Название: Der Kolonialismus
Автор: Ludolf Pelizaeus
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: marixwissen
isbn: 9783843800389
isbn:
Dank der inneren Reformen, der geschickten Leitung der kastilischen Stände (Cortes), besonders aber durch die Hinführung aller inneren Streitigkeiten auf die Eroberung Granadas wurde Kastilien gefestigt. Doch die Krone wandte sich nicht allein gegen das letzte muslimische Königreich auf Iberischem Boden, sondern auch gegen die Juden, deren Ausweisung sie 1492 verordnete. Da den Juden nur die Möglichkeit der Konversion zum Christentum oder des Verlassens des Landes eingeräumt wurde, hatten die Krone und die spanische Inquisition gezeigt, dass Zwangskonversionen in großem Stil durchführbar waren. Diese Erfahrung sollte auch bei der konsequent weiter geführten Expansion in Richtung »Indien« von Bedeutung sein.
Konnte also die weiter unten zu betrachtende erste Fahrt von Christoph Columbus in einer Zeit der inneren Stärke Kastiliens stattfinden, so hielt diese innere Geschlossenheit nicht lange an, was für die weitere Entwicklung zu berücksichtigen ist. Durch die Eroberung von Granada war der Konflikt mit dem Adel, als Königin Isabella 1504 starb, lediglich aufgeschoben. Wieder war die Nachfolge unsicher, wieder gab es Fraktionierungen. Doch jetzt war der Einschnitt noch gravierender. Denn nach dem Tod des Erbprinzen Johann war das Erbe an seine Schwester Johanna gelangt, die mit dem Habsburger Philipp dem Schönen verheiratet war und später mit dem Beinamen »die Wahnsinnige« bedacht wurde. Schon 1504 hatten ihr die Cortes aufgrund ihres Geisteszustandes die Regierungsfähigkeit abgesprochen. Nachdem Philipp bereits 1506 plötzlich in Tordesillas verstorben war, besaßen viele Adelige fast unbeschränkte Macht. Leidtragende waren die Städte, die in diesem Konkurrenzkampf den Kürzeren zogen. Zudem hatte einige Adelige, die erst mit dem Feldzug gegen Granada in den Adelsstand erhoben worden waren, nur den Titel erworben, aber keinen sozialen Aufstieg verwirklichen können.
4. Kulturkontakt und mediale Darstellung
Wie gelang es einigen hundert Spaniern, die Riesenreiche der Azteken und Inka zu erobern? Warum sprechen wir bis heute von »Indianern«? Was glaubte Kolumbus 1492 gefunden zu haben? Und was sahen die europäischen Kolonialherren, wenn sie in andere Weltteile kamen? Diese grundsätzlichen Fragen für das Verständnis des Kolonialismus stellten sich erstmals mit der »Entdeckung« Amerikas, sollten aber auch später noch von Bedeutung sein, als koloniale Eroberung auch im 19. Jahrhundert unter den gleichen Vorzeichen ablief.
Der Soziologe Tzetvan Todorov hat hervorgehoben, dass der Erfolg der Europäer, so auch der Spanier, vornehmlich darauf beruhte, dass sie sich geschickter als die unterworfenen Völker an die Umstände anpassen konnten. Nach der Ankunft auf Haiti 1492 nutzten sie das Entgegenkommen der dort lebenden Tainos aus, in Mexiko suchten sie die Gegner der Azteken und vereinnahmten die Tlaxcalteken gegen Mexiko. In Peru schließlich erfassten sie die Situation des Bürgerkrieges und erkannten, wie sie den Thronstreit zwischen den verfeindeten Halbbrüdern Huascar Inka und Atahualpa Inka für sich nutzen konnten.
Zudem machten sie sich das Medium Sprache umfangreich zu Nutze. Die Spanier bildeten Dolmetscher aus, während die Azteken ihre Infrastruktur zunächst nicht ausschöpften und sich das Gesetz des Handels weitgehend aus der Hand nehmen ließen. Als Antonio de Nebrija den Katholischen Königen 1492 die erste Grammatik des Spanischen vorlegte, stellte dies die »Begleiterin des Imperiums« dar, denn damit hatten die Kastilien ein Instrument der Sprachvermittlung, um ein Weltreich aufzubauen. Anders als in Asien oder Afrika, ja auch in der portugiesischen Kolonie Brasilien, wurde in Spanisch-Amerika systematisch Spanisch als Sprache eingeführt. Ordensgeistliche legten zweisprachige Katechismen an, Spanisch blieb aber nun die Sprache der Herrschenden.
Bei der europäischen Expansion in der Frühen Neuzeit waren Kulturkontakte und Kulturzusammenstöße an der Tagesordnung, wenngleich sich die Eroberer unterschiedlich verhielten. Besonders die Franzosen agierten in Kanada mit relativ wenigen Vorurteilen, anders als die Spanier oder ganz besonders die Engländer, die eine strikte Trennung zwischen weißer und indigener Bevölkerung betrieben. Die Spanier hingegen sahen die Indianer formal als Bewohner eines Teils ihres Imperiums, ihrer »Kronlande« an und damit grundsätzlich rechtlich als mit den Bewohnern des Mutterlandes gleichberechtigt an. Die Wirklichkeit sah freilich anders aus.
Und noch ein Punkt trat hinzu, der als »Kolonisierung des Imaginiären« bezeichnet wird. Kultanlagen der indigenen Bevölkerung wurden von den Spaniern zerstört oder umgedeutet. Unmittelbar an den Sakralbezirk in Tenochtitlán baute man eine Kathedrale, auf die Pyramide in Cholula (Mexiko) setzte man eine Kirche, ebenso auf den Sonnentempel in Cuzco (Peru). Es kam damit zu einer Umdeutung heiliger Orte im Sinne der Kolonialherren, was freilich vornehmlich in Amerika möglich war, während dies in Afrika oder Asien aufgrund der Machtsituation selten erreicht wurde. Ausnahmen stellen jene Inseln dar, wie beispielsweise die Kapverden oder Philippinen, welche nicht nur vollständig in die europäische Herrschaft eingegliedert, sondern zudem ganz im Sinne des katholischen Christentums missioniert wurden.
Amerika brachte eine neue Kategorisierung auch für die europäische Welt. Denn während in Asien die Länder bereits vor dem Eintreffen der Europäer durch ein Kommunikationsnetz miteinander verbunden waren, fehlte dies in Amerika. Die Azteken trieben keinen Handel mit den Inka, man konnte keine Informationen über die Struktur des Inkareiches in Mexiko oder im Mayareich erwerben, ein Kommunikationsraum musste erst geschaffen werden.
Das Zusammentreffen der Sprachlosigkeit
Bildliche Darstellungen zeigen anschaulich Deutung und Bedeutungszuweisung im Kulturkontakt. Für diesen galt, auch außerhalb Amerikas, immer wieder, dass man den Gegner als »Anders«, aber nicht gleichrangig, sondern vielmehr als »minderwertig« ansah. Dabei schwankte die Wahrnehmung in Abhängigkeit von der eigenen Situation, sprich, ob man in einer eindeutig überlegenen oder in einer gefährdeten Position war. Auch in der Bedeutung, die man Eroberungen zumaß, gab es deutliche Abstufungen. Die Eroberung Konstantinopels wurde beispielsweise schon im 15. und 16. Jahrhundert als sehr wichtig eingestuft, während die Eroberung Amerikas als bedeutendes Epochendatum erst im 18. Jahrhundert angesehen wurde. Heute hingegen können die meisten etwas mit dem Datum 1492 verbinden, erheblich weniger jedoch mit demjenigen von1453.
Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Fabrikation eines Ereignisses, gerade beim Kolonialismus. Aufgrund der Entfernungen kamen selten Zeugen aus den eroberten Gebieten nach Europa und wenn man sie herüberbrachte, wie die Azteken, die der Nürnberger Hans Weiditz malte, so wurden sie wie Tiere bestaunt und ausgestellt, ein Vorgehen, welches sich bis in das 20. Jahrhundert hielt, als Zoo Hagenbeck »Völkerausstellungen« organisierte und man Menschen aus den Kolonien wie Zootiere ausstellte. Die Möglichkeit, die eigene Sicht der Dinge den Eroberern zu schildern, war den Ethnien Afrikas und Amerikas weitgehend verstellt. Die innerasiatische Rezeption wurde hingegen zwar dokumentiert aber bis heute in Europa nicht oder höchstens bruchstückhaft wahrgenommen. Betrachtet man sich den Rezeptionsrahmen für Nachrichten aus den Kolonien in der Frühen Neuzeit, so lassen sich drei Regionen voneinander unterscheiden:
Zentraleuropa (von Frankreich und England über Skandinavien bis nach Ungarn und Italien): Hier existierte ein weiter Rezeptionsrahmen, in welchem viele Berichte aus der neuen Welt und auch Schriften über die Kriege gegen die Türken, so genannte Turcica, erschienen.
Iberische Halbinsel: In Portugal und Spanien dominierten die Berichte aus den eigenen überseeischen Gebieten. Spanien hatte nur wenige Druckereien, die überhaupt Berichte veröffentlichen konnten. Dies lag daran, dass Anfang des 16. Jahrhunderts die umfassende Verfolgung СКАЧАТЬ