Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
isbn:
II
Die Entscheidung näherte sich. Ob es zum Aufstand kommen sollte oder nicht, hing von der Junta ab, aber die Junta befand sich in großer Verlegenheit. Der Geldbedarf war größer als je, und dabei wurde es immer schwerer, Geld zu beschaffen. Die Patrioten hatten ihren letzten Cent hergegeben und besaßen nichts mehr. Die in der Verbannung lebenden Arbeiter gaben die Hälfte ihres kargen Lohnes ab. Aber man brauchte mehr. Die jahrelange, anstrengende Arbeit der Revolutionäre sollte bald Früchte tragen. Die Zeit war gekommen. Noch ein Stoß, noch eine letzte, heldenmütige Anstrengung, und der Sieg war sicher. Sie kannten ihr Mexiko. Einmal in Gang gebracht, nahm die Revolution von selber ihren Lauf. Die Grenzgebiete waren zum Aufstand bereit. Ein Amerikaner wartete mit hundert Mann auf ein Wort, um die Grenze zu überschreiten. Aber er brauchte Gewehre. Im ganzen Lande bis zum Atlantischen Ozean unterhielt die Junta Verbindungen, und alle brauchten sie Gewehre: Abenteurer, Glücksritter, Banditen, enttäuschte amerikanische Unionisten und die vielen mexikanischen Verbannten, der Sklaverei entflohene Peonen, Minenarbeiter, die man in den Gefängnissen von Coeur d’Alene und Kolorado ausgepeitscht hatte und die deshalb besonders rachgierig und kampflustig waren – Wracks und Strandgut wirrer Geister aus der toll gewordenen Welt. Gewehre und Munition! Gewehre und Munition! Danach riefen sie alle unaufhörlich.
Wurde diese bankrotte, rachgierige Bande über die Grenze geworfen, war die Revolution sofort im Gange. Die Zollämter, die nördlichen Einfuhrhäfen wurden erobert. Diaz musste die Hauptmacht seines Heeres im Süden des Landes halten, denn auch im Süden würde der Aufruhr beginnen. Stadt auf Stadt musste sich ergeben, Staat auf Staat wanken und zusammenstürzen. Und zuletzt kam der Marsch der siegreichen Revolution nach der Hauptstadt Mexiko. Aber das Geld! Die Männer hatten sie, und die warteten ungeduldig auf die Gewehre. Sie kannten die Händler, die ihnen die Gewehre verkaufen und liefern sollten. Aber die Junta hatte ihre Kräfte erschöpft. Der letzte Dollar war ausgegeben, die letzte Hilfsquelle, der letzte hungernde Patriot ausgesogen, und die große Sache schwebte immer noch zitternd auf der Waagschale der Entscheidung. Gewehre und Munition! Die zerlumpten Bataillone mussten bewaffnet werden. Aber wie? Ramos wehklagte über sein konfisziertes Eigentum. Arrellano bejammerte die Verschwendung, die er in seiner Jugend betrieben hatte. May Sethby grübelte, ob nicht alles besser gegangen wäre, wenn die Mitglieder der Junta früher sparsamer gewesen wären.
»Der Gedanke macht mich wahnsinnig, dass die Freiheit Mexikos mit ein paar Tausend elenden Dollars stehen und fallen soll!« sagte Paulino Vera.
Die Gesichter aller drückten Verzweiflung aus. José Amarillo, ihre letzte Hoffnung, ein erst jüngst Bekehrter, der ihnen Geld versprochen hatte, war auf seiner Hazienda in Chihuahua ergriffen und an seiner eigenen Stallmauer erschossen worden. Die Nachricht war gerade gekommen.
Rivera, der auf den Knien lag und den Fußboden scheuerte, blickte auf, den Scheuerlappen in der Hand und die bloßen, von schmutzigem Seifenwasser bespritzten Arme ausgestreckt.
»Würden fünftausend genügen?« fragte er.
Sie starrten ihn an. Vera nickte und schluckte. Er konnte kein Wort hervorbringen, aber eine neue Hoffnung belebte ihn.
»Bestellen Sie die Gewehre«, sagte Rivera, und dann leistete er sich die längste Rede, die sie je von ihm gehört hatten. »Es ist nicht viel Zeit. In drei Wochen bringe ich euch die fünftausend. Das ist früh genug. Dann ist es wärmer für die, welche kämpfen sollen. Und schneller kann ich es auch nicht machen.«
Vera kämpfte mit sich selbst. Allzu viele Hoffnungen waren schon zerschellt, seit er dabei war, aber er glaubte an diesen abgerissenen Scheuerjungen der Revolution und wagte es doch nicht, an ihn zu glauben.
»Du bist verrückt«, sagte er.
»In drei Wochen«, sagte Rivera. »Bestellt die Gewehre.«
Er stand auf, krempelte sich die Hemdsärmel herunter und zog sich die Jacke an.
»Bestellt die Gewehre«, sagte er. »Ich gehe jetzt.«
III
Nach vielem Hin und Her, zahllosen Telefongesprächen und unendlicher Schimpferei wurde eine Nachtsitzung in Kellys Kontor abgehalten. Kelly steckte bis über die Ohren in Geschäften, und überdies hatte er Pech. Er hatte sich Danny Ward aus New York verschrieben und einen Boxkampf zwischen ihm und Billy Carthey arrangiert, der in drei Wochen stattfinden sollte, und jetzt musste Carthey seit zwei Tagen, sorgsam versteckt vor den Sportreportern, wegen einer argen Verletzung das Bett hüten. Es gab keinen anderen, der für ihn eintreten konnte. Kelly hatte wie verrückt nach jedem annehmbaren Boxer der Leichtgewichtsklasse im Osten telegrafiert, aber alle waren durch Vereinbarungen und Kontrakte gebunden. Aber jetzt hatte er eine Hoffnung, wenn auch nur eine schwache.
»Sie haben viel Mut!« sagte Kelly zu Rivera.
In Riveras Augen blitzte es boshaft auf, aber das Gesicht bewahrte seinen unerschütterlichen, kalten Ausdruck.
»Ich kann Ward erledigen«, war alles, was er sagte.
»Wie können Sie das wissen? Haben Sie ihn je boxen sehen?«
Rivera schüttelte den Kopf.
»Mit einer Hand und mit geschlossenen Augen macht er Quetschkartoffeln aus Ihnen.«
Rivera zuckte die Achseln.
»Haben Sie nichts dazu zu sagen?« knurrte der Veranstalter.
»Ich kann ihn erledigen.«
»Haben Sie überhaupt je gekämpft?« fragte Michael Kelly. Michael war der Bruder des Veranstalters, betrieb das Yellowstone-Wettbüro und verdiente viel Geld an den Boxkämpfen.
Rivera knurrte ihn grimmig an.
Der Sekretär, ein junger Mann von ausgeprägtem СКАЧАТЬ