem Sündenfall. Es findet sich eine wichtige Grundannahme der Conquista, aber auch des Kolonialismus allgemein: Die konkrete Erfahrung hat die Funktion, die Wahrheit zu belegen, nicht zu befragen. So sind auch für de Bry gewisse Grundannahmen nicht hinterfragbar. Die Kolonialherren des 16., wie des 19., ja auch des 20. Jahrhunderts erwarten in Afrika oder Amerika »Wilde« anzutreffen, die es zu »zivilisieren« gilt und daher treffen sie diese auch an, weil sie die Annahme, dass es auch anders sein könnte, von vorneherein ausschließen.

      Ähnliche Grundmuster können wir auch in einem früheren, vom Aufbau sehr einfachen Holzschnitt finden, welcher bereits 1534 erschien und in der Chronik von Cristóbal de Mena und in derjenigen von Francisco de Xeréz zu finden ist. Das gleiche Ereignis wird aber jeweils ganz anders dargestellt. In der spanischen Illustration steht nicht spanische Grausamkeit, sondern der Akt der Inbesitznahme, des requerimiento im Vordergrund: Die Spanier verlesen auf spanisch einen Text, mit dem sie die Gebiete in Besitz nehmen und warnen, dass bei Widerstand gegen die Krone Krieg geführt werden dürfe. Die Quetcua sprechenden Indigenen können diese ihnen unbekannte Zeremonie nicht verstehen, die für die Spanier eine Huldigung bedeutet. Wie bei de Bry finden sich die Indigenen als primitive Nackte, wobei ihre Darstellung jedoch diesmal nicht durch ein negatives Spanienbild beeinflusst wurde. Das Problem der Sprache ist in der Darstellung zumindest СКАЧАТЬ